Samstagabend feierte Jörg Pilawa mit einer Neuauflage von EWG sein Comeback im Ersten. Aber keine Sorge: Die Show war lediglich eine einmalige Jubiläumsfeier und hatte keine erkennbaren Ambitionen.
«EWG»-Historie
Am 25. Januar 1964 sendete Das Erste die Premiere von «Einer wird gewinnen» live aus Wiesbaden. Hans-Joachim Kulenkampff präsentierte das internationale Quiz zunächst bis 1966. Nach einer rund zweijährigen Pause kehrten beide für anderthalb Jahre zurück, bevor eine zehnjährige Pause von 1969 bis 1979 folgte. Nach einigen Show-Pleiten ließ sich Kuli noch ein letztes Mal auf seine Erfolgssendung ein und führte sie bis 1987 fort. Nach 89 Ausgaben war für ihn endgültig Schluss. Nach rund drei unglücklichen Jahren im ZDF konnte der selbsternannte Quiz-Onkel Jörg Pilawa gestern Abend endlich wieder in seine geliebte ARD zurückkehren. Es war klar, dass sein Comeback dort möglichst groß und viel beachtet über die Bühne laufen musste. Da kam es für beide Seiten gerade recht, dass der Samstagabend-Klassiker «Einer wird gewinnen» in diesem Jahr sein 50. Jubiläum feiert. So stellte man gemeinsam eine einmalige Neuauflage der legendären Kulenkampff-Show auf die Beine, mit der Pilawa seine Rückrunde im Ersten starten konnte. Die Zuschauer bekamen dabei serviert, was sie nun einmal erwarten können, wenn die Stichworte Pilawa, ARD und Kult-Revival aufeinandertreffen: Solide Unterhaltung ohne das gewisse Etwas. Insofern verwunderte auch die von Seiten des Senders eher geringe Wertschätzung für die EWG-Hommage nicht, welche durch einen mal wieder leicht übereilten «Brennpunkt» zur Lage auf der Krim um eine Viertelstunde nach hinten verschoben wurde, obwohl sie als Live-Übertragung wartete. Die Verantwortlichen wussten ja schließlich nur zu gut, dass da noch genug an Gewohntem folgen würde.
Neuauflagen der beliebtesten Klassiker-Shows im Ersten brauchen, wie es spätestens seit den Reanimationen von «Am laufenden Band» (übrigens auch nur einmalig) und «Dalli Dalli» bekannt ist, unbedingt Folgendes: Die berühmtesten Inhalte und Rituale der Original-Versionen, als Ehrengäste Verwandte der jeweiligen Ursprungs-Showmaster sowie die Einpassung in den gegenwärtigen ARD-Einheitsbrei durch adäquate Moderatoren, prominente Gäste und typische Spielinhalte. Da bildete auch EWG natürlich keine Ausnahme. Deshalb ist es ganz interessant, zuerst mal das zu tun, was man bei solchen Neuauflagen am liebsten tut – beleuchten, was vom Original nicht übernommen wurde.
Trotz der langen Sendezeit von gut drei Stunden gab es beim Pilawa-EWG keine Musik-Acts. Die hätte es aber dringend zur Auflockerung gebraucht, denn gerade die bloße Aneinanderreihung der ganzen Vorrunden-Duelle zog sich schon ziemlich. Da half es auch vor allem hinten raus nicht mehr viel, dass es in der Vorrunde schon Aktionsspiele gab, was bei Hans-Joachim Kulenkampff erst im Halbfinale der Fall war. In der Vorrunde wurde bei Kuli nur gequizzt. Der Überhang an Aktionsspielen wurde womöglich von der neuen EWG-Redaktion dadurch ein wenig wieder auszugleichen versucht, indem man im Finale den beiden besten Kandidaten gleich fünf Fragen stellte. An dieser Stelle hatte Kuli nur drei Fragen parat, die dafür aber zumeist schwerer waren. Während das Ur-EWG aus wechselnden Hallen in ganz Deutschland gesendet wurde, kam die Hommage von Pilawa aus einem Fernsehstudio in Berlin. Das war allerdings recht unerheblich für letztere. Zu Beginn der Show hielt Kulenkampff stets einen witzigen Monolog mit aktuellen Bezügen. Pilawa erzählte zwar auch einiges, doch dabei ging es vor allem um die Geschichte der Sendung. Zum Glück, möchte man sagen, denn so eine Art Stand-up hätte ein Jörg Pilawa wohl auch nicht gekonnt. Dafür ließ er seine Kandidaten in Einspielfilmen vorstellen, was es zwar bei Kuli nicht gab, aber offenbar als einziger Aspekt von der ersten EWG-Neuauflage mit Jörg Kachelmann übernommen war. Und die Kandidaten selbst, die waren nun bei Pilawa selbstverständlich und damit erstmals in der EWG-Geschichte mehr oder minder prominent. Das war zwar theoretisch überflüssig, passte aber praktisch natürlich ins aktuelle Unterhaltungsshow-Bild und unterstrich immerhin den einmaligen Event-Charakter des Pilawa-EWG. Richtig nervig war ausnahmsweise keiner der Promis und als Leute wie Ornella Muti, Lilli Becker oder Rolando Villazón ihre Probleme mit der deutschen Sprache offenbarten, wurde der altgediente Zuschauer sogar an manche charmanten ausländischen EWG-Kandidaten aus früheren Zeiten erinnert.
