«Breaking Bad»-Star Aaron Paul, coole Sprüche und umwerfende Stunts: «Need for Speed» bietet Fans flotter, handgemachter Rennfilme eine schnörkellose Alternative zur «Fast & Furious»-Reihe.
Hinter den Kulissen
- Regie: Scott Waugh
- Produktion: John Gatins, Patrick O'Brien und Mark Sourian
- Drehbuch: George Gatins
- Story: John & George Gatins
- Musik: Nathan Furst
- Kamera: Shane Hurlbut
- Schnitt: Paul Rubell & Scott Waugh
Den wenigsten Videospielverfilmungen ist es gelungen, ihrer Vorlage gerecht zu werden und obendrein noch aus filmischer Sicht zu unterhalten. Eine der raren Ausnahmen ist das von Mike Newell inszenierte Abenteuer «Prince of Persia – Der Sand der Zeit». Diese aufwändige Produktion verzichtete darauf, all zu sklavisch die auf Interaktion ausgelegte Videospiel-Handlung auf die Leinwand zu bannen, und versuchte sich stattdessen mit großer Liebe zum Detail daran, im Rahmen einer kinoreifen Abenteuer-Story die Stimmung der Vorlage wiederzugeben. Somit bewies der visuell imposante Disney-Film, dass er die «Prince of Persia»-Spiele respektiert, legte zugleich aber das Fundament für unterhaltsame Kinostunden.
Das Image von Videospieladaptionen ist vier Jahre nach dem Bruckheimer-Spektakel weiterhin ziemlich desolat, nicht zuletzt, weil sich noch immer die wenigsten Leinwandausflüge populärer Games ihrer Inspiration mit einer vergleichbaren Herangehensweise nähern. Entweder haben Videospielverfilmungen kaum etwas mit ihrem Namensvetter gemein und verärgern so Fans der Vorlage (siehe Paul W. S. Andersons «Resident Evil»-Filme), oder aber sie operieren zu sehr im Game-Modus und funktionieren daher nicht als filmisches Erlebnis (siehe etwa «Zombie Massacre»). Mit der Rennspieladaption «Need for Speed» gelang Regisseur Scott Waugh («Act of Valor») hingegen ein oktanschwerer Kinostreifen, der eine ähnliche Methode verfolgt wie «Prince of Persia – Der Sand der Zeit»: Man nehme die Atmosphäre des beliebten Videospiel-Franchises und erfinde den Rest ganz nach den Bedürfnissen eines schmissigen Actionfilms selbst.
Im Rennspiel-Genre nimmt «Need for Speed» eine einzigartige Position ein: Setting und Rennpyhsik sind realitätsnäher als bei reinen Fun-Racern wie «Mario Kart», «Wipeout», «TrackMania» oder «Burnout», gleichwohl obsiegt das reine Spaßelement ungebrochen gegenüber dem Simulationsaspekt. Dadurch sind die «Need for Speed»-Spiele rasanter und überdrehter als strenge Rennsimulationen wie «Gran Turismo» oder «GTR». Diese Mischung aus Bodenständigkeit und Wahnsinn, gepaart mit den Kult gewordenen Polizeiverfolgungsjagden, machte das Franchise mit mehr als 140 Millionen verkauften Einheiten zur bislang erfolgreichsten Rennspiel-Reihe der Videospielgeschichte.
Exakt diese Charakteristika der Vorlage beachtet Scott Waugh in seinem 66 Millionen Dollar teurem Rennfilm: Anders als die «Fast & Furious»-Reihe verzichtet «Need for Speed» auf völlig überdrehte, mit Hilfe von Computereffekten umgesetzte Stunts, die einem Cartoon entsprungen sein könnten. Stattdessen setzt Waugh auf zwar waghalsige und mitunter abstruse, stets aber beeindruckende, handgemachte Auto-Stunts. Ebenso versteht sich «Need for Speed» als reines Benzinvergnügen: Blähen sich die «Fast & Furious»-Filme mit Raubzügen, Schießereien und allen möglichen Schurkereien zunehmend zu Actionspektakeln auf, in denen rein zufällig Autos eine Rolle spielen, dreht sich in «Need for Speed» alles einzig und allein um illegale Straßenrennen – die hin und wieder von der Polizei aufgemischt werden.
Als pompöse Gangsteraction mag sich die Saga rund um Vin Diesel, Michelle Rodriguez, den zu früh verstorbenen Paul Walker und Co. zwar eine treue Fangemeinde aufgebaut haben, doch als verwegener Rennfilm ist «Need for Speed» um Längen besser als «Fast & Furious». Eine bunte Riege schnittiger Autos wird hier vor der Kamera von erfahrenen Stuntmännern sowie den eigens für diesen Film einem harten Training unterzogenen Schauspielern bis an die Grenzen ausgereizt, durch die Luft gewirbelt, gegen andere Wagen gedonnert und genussvoll zu Schrott gefahren. Nur ein absolutes Minimum an digitalen Effekten kam zum Einsatz, dafür zeigen in der Manier der alten Burt-Reynolds-Streifen in und an die Autos montierte Spezialkameras detailreich die imposanten Kunststücke der todesmutigen Fahrer. Die Echtheit ist den Renn- und Fluchtszenen stets anzumerken und auch wenn sie selbstredend in solch einer rasanten Abfolge wie in «Need for Speed» unrealistisch und einzig dank der minutiösen Planung des Drehteams möglich sind, so wissen die Autostunts durchweg zu faszinieren – und da sie greifbarer sind als die überdrehten Aktionen des von Waughn anvisierten Genrekonkurrenten «Fast & Furious», lassen sie sich auch mit größerer Spannung verfolgen.
