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Die Kritiker: «Der Wagner-Clan»

Das ZDF zeigt am Sonntagabend einen pompös inszenierten Eventfilm um die antisemitische Wagner-Familie, der mit so manchen dramaturgischen Problemen zu kämpfen hat.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: MOOVIE the art of entertainment, LUPA FILM und Mona Film
  • Drehbuch: Kai Hafemeister
  • Regie: Christiane Balthasar
  • Kamera: Hannes Hubach
  • Produzenten: Oliver Berben, Gero von Boehm und Felix von Boehm
  • Ko-Produzenten: Gerald Podgornig und Thomas Hroch
Inhalt
Richard Wagner, revolutionärer Komponist und Dramatiker, gilt als der vielleicht erfolgreichste und umstrittenste deutsche Künstler überhaupt. Von seinen Anhängern ebenso wie von seiner Familie forderte er absolute Hingabe und Unterordnung: Wagners Nachkommen, die bis heute über die Bayreuther Weihestätte herrschen und streiten, haben sich ganz der Bewahrung seines künstlerischen Erbes verschrieben – und geben diese Aufgabe von Generation zu Generation weiter. Von Anfang an ging es dabei nicht nur um die hehre Kunst, sondern auch um die Frage, wer das Familienunternehmen im Sinne des Firmengründers weiterführt.

1883: In einem venezianischen Palazzo klammert sich Cosima Wagner an den Leichnam ihres Mannes Richard. Unfähig, den Tod des Genies zu akzeptieren, schwört sie ihre Kinder auf ihre "heilige Pflicht" ein: Isolde, Eva und Siegfried sollen ihr Leben ganz in den Dienst der Bewahrung von Wagners Werk stellen, um dem 'Meister' zur Unsterblichkeit zu verhelfen. Die Zukunft von Bayreuth steht auf dem Spiel. Zwar gelingt es Cosima, sich gegen den Willen der mächtigen Wagnerianer als neue Festspielleiterin durchzusetzen. Doch damit die Festspiele in Familienhand bleiben, muss eines der Kinder ihre Nachfolge antreten – und weitere Nachkommen in die Welt setzen.

Thronfolger Siegfried zeigt allerdings eher malerische als musikalische Ambitionen; am liebsten würde er mit seinem heimlichen Liebhaber in die Südsee auswandern. Als durchsetzungsfähiger erweist sich die Älteste, Isolde. Ihren Verehrer Chamberlain, einen Brieffreund und engen Vertrauten Cosimas, hat sie an ihre unscheinbare Schwester Eva abgetreten. Gemeinsam mit dem ambitionierten jungen Dirigenten Franz Beidler träumt Isolde davon, Bayreuth zu erneuern. Als sie schließlich den ersehnten 'Stammhalter' zur Welt bringt, scheint für Cosima die Frage der Nachfolge beantwortet. Doch Chamberlains eifersüchtige Intrigen treiben einen Keil zwischen die Geschwister und ihre Mutter. Siegfried soll sich gegen Beidler behaupten – woraufhin dieser den schwulen Schwager bei der prüden Schwiegermutter denunziert.

Als Isolde dennoch zu ihrem Mann hält, wird sie von Cosima "entwagnert" und enterbt. Wütend und verzweifelt klagt sie vor Gericht auf ihr Recht: Auch wenn ihre Mutter bei ihrer Geburt noch mit Hans von Bülow verheiratet war - jeder weiß, Isolde ist die leibliche Tochter Richard Wagners! Beweise gibt es dafür allerdings nicht. Isolde verliert den Prozess. Verarmt und von ihrer Familie vergessen, stirbt sie Jahre später an Tuberkulose. Doch die Erinnerung an Wagners Lieblingstochter, seine "Brünnhilde", lebt im Hause Wagner fort: Siegfried, von Cosima zu einer Ehe gedrängt, zeugt mit der viel jüngeren Winifred vier Kinder – und in der Jüngsten erkennt er den rebellischen Geist von Isolde wieder: Friedelind lässt sich von niemandem einschüchtern, schon gar nicht von "Onkel Wolf" – dem jungen Adolf Hitler, der neuerdings bei Wagners ein und aus geht.

