Christian Richter erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 279: Ein Samstagabend-Event, in dem das Elend der Kandidaten brutal ausgenutzt wurde.
Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer Unterhaltungssendung, an der nicht einmal Peter Zwegat seine Freude gehabt hätte.
«Perfect Day» wurde am 18. April 1998 bei RTL geboren und entstand zu einer Zeit, als der Sender regelmäßig mithilfe großer Aktionen versuchte, sich sozial zu engagieren. So imitierten in der
«Prominenten Playback Show» ab 1994 kleinere TV-Stars bekannte Musiker für einen guten Zweck. Rund zwei Jahre später kam mit dem jährlichen «Spendenmarathon» ein festes Charity-Event hinzu, durch das von Beginn an Wolfram Kons - das Gesicht der Frühnachrichten - führte. Die Motivation für den Kanal dahinter war nicht schwer zu erraten, denn nicht nur ließ sich durch solche Maßnahmen das eigene Ansehen aufpolieren, sondern mit dem schweren Schicksal von Betroffenen ebenso große Affekte provozieren und auf den Bildschirm bannen. In dieser Tradition muss das Format «Perfect Day» gesehen werden, das konsequenterweise erneut von Wolfram Kons moderiert wurde.
Dabei handelte es sich um die Adaption der holländischen Sendung «Make My Day», die in beiden Varianten aus dem Hause Endemol stammte. In ihr wurden Menschen vorgestellt, deren Lage aufgrund hoher finanzieller Rückstände „aussichtslos“ war und die durch ihr Mitwirken die Chance erhielten, „morgen ohne Schulden aufzuwachen“. Ihr Unheil wurde dazu in emotionalisierten Einspielfilmen detailliert geschildert, wobei als Gründe für die dargestellte Armut der Verlust des Arbeitsplatzes, eine schwere Krankheit oder das Verschwinden des Partners möglich waren. Gnadenlose Offenheit und eine rückhaltlose Bereitschaft für die Zurschaustellung des eigenen Elends waren daher die Grundvoraussetzung für eine Bewerbung. Damit jedoch niemand zu Unrecht profitieren konnte, galt es zunächst die wirtschaftliche Not exakt im Fernsehen zu beziffern. Diese Angaben wurden sogar von der Schuldnerhilfe Köln und einem Rechtsanwalt geprüft, die zusätzlich im Vorfeld bereits probiert hatten, die Verpflichtungen durch Vergleiche zu reduzieren.
Jeweils drei Unglücksfälle dieser Art standen dann im Mittelpunkt der einzelnen Ausgaben. Ziel war es nun, mithilfe von harmlosen Aktionen und banalen Spielchen genug Geld einzuspielen, damit die Verbindlichkeiten der drei Bewerber getilgt werden konnten. Die nötigen Beträge durften auf zwei verschiedene Wege eingenommen werden: Im Rahmen der ersten Möglichkeit erhielten nichtprominente Menschen die Möglichkeit, in kleinen Wettbewerben Preise wie eine Luxusreise im Wert von 10.000 DM zu gewinnen. Dafür hatten sie aber zuvor eine Teilnahmegebühr zwischen 200 und 250 DM zu zahlen, die an die Schuldner weitergeleitet wurde. In der Premiere nahmen beispielsweise 20 Personen an einem Karaoke-Wettbewerb auf einer Achterbahn teil, wodurch insgesamt ein Betrag von 5.000 DM auf das Schicksalskonto floss. In einem anderen Spiel kämpften 50 Paare um eine üppig ausgestattete Hochzeitsfeier.
Außerdem traten Prominente wie Blümchen oder Sven Martinek auf, die außergewöhnliche Angebote wie einen Auftritt in einem Kinderheim, ein persönliches Stunttraining, Backstage-Tickets für besondere Ereignisse oder eine Gastrolle in einer TV-Show zur Versteigerung zur Verfügung stellten. Auffällig oft handelte es sich bei diesen allerdings um senderinterne Gesichter sowie um Preise, die im Zusammenhang mit dem eigenen Programm standen. Bei den exklusiven Zugängen zu Veranstaltungen ging es meist um Tickets zu Box-Kämpfen und Formel-1-Rennen, die der Kanal selbst übertrug und die Gastrolle wurde für die hausinterne Reihe «RTL Samstag Nacht» vergeben. Offenbar waren sich die Verantwortlichen nicht zu Schade, das Schicksal der Betroffenen auch als große Plattform für eigene Promotion auszunutzen.
Am Ende aller Auktionen und Spiele erfolgte die große Abrechnung und die Bestimmung der Gesamtsumme, die anschließend gleichmäßig unter den drei mittellosen Kandidaten aufgeteilt wurde. Ironischerweise zeigte das veranstaltete Schmierentheater seine spezielle Wirkung, denn noch während der Live-Show wurden die Spendenhotlines immer wieder von überschuldeten Menschen blockiert, die sich für eine eigene Teilnahme an der Sendung bewerben wollten.
Angesichts der übertriebenen Emotionalisierungen, die mit belanglosen Aktionen und schamloser Eigenwerbung kombiniert wurden, sah sich das Format mit großer Kritik konfrontiert, die genau dieses Missverhältnis bemängelte. Die Berliner Zeitung etwa warf den Verantwortlichen vor, die „Neuigkeiten aus dem sozialen Abseits“ als „reine Elendskulisse“ zu missbrauchen. Ähnliche Bewertungen ließen sich ebenso in Foreneinträgen aus jener Zeit finden. Den Entscheidungsträgern von RTL dürften diese Vorwürfe nicht unbekannt gewesen sein, denn bereits zwei Jahre zuvor hatte man beim Samstagabend-Event
«Glücksritter» schon einmal erfolglos versucht, die Situation verzweifelter Opfer für Unterhaltungszwecke auszunutzen. Umso weniger überraschend war es daher, dass die Produktion trotz einer Ausstrahlung am Samstagabend zur besten Sendezeit keine hohen Sehbeteiligungen erzielen konnte. Lediglich 3,09 Millionen Zuschauer schalteten den Auftakt ein. Als die Reichweiten bei der zweiten Ausgabe einen Monat später auf unter zweieinhalb Millionen sank, verschwand das Programm schnell wieder vom Schirm.
«Perfect Day» wurde am 16. Mai 1998 beerdigt und erreichte ein Alter von zwei Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Wolfram Kons, der anschließend weiter unbeirrt den «Spendenmarathon» und die RTL-Morgenmagazine präsentierte. Außerdem trat er zwischen 1998 und 2009 als Kommentator beim «Domino Day» sowie im Sommer 2008 als blasser Gastgeber der täglichen Quizreihe «Einer gegen hundert» in Erscheinung. Übrigens, hätte man damals die angefallenen Herstellungskosten von «Perfect Day» direkt an die Kandidaten überwiesen, hätten deren Schulden sicher ebenfalls beglichen werden können.
Möge die Show in Frieden ruhen!
Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann dem ausgeschlachteten Unterhaltungswert der ehemaligen DDR.