Nicht ernst zu nehmen war der Versuch ProSiebens, ein großes Grusel-Spektakel im Stile einer Spielshow aufzuziehen. Das nackte Grauen bekam nur der Zuschauer, der sich dieses dilettantische Machwerk bis zum Ende ansah.
Denkbar schlecht ist die ProSiebenSat.1-Gruppe ins neue Show-Jahr gestartet, denn die im Vorfeld medial groß beworbene «Millionärswahl» entwickelte sich nach einem mäßigen Start schnell zu einem bitteren Flop für alle Beteiligten. Die Idee des "ersten demokratisch gewählten Millionärs" barg theoretisch durchaus Potenzial, scheiterte letztlich allerdings an einer zu trägen und belanglosen Präsentation auf der Bühne. Mit
«Scream! If You Can» versucht sich ProSieben nun erneut an der Umsetzung eines prinzipiell spannenden Projekts - und scheitert inhaltlich erneut kläglich. Nahezu fassungslos schaut man auf das dilettantische Laientheater, das einem dort zwei Stunden lang geboten wird.
Zu Beginn versichert uns Soap-Darsteller und «The Voice»-Moderator Thore Schölermann, dass wir etwas sehen werden, "das es so noch nie gab". Irgendwo sollte er mit dieser vollmundigen und für jede groß aufgeblasene Fernsehsendung typischen Ankündigung sogar Recht behalten. Das Konzept: Fünf junge Menschen werden für einen Tag in einen verlassenen Wald verfrachtet und müssen dort Challenges bestehen, um an die Schlüssel für insgesamt fünf mit unterschiedlich hohen Geldbeträgen gefüllten Truhen zu gelangen. Nacheinander öffnen sie die Truhen, stecken das Geld in einen Rucksack und versuchen diesen dann in einem Wettrennen mit Hunden sicher ins Ziel zu bringen. Erreichen die Hunde den Kandidaten, bevor dieser das Ziel erreicht hat, ist der jeweilige Geldbetrag verloren.
Was die Challenges im Wald mit dem anschließenden Hunderennen zu tun haben? Warum die ohnehin schon nur mäßig spannenden Ereignisse im Wald gleich mehrfach durch die Rennen unterbrochen werden, damit man auch ja nicht in Gefahr gerät, auch nur ansatzweise einen Handlungsstrang länger als 15 Minuten zu verfolgen? Wer es für eine gute Idee hielt, harmlose Kläffer zu monströsen Kreaturen hochzustilisieren, die in blinder Beißwut Jagd auf Menschen machen? Das werden wohl nur die Produzenten dieses Formats beantworten können - sofern sie sich im Zuge des zu erwartenden vernichtenden Medienechos nicht bereits in die hinterste Ecke ihres Hauptschauplatzes verzogen haben.
Vor allem aber stellt sich die Frage, wie man eine solche Show ernsthaft als große Samstagabendunterhaltung anbieten kann. Ob gekreuzigte Vogelscheuchen, verlassene Hütten, billige Leichen-Attrappen aus dem nächstbesten Discounter oder Horrorpuppen mit der Ausstrahlung einer schlecht geschminkten Baby Born: Die Requisiten machen einen derart lausigen Eindruck, dass man den übereifrigen Versuch, diese durch schnelle Schnitte, Großaufnahmen und Soundeffekte möglichst pompös in Szene zu setzen, zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise ernst nehmen kann. Jedes billige Horror-B-Movie vollbringt die (ohne Zweifel schwierige) Kunst eher, eine düstere und beklemmende Atmosphäre zu kreieren als die Macher dieser Show.
Regelrecht unangenehm wirkt dieses Unvermögen allerdings dann, wenn man auf der einen Seite den Eindruck eines authentischen Grusels der Protagonisten proklamiert, andererseits jedoch permanent das Gefühl hat, es werde nach Drehbuch gehandelt. Besonders deutlich merkt man dies in einer Szene, in der die letzte verbliebene Teilnehmerin nach einem kurzen Irrweg durch den Wald rein zufällig genau an der verlassenen Hütte ankommt, in der ihre männlichen Mitstreiter in Folge eines stilistisch nahezu an Hitchcock erinnernden Schockmoments seit einiger Zeit eingesperrt sind. Nach einem betont überraschten "Ach, da unten seid ihr!?" weiß Madame zum Glück sofort Rat und sucht in der Hütte nach einer Zahlenkombination, welche die Luke zur televisionären Unterwelt öffnet.
Nachdem vier der fünf Schlüssel gefunden wurden und die Protagonisten mehr oder minder erfolgreich vor den grausigen Schleckattacken von Wuffi, Bello und Struppi geflohen sind, hat man sich für die besonders hartgesottenen Zuschauer, die dem Schauspiel auch nach anderthalb Stunden noch nicht ausreichend überdrüssig sind, um wahlweise vor Langeweile einzuschlafen oder den Sender zu wechseln, ein besonderes Schmankerl ausgedacht. Der letzte Kandidat soll Baby Annabell eine Geschichte vorlesen, die sich auf die Geschehnisse der vergangenen Stunden bezieht. Noch einmal bekommt man eine Auswahl der lausigsten Schockeffekte, affektiertesten Angstschreie und flauschigsten Hunde zu sehen, bevor der rhetorisch leicht eingeschränkte Herr noch einmal den aufmerksamkeitsbedürftigen Vierbeinern davonrennen muss - und scheitert. Somit sind es letztlich "nur" 35.000 Euro, mit denen die fünf tapferen Showteilnehmer entschädigt werden. Man gönnt es ihnen fast ein wenig. Und ist vor allem froh, dass diese einmalig verhunzte Fernseherfahrung doch endlich ihr Ende nimmt.
Gewiss hätte man diese Sendung besser und spannender inszenieren können. Doch wenn man schon merkt, dass dieses ursprünglich ja tatsächlich recht interessante Konzept in der Praxis nicht einmal ansatzweise aufgeht, hätte man es zumindest zu einem konsequenten Trash-Spektakel umfunktionieren müssen. So jedoch ist «Scream! If You Can» schlicht und einfach schlecht gemachtes Fernsehen, das langweilt und den Beobachter fassungslos zurücklässt ob des Gedankens, dass es Fernsehschaffende gegeben haben muss, die einen derartigen Inhalt für Primetime-würdig hielten. Ob das Interesse hieran groß genug war, um zumindest aus Sicht der Einschaltquoten Schadensbegrenzung zu betreiben, wird man am Sonntagmorgen sehen. Inhaltlich hat sich ProSieben hier gelinde gesagt nicht gerade mit Ruhm bekleckert.