«Duck Dynasty» ist eine der seltsamsten Erfolgsstorys, die das Fernsehen in den letzten Jahren gesehen hat. Wir gehen dem Phänomen der amerikanischen Entenjäger auf den Grund…
Zahlen und Fakten zu «Duck Dynasty»
- Realityserie bei A&E
- Start am 21. März 2012 (USA)
- bisher 5 Staffeln mit 60 Folgen
- eines der erfolgreichsten Reality-Formate im US-Fernsehen
- ausgestrahlt in mehr als 100 Ländern
- über 500 Millionen Dollar Marketingumsatz allein 2013
- Die Serie porträtiert das Alltagsleben der Robertsons, die das Jagdunternehmen "Duck Commander" führen
Es ist eines dieser skurrilen Fernsehphänomene, das es vermutlich nur in den Vereinigten Staaten geben kann. Eines, das einmal mehr den irrational-universellen Siegeszug des Reality-Genres unter Beweis stellt und eines, das nur schwer zu erklären ist.
Der Versuch sollte trotzdem unternommen werden. Es geht um «Duck Dynasty», eine Realityserie aus den USA, gestartet im März 2012 auf dem hierzulande weitgehend unbekannten Kabelsender A&E. Die Fakten sprechen für sich: Staffel eins erreichte rund zwei Millionen Zuschauer, bald brach «Duck Dynasty» neue Senderrekorde und torpedierte die eigenen Bestmarken im Wochentakt. Am Ende von Staffel zwei waren bereits über sechs Millionen Fans dabei, nach Staffel drei rund zehn Millionen. Den Start der vierten Runde verfolgten fast zwölf Millionen TV-Zuschauer in den USA – dies war ein neuer Allzeit-Rekord für ein non-fiktionales Fernsehformat auf einem Kabelsender. Rund 400 Millionen Dollar hat «Duck Dynasty» mit Merchandising-Artikeln bereits gemacht, wie das Forbes Magazine 2013 errechnete. Allein im vergangenen Jahr verdiente der Sender A&E durch Werbeverkäufe einen dreistelligen Millionenbetrag.
Worum es in «Duck Dynasty» geht? Um Enten. Genauer gesagt: um das Geschäft mit der Entenjagd. Protagonisten der Serie sind die Robertsons, eine Familie in Louisiana, die aus dem Jadgfieber einen Handel gemacht hat. Gründer der Firma und Familienoberhaupt ist Phil Robertson, ein ehemaliger College-Football-Quarterback und studierter Lehrer. Ab da wird die Story fast märchenhaft: Phil schmiss einst auch eine Bar, wurde mit dem Geschäft jedoch nicht glücklich, seine Frau trennte sich von ihm. In dieser, wie er selbst sagt, ‚dunklen Phase‘ seines Lebens habe Phil zu Gott gefunden und sich mit seiner Frau versöhnt. Damals erfand er den heute legendären Duck Call – eine Pfeife, die Enten mit einem speziellen Ton anlockt. Die Geschäftsidee war geboren, Robertson gründete sein Unternehmen im Jahr 1973. «Duck Dynasty» erzählt das Leben und Arbeiten von Phil und seiner Familie, die im mittlerweile Millionen Dollar schweren Firmenimperium die Fäden zieht.
Handwerklich macht die Reality alles richtig: Sie wählt ein Setting, das gerade nicht alltäglich und gewöhnlich ist, sondern interessant. Dass die Serie im neuen Fernsehmekka Louisiana spielt, ist ein Baustein des Erfolgs: Der Schauplatz ist rau, mysteriös, es geht um echte Kerle und harte Arbeit. Wer es hier, im Sumpfstaat, schafft, der schafft es überall – dies ist die implizite Botschaft von «Duck Dynasty». Frei nach Sinatras Zeilen, die er eigentlich für die Millionenmetropole New York gedichtet hatte: „If I can make it there, I‘ll make it everywhere…“
Seit Samstagabend läuft «Duck Dynasty» auch im deutschen Free-TV, und wer die erste Folgen des Reality-Phänomens gesehen hat, wird sich verwundert die Augen gerieben haben: So eine Art von Fernsehen soll erfolgreich sein? Schon in den ersten Minuten der Premierenfolge wird wild auf Tiere geschossen, es fallen Sätze wie: „Das Tier, das mich am meisten stört, ist der Biber“, während einer der Robertson-Brüder wild in einen Biberdamm schießt, um das Tier zu erlegen. Später werden Frösche enthauptet und gehäutet.
Schnell wird klar: Die Jagd auf Lebewesen, auf Tiere, wird in dieser Serie zum Alltagsspaß degradiert, wird glorifiziert – ohne kritischen Unterton oder Verantwortungsbewusstsein der Natur gegenüber. Die Biber würden gejagt, weil diese den Waldbestand gefährden – ein zweifelhaftes Argument dafür, aus einer Jagd einen Fernsehspaß zu machen. Ein Fernsehspaß wohlgemerkt nicht mit Förstern oder ausgebildeten Jägern, die in abgesteckten Territorien agieren, sondern mit Menschen, die vermutlich im Vorbeigehen ihren Waffenschein (und ihre Jagdlizenz) gemacht haben. Differenzierte Töne findet man in der Sendung nirgends. „Ich denke mal, Biberfelle sind nicht mehr allzu lukrativ“, sagt einer der Robertsons später am Essenstisch sarkastisch, als die anderen von ihren Erlebnissen berichten. Zugegeben: Die eigentlichen Jagdszenen machen nur einen kleinen Teil des Formats aus, sie zeigen aber die grundsätzliche Ethik hinter ihm.