Was aus diesen Zeiten direkt übernommen wurde, fiel schnell auf: Das Bühnenbild mit europäischen Bauwerken war ebenso wieder dabei wie die alte Titelmusik von Kulis letzter EWG-Version aus den 80er Jahren. Allerdings ertönte sie in Form eines schlechten Remakes und wurde natürlich auch nicht von einer Live-Band im Studio eingespielt wie damals. Der Einmarsch der Kandidaten zur Eurovisionshymne kam wieder vor, jedoch erklang auch sie zu verzerrt. Der grobe Spielablauf war schlauerweise derselbe wie seit 1964, es gab eine Couch für die Kandidaten zur Entspannung zwischen den Spielen, ein Thron für die Finalrunde war wieder da und sogar die originalen großen Schaumstoffwürfel von Kuli wurden extra aus dem hr-Archiv gekramt. Obendrein hatte Pilawa eine Assistentin, die im Vorfeld der Show von der BILD-Zeitung gesucht wurde. Diese Aktion entpuppte sich aber als im Grunde überflüssig, denn die weite Verwandte von Kulis Butler Martin Jente, der zugleich der erste Produzent von EWG war, hätte man auch so ausfindig machen und kontaktieren können. Aber etwas Publicity wollte Das Erste schließlich haben. Nicht unbedingt für EWG, aber auf jeden Fall für Pilawas ARD-Comeback. Dazu gehörte es auch, dass vorab ein großes Geheimnis um die Frage gemacht wurde, wer denn zum Schluss der Show als neuer Butler dem Pilawa in alter Kulenkampff/Jente-Tradition den Mantel bringen würde. Es war Ben Becker, der Jente tatsächlich gut zu imitieren in der Lage war. Jörg Pilawa konnte seinen Vorgänger Kuli hingegen erwartungsgemäß nicht gut imitieren, was er von seinem Butler Ben im obligaten Verabschiedungs-Sketch auch direkt vorgeworfen bekam. Man wisse nun, was man an Kuli gehabt habe, raunte Becker Pilawa zu. Wie Recht er doch damit hatte! Für seine Verhältnisse schlug sich Pilawa allerdings trotzdem ganz ordentlich, vor allem als er im Finalspiel die unangenehme Situation gekonnt und humorvoll meisterte, dass seine Quizkarten fehlten. Ansonsten gab der neue, alte ARD-Moderator zu, kein neuer Kuli sein und sehr gerne der Quiz-Onkel bleiben zu wollen. Etwas anderes wäre ihm wohl auch kaum möglich, wie er nicht nur im ZDF erfahren musste.
Bleiben noch die obligaten Verwandten: Sohn und Tochter von Kulenkampff gaben sich die Ehre und mussten Pilawa erzählen, wie der Kuli denn so privat gewesen sei. Das mussten sie jedoch auch schon vor Jahren in der ein oder anderen Kuli-Dokumentation im NDR, aus denen Fragmente in die Einspielfilme übernommen wurden, die Pilawa gestern Abend immer wieder als Pausenfüller zeigte. Vielleicht saß u.a. deshalb NDR-Programmdirektor Frank Beckmann im Publikum. Dort tummelten sich überdies Kulis letzte Assistentin Gabi Kimpfel sowie Kuli-Freund Bill Ramsey, die natürlich ebenfalls von Pilawa befragt wurden. Abgesehen von Beckmann wirkte keiner dieser Ehrengäste besonders begeistert, aber auch keiner wer weiß wie abgeneigt.
Das spiegelte die Mittelmäßigkeit der EWG-Hommage insgesamt gut wieder. Was gut war, wurde von Schwachem wieder ausgeglichen und umgekehrt. Es war ganz nett, aber kein Highlight. „Wir feiern doch nur ´nen Geburtstag!“ bekannte Pilawa am Anfang der Show. Man habe sie zu ihrem Jubiläum einfach nochmal „rausgekramt“. Genau so wirkte es auch. Es ging eben nur um ein typisches Sprungbrett für Pilawa zurück ins Erste. Ernsthafte Ambitionen auf eine regelmäßige Neuauflage des gloriosen «Einer wird gewinnen» scheint niemand gehabt zu haben. Dass das höchstwahrscheinlich auch ganz gut so ist, zeigte dieses Revival nebenbei. Der unvergleichliche Kuli hätte aber wohl nicht einmal das befürwortet...