«Gravity» und «12 Years a Slave» sorgten für ein spannendes Rennen um den großen Hauptpreis, während die Preisverleihung selbst routiniert vonstattenging.
Es kommt Bewegung in die Academy Awards – zwar leider nicht hinsichtlich der großen Show, dafür aber umso mehr im Hinblick darauf, wie die prestigeträchtige Verleihung endet. 2007 bis einschließlich 2010 war es ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Produktion mit den meisten Auszeichnungen auch aus den wichtigen Kategorien für die beste Regie und den besten Film siegreich hervorgeht. Dies hat sich jedoch seit 2011 graduell verändert: Nachdem 2011 «The King's Speech» und «Inception» mit vier Siegen gleichauf lagen und im Jahr darauf «The Artist» und «Hugo Cabret» jeweils fünf Statuetten gewannen, in beiden Fällen das erstgenannte Werk aber die Preise für die Regie und den besten Film erhielt, kam es 2013 zu einer kleinen Sensation. Ben Afflecks Thrillerdrama «Argo» gewann lediglich drei Oscars, und zwar in den Sparten bester Schnitt, bester Nebendarsteller und bester Film. «Life of Pi» hingegen gewann vier Awards, darunter den für die beste Regie.
Und nun sorgten die Stimmergebnisse der Academy of Motion Picture Arts & Sciences erneut für tüchtige Dämpfer in jeder gut geführten Oscar-Statistik. «Gravity» war der große Abräumer des Abends und heimste sieben Statuetten ein, dazu zählte auch ein Sieg für Alfonso Cuarón in der Kategorie „Beste Regie“. Der Hauptpreis blieb dem 3D-Weltraum-Survivaldrama allerdings verwehrt. Somit positioniert es sich in der Riege der meistprämierten Streifen ohne „Bester Film“-Ehrung direkt hinter dem Musical «Cabaret», das 1967 acht Oscars gewann, in der Hauptkategorie jedoch gegen «Der Pate» verlor.
Zum besten Film kürte die Academy dieses Jahr dagegen das intensive Sklavendrama «12 Years a Slave», welches (wie vergangenes Jahr schon «Argo») insgesamt drei Trophäen erhielt. Neben dem Oscar für den besten Film, sicherte sich die dritte abendfüllende Regiearbeit des britischen Filmkünstlers Steve McQueen noch den Award für das beste Original-Drehbuch sowie eine Auszeichnung für Nebendarstellerin Lupita Nyong'o. Neben dem denkwürdigen, sich den Statistiken widersetzenden Ausgang der „Bester Film“-Kategorie, gilt es aber noch einen weiteren Aspekt der diesjährigen Oscar-Verleihung festzuhalten: Es tat sich wieder einiges in Sachen ethnischer Gleichstellung bei den Academy Awards. Mit Alfonso Cuarón erhielt erstmals ein aus Mexiko stammender Regisseur die begehrte Trophäe, während mit «12 Years a Slave» zum ersten Mal ein Film eines schwarzen Regisseurs in der Hauptkategorie prämiert wurde.
Die Show selbst geriet dagegen äußerst unauffällig: Ellen DeGeneres eröffnete den Abend unspektakulär, wenngleich mit spitzer Zunge. Was DeGeneres, die in den ersten Minuten der Verleihung einige Seitenhiebe auf die Vorhersagbarkeit der Oscars und Rassismusvorwürfe gegenüber der Academy verteilte, jedoch fehlte, war ein durchgehendes Konzept: Lässig und zusammenhangslos feuerte die Moderatorin zu Beginn einige Jokes ab, im weiteren Verlauf der Show hielt sie sich enorm zurück und machte sich fast nur noch durch wirre Werbeankündigungen bemerkbar. Das Bestellen von Pizza als Running Gag fiel flach, ein Twitter-Selbstschnappschuss wiederum lieferte dank der Grimassen der sich daran beteiligenden Stars ein amüsantes Ergebnis, dürfte aber durch die lang gezogene Umsetzung kaum in die Oscar-Geschichte eingehen.
Generell hielten die für die Show verantwortlichen Produzenten Neil Meron & Craig Zadan und Regisseur Hamish Hamilton den Ball flach: Das groß angekündigte Rahmenthema des Abends, „Helden“, äußerte sich nur in drei kurzen, banalen Montagesequenzen, das mit diversen Oscar-Silhouetten geschmückte Bühnenbild strahlte weder eine heimelige, noch eine glamouröse Atmosphäre aus und selbst für ausgefallene Laudationes schien wohl kein Platz zu sein. Einzig Bill Murray durchbrach die Monotonie, indem er beim Verlesen der Kamera-Nominierungen seinen kürzlich verstorbenen Freund Harold Ramis als heimlichen sechsten Nominierten nannte.
Die Musikperformances stellten am beispielhaftesten dar, weshalb die 86. Academy Awards als Show rasch in Vergessenheit geraten dürften: Zwar wurden endlich wieder sämtliche nominierten Lieder auf der Bühne vorgetragen, aber nur Pharells „Happy“ bekam eine sehenswert inszenierte Darbietung spendiert. Zusätzlich zu den vier „Bester Song“-Nominierungen kamen zwei weitere Gesangseinlagen, in denen strikt und schlicht der Titel vorgetragen wurde. Einerseits verneigte sich Pink mit einem bodenständigen „Over the Rainbow“-Cover vor dem Klassiker «Der Zauberer von Oz», andererseits gab Bette Midler in Gedenken an die verstorbenen Filmschaffenden der vergangenen zwölf Monate „Wind Beneath My Wings“ zum Besten. Beide zusätzlichen Nummern waren technisch zwar makellos, jedoch ähnlich inszeniert und tonal nah beieinander, was im Zusammenspiel mit den ebenfalls äußerst rigiden Vorträgen der meisten „Bester Song“-Titel dem Oscar-Abend viel Dynamik raubte und so seine Schauwerte niedrig hielt.
Fazit: Als Unterhaltungsshow haben sich die 86. Academy Awards wenige Fehler erlaubt, hielten sich aber so sehr ans Schema F, dass sie sich dennoch arg in die Länge zogen. Kommendes Jahr darf es gerne wieder mehr Variation und Entertainment zu sehen geben. Die Gewinner des Abends wiederum sind nicht nur verdient, sondern brachten auch die zuletzt geltenden, zur Prognose dienlichen Statistiken durcheinander, was wiederum Spannung ins Oscar-Rennen zurückbringt. Somit war die Oscarverleihung 2014 ein solider Abschluss der Filmawardsaison, der Lust auf eine hoffentlich schmissige Preisverleihung 2015 machte.