Auf der Suche nach einer guten Tarantino-Hommage entdeckt unser Kinokolumnist den rumänischen Thriller «Killing Time».
Wo sind sie nur hin? Wo sind sie hin, die lässigen, über Popkultur philosophierenden Gangster, wie sie aus den Tarantino-Filmen der 90er und all ihren Hommagen bekannt sind? Selbst der kultige Meisterregisseur höchstpersönlich hat mittlerweile die dubiose Unterwelt hinter sich gelassen und tauschte die Welt der stylischen Kriminellen durch andere Genre-Gefilde aus. Und gute Tarantino-Hommagen, die sich auf seinen Stil der 90er beziehen, sind in Hollywood oder auch Deutschland überaus rar geworden.
Glücklicherweise finden jedoch Filme aus aller Welt den Weg in die deutschen Kinos – selbst wenn der geneigte Cineast mitunter gezielt nach Kleinoden aus Ländern ohne weit bekannte Filmhits suchen muss. Eines dieser wenig beachteten Filmländer ist Rumänien. Doch gerade aus dieser 21,33 Millionen Einwohner umfassenden Nation stammt ein ungeheuerlich starker Thriller in bester Tarantino-Tradition: «Killing Time – Zeit zu sterben». Autorenfilmer Florin Piersic Jr. erzählt in diesem lässig-boshaften Kammerspiel von zwei gegensätzlich tickenden Auftragskillern (natürlich in den typischen Quentin-Tarantino-Anzügen gekleidet), die mit absurder Vorlaufzeit in die Wohnung ihres nächsten Opfers geordert wurden. Die elendig lange Wartezeit schlagen die zwei sich nur mäßig sympathischen Profis eher schlecht als recht tot: Während der Schönling unter den Namenlosen Tischtennis spielt und stoisch grübelnd darauf wartet, dass endlich die zu erledigende Zielperson eintrifft, sucht sein laut Videospiele zockender, schlaksiger Kollege unentwegt das Gespräch.
So kommt es zwischen den beiden Mördern zu kuriosen Unterhaltungen über unterschiedlichste Themen. Ihre jeweilige Arbeitsethik wird zwischen den Wartenden ebenso zum Streitpunkt wie die weltbewegende, philosophische Frage „Wer ist der bessere Superheld? Batman oder Spider-Man?“ So unscheinbar diese Frage scheinen mag, so brenzlig ihre Folgen: Die Antworten der Beiden lassen tief blicken, was für den Zuschauer einen Mordsspaß bedeutet. Gleichzeitig kippt die Wartezimmer-Stimmung um, woraufhin die unterschwellige Geringschätzung zwischen den Killern unaufhaltsam hochkocht.
Und so wird aus der humorvollen „Was machen Auftragskiller in ihrer Freizeit“-Story mit ihren geschliffen-spaßigen Dialogen nach und nach ein packender Thriller, der mit minimalistischen Mitteln begeistert. Die beiden immer komplexer und unberechenbarer erscheinenden Mörder liefern sich mit ihren harschen Wortgefechten und wenigen, dafür umso brutaleren Handlungen ein nervenaufreibendes Duell, das an den fesselnden Finalakt von
Reservoir Dogs erinnert, aber ganz eigene Wege geht. Aufgrund des Settings und der simplen „Ein Gespräch gerät außer Kontrolle“-Story ist dieser Thriller praktisch eine Art „«Reservoir Dogs» trifft die rumänische Antwort auf «Der Gott des Gemetzels»“.
Im Kino fand dieser Geheimtipp leider wenig Anklang, aber zum Glück braucht dieses technisch wenig ausgefeilte Gangsterstück keine große Leinwand, um seine volle Wirkung zu entfalten. Die starken Performances, coolen Dialoge und das herrlich finstere Ende funktionieren auch perfekt auf dem heimischen Bildschirm. Vielleicht baut sich «Killing Time – Zeit zu sterben» dort eine kleine, feine Fangemeinde auf. Es wäre dieser einmaligen, rumänischen Mischung aus Retro-Tarantino und Streitgespräch-Kammerspiel zu wünschen.