Flotte Rennsequenzen, spektakuläre Auto-Kunststücke und überwältigende Unfälle allein halten jedoch keinen Film zusammen. Die von Brian & John Gatins verfasste Story von «Need for Speed» ist zwar genretypisch hauchdünn, allerdings dient sie als effektive Klammer für die Actionsequenzen: Seit dem Tod seines Vaters führt Hobby-Rennfahrer Tobey Marshall («Breaking Bad»-Star Aaron Paul) zusammen mit seinen talentierten, besten Freunden mehr schlecht als recht eine kleine Werkstatt. Aus Geldmangel nimmt Tobey sogar Jobangebote seines ewigen Rivalen Dino Brewster (Dominic Cooper) an, der ihn nach einem erstklassigen, gemeinsamen Deal zu einem Rennen herausfordert. Bei diesem führt Dino den bescheidenen, überaus fähigen Mechaniker hinters Licht: Tobey wird unschuldig für einen folgenschweren Unfall inhaftiert – und schwört daraufhin, es seinem schmierigen Konkurrenten heimzuzahlen. Nachdem Tobey seine Strafe abgesessen hat, trommelt er seine alte Truppe zusammen und besorgt sich mit der ebenso cleveren wie gutaussehenden und taffen Britin Julia Maddon (Imogen Poots) einen wahnsinnig schnellen Wagen. Mit diesem will sich Tobey einen Platz im berühmt-berüchtigten, illegalen Rennen De Leon erkämpfen, um dort den Dauer-Teilnehmer Dino aufgrund seiner Taten zu konfrontieren. Um aber überhaupt am gefährlichen Straßenrennen teilzunehmen zu dürfen, muss Tobey irgendwie die Aufmerksamkeit des exzentrischen Veranstalters The Monarch (Michael Keaton) auf sich lenken …
Tiefsinn lässt sich in «Need for Speed» selbst mit der Lupe nicht auffinden, jedoch wäre dieser eh bloß Ballast in einem Kinofilm, der möglichst viele, sehenswerte Rennen und Verfolgungsjagden in seine rund 130 Minuten Laufzeit pressen und sein Publikum mit einer zeitgemäßen Antwort auf Autofilm-Klassiker wie «Ein ausgekochtes Schlitzohr» unterhalten will. Was aber nötig ist, und die Drehbuchautoren abliefern, ist ein nachvollziehbarer, geradliniger Konflikt, der die Handlung vorantreibt. Da der vom ihm gebotenen Stoff unterforderte, seine Rolle jedoch sichtbar genießende Aaron Paul und der bewusst dick auftragende Dominic Cooper mühelos eine tief verwurzelte Rivalität zwischen ihren Figuren entstehen lassen, hätte der erste Akt durchaus etwas gestrafft werden können, ohne dass der grundlegende Konflikt des Films sonderlich geschmälert worden wäre.
Dennoch ist «Need for Speed» flott genug erzählt und hat genügend Schauwerte, um seine ausgedehnte Laufzeit zu tragen. Der Spaßfaktor wird dabei von einer illustren Gruppe an Nebenfiguren erhöht: Rami Malek und Ramon Rodriguez geben als zwei Drittel von Tobeys Crew ein genussvoll albernes Duo ab, das genauso gut einem 90er-Blockbuster-Popcornspaß im Stile von «Con Air» entflohen sein könnte, und Michael Keaton übt sich als überdrehter, dauerphilosophierender Organisator eines wohl wenig legalen Straßenrenn-Radiosenders in amüsanter Selbstverliebtheit. Die heimlichen Stars des Films sind aber Rapper Scott Mescudi und Imogen Poots: Mescudis stets pointierte Sprüche klopfender Tausendsassa, der als die Lage aus einem Flugzeug überblickender Ausguck Tobeys Mannschaft komplettiert, ist mit seiner cartoonigen Rolle für die meisten Lacher im Film verantwortlich. Poots wiederum darf Aaron Paul als Beifahrerin, Stichwortgeberin, und ihn ebenso oft kritisierender wie bewundernder Flirt tatkräftig unter die Arme greifen und gibt im gleichen Atemzug dem männerlastigen Film eine erfrischende Note.
Große Schauspielkunst darf natürlich niemand von diesem Ensemble erwarten, dafür macht diese humorvolle Darstellergruppe durchgehend klar, in welcher Realität dieser Film existiert: Die Stunts mögen handgemacht sein, dennoch ist der Kinoausflug von «Need for Speed» wie die Spielevorlage in einer überzeichneten Realität zu verorten. Die Figuren sind bestenfalls zweidimensional, sorgen aber für gute Laune, das Justizsystem hat allerhand dem Plot dienliche Lücken und ein einzelnes Auto kann verdammt viel einstecken. Es ist ein strikter Old-School-Rennfilm im hellen, klaren Look eines 90er-Blockbusters und mit dem gestochen scharfen, die Dimensionen der Zerstörungswut unterstreichendem 3D. Da gilt die Devise: Kinokarte gekauft, Popcorn geschnappt, Stunts bestaunt und mitgelacht. Wer etwas anderes erwartet, hätte in diesen Wagen besser nicht steigen sollen.
Fazit: «Fast & Furious» ohne all den Klimbim – «Need for Speed» bietet Fans präzise geplanter, spektakulärer Autostunts rund 130 Minuten kerniger Rennfahraction und cooler Sprüche. Kein überkandidelter, dennoch gehaltloser Plot, kein Effektgewitter aus dem Computer. Die Logik darf da gerne auf dem Rücksitz Platz nehmen.