In Deutschland, wo die Umweltbewegung eine Vorreiterrolle eingenommen hat und wo das ökologische Gewissen ausgeprägt ist wie selten auf der Welt, muss eine Sendung wie «Duck Dynasty» zwangsweise auf Skepsis, gar Unverständnis treffen. Kann man dieses Unverständnis trennen von der Suche nach dem Erfolgsgeheimnis, nach dem Unterhaltungsfaktor?
Man muss es, schließlich ist «Duck Dynasty» nicht nur in den USA ein Hit, beispielsweise auch in Großbritannien oder Lateinamerika. Zudem sind die meisten Fans – Millionen auf der Welt – keine begeisterten Jäger. Willie Robertson, Phils Sohn und heutiger Chef des Unternehmens, weiß, an wen er sein Merchandise verkauft: Die meisten der Entenpfeifen würden Leute erwerben, die sie sich „auf den Schreibtisch stellen und darauf herumtröten.“ Jäger seien mittlerweile eine kleine Zielgruppe, stattdessen laufen Kinder mit «Duck Dynasty»-Shirts in den USA herum. Die meisten Merchandisingprodukte werden in der Supermarktkette Walmart verkauft, dort sind die Robertsons die größten Stars.
Wille Robertson war es auch, der sein Unternehmen fernsehtauglich machte: Vor dem Massenerfolg hatte die Familie eine andere Reality namens «Duck Commander», die hauptsächlich das Jagen selbst dokumentierte. Willie erkannte, dass man die Show Frauen und Kindern öffnen müsste – sprich: neuen Zielgruppen. „Family and funny“, das war für Robertson die neue Zielsetzung. «Duck Dynasty» war geboren, und am Ende jeder Folge sitzt die Familie gemeinsam beim Abendessen. Phil Robertson spricht ein Tischgebet. Als Zuschauer wartet man eigentlich nur auf ein „Gute Nacht, John-Boy“, dann wäre die reale «Waltons»-Adaption perfekt. Keine Technik, viel Handwerk, große Tradition: «Duck Dynasty» lässt ein traditionelles Familienbild aufleben, aus einer anderen Zeit. Und einem Mythos, der das amerikanische Gesellschaftsbild geprägt hat: der des Self-made Man.
Der Self-made Man ist stark verbunden mit den Werten der protestantischen Ethik, die Sparsamkeit und die Kostbarkeit des erarbeiteten Lohns postulierte. Der ‚Wert des hart verdienten Dollar‘ wurde zum Symbol der Arbeitsethik, die in «Duck Dynasty» porträtiert wird. Die Arbeit als Pflicht und als Mittel, den eigenen Traum mit Hilfe von Gottes Gunst zu verwirklichen, ist Teil der protestantischen Arbeitsethik. In «Duck Dynasty» sind nicht nur die Symbole des Tischgebets und des Zusammenkommens am Abend mit diesen Werten verbunden, gleichwohl auch die grundsätzlichen Weltanschauungen der Robertsons: Phil Robertson ist streng gläubig und verbringt viel Zeit mit dem Beten, sein Sohn Willie sagt: „Wir glauben an Gott und denken, dass er das alles für uns plante.“
Zum Mythos des Self-made Man gehört auch die Anerkennung des wertvollen Individuums und des Self-made-Unternehmers. Ausgehend von den klassischen Tellerwäscher-zu-Millionär-Geschichten um Benjamin Franklin und Abraham Lincoln ist das Streben nach Aufstieg tiefer in der US-amerikanischen Gesellschaft verwurzelt als irgendwo sonst. Der American Dream als populäres Schlagwort ist moderner Ausdruck dieses Strebens. «Duck Dynasty» liefert die konkrete, perfekte Märchengeschichte dazu: Ein eigentlich gescheiterter, verlassener Lehrer schafft es mithilfe seiner Familie (!), ein Millionen-Imperium aufzubauen. Stark verknüpft mit dem Mythos sind auch die grundsätzlich konservativen Botschaften, die das Format vermittelt: klar verteilte Geschlechterrollen, die Familie als wichtigster Bezugspunkt, Religiosität, Patriotismus, Entdeckerdrang, die Verteidigung des eigenen Territoriums, traditionelle Ansichten. Im vergangenen Jahr erklärte Phil Robertson in einem Interview, dass Homosexualität für ihn eine Sünde sei. Der Sender suspendierte ihn von der Show, ruderte aber schon nach wenigen Tagen zurück: Zu viel Geld stand auf dem Spiel, zu viele Fans hatten gegen seinen Ausschluss mobil gemacht.
Was also ist «Duck Dynasty»? Es ist ein seltsames Faszinosum, das sich wohl nur amerikanischen Staatsbürgern vollends erschließen wird. Vor allem denen, die auch Republikaner wählen.
ProSieben Maxx zeigt «Duck Dynasty» samstags um 20.15 Uhr als Free-TV-Premiere. Im Pay-TV ist die zweite Staffel derzeit beim Biography Channel montags um 22.00 Uhr als deutsche Erstausstrahlung zu sehen.