Darsteller


Iris Berben («Rosa Roth») als Cosima Wagner
Justus von Dohnányi («Jud Süß – Film ohne Gewissen») als Richard Wagner
Lars Eidinger («Der Prediger») als Siegfried Wagner
Petra Schmidt-Schaller («Tatort – Niedersachsen») als Isolde Wagner
Eva Löbau («Lerchenberg») als Eva Wagner
Heino Ferch («Spuren des Bösen») als Houston Chamberlain
Vladimir Burlakov («Marco W. - 247 Tage im türkischen Gefängnis») als Dorian Davies

Kritik


Dieser Film erzählt, das stellt eine Einblendung noch vor der ersten Szene klar, „frei nach wahren Begebenheiten“. Was das genau heißt, wird schon in den darauf folgenden Minuten überdeutlich. Der historische Richard Wagner wurde an seinem Todestag vom Hausmädchen zusammengesunken am Schreibtisch gefunden, bevor er in Ohnmacht fiel und schließlich in den Armen der Gattin starb. Der fiktionalisierte Wagner von Kai Hafemeister und Christiane Balthasar aber bekommt seinen Herzinfarkt, nachdem er – das wird, um eine erzählerische Klammer zu bilden, erst in einer der letzten Szenen aufgelöst – zuvor noch mit einer seiner Schauspielerinnen intim war und seine Gattin ihn danach mit ihrem rauschartigen Klavierspiel in den Wahnsinn trieb. Es ist das Melodram, das die dunklen, historisch ungesicherten Stellen auffüllen darf.

Das ist nicht unproblematisch. Schließlich war der Wagner-Clan nicht nur eine dekadente Künstlerfamilie, die sich fröhlich ihrem Reichtum und ihren Intrigen hingab. Die Wagners waren zum Großteil beinharte Antisemiten, die ihren übersteigerten, ins Wahnhafte gehenden Nationalismus auf der Ablehnung des Judentums aufbauten. Ein tragender Aspekt, den dieser Film selbstverständlich thematisieren muss. Und so lässt man Cosima Wagner Tischreden von der angestrebten Befreiung der Deutschen vom jüdischen Einfluss halten, und die Protagonisten darüber schwadronieren, dass das 20. Jahrhundert „das deutsche Jahrhundert“ werden soll.

Man kann den Machern auch nicht vorwerfen, sie hätten die Brisanz und die Konsequenz der Wagner'schen Weltanschauung nicht erkannt. Schließlich zeigt die letzte Sequenz, wie Richard Wagners Enkel emsig den Hitlergruß üben, um gleich den Führer zu begrüßen, der – die allerletzte Einstellung – schon draußen vor der Tür steht.

Doch es hat etwas Unangenehmes, dabei zuzusehen, wie um Charaktere mit einer derart abstoßenden Ideologie übersteigerte melodramatische Plots gesponnen werden, wie die trivialen, einfacher kommerzialisierbaren Aspekte die erste, und die politisch relevanten die zweite Geige spielen müssen. Gleiches gilt dafür, dass der fiktionalisierten Cosima Wagner am Schluss eine (recht ausladend inszenierte) Erlösung zuteil wird, die diese Figur weder in ihrem narrativen noch in ihrem menschlichen Kontext zu verdienen scheint.

Man hat es den Darstellern durch die missglückte Schwerpunktsetzung der Narrative und den stets ausladenden Duktus nicht einfach gemacht. Sie müssen Kinder ihrer Zeit spielen und gleichzeitig eine Haltung transportieren, die das Drehbuch nur unzureichend entwickelt, man muss ihre Figuren einerseits ablehnen, aufgrund der melodramatischen Ausrichtung des Stoffes jedoch andererseits zumindest eine rudimentäre Bindung zu ihnen aufbauen können. Insbesondere Iris Berben hat es schwer, diese inneren Widersprüche um die intrigante judenfeindliche Hauptfigur zumindest in ihrer Gegensätzlichkeit erträglich werden zu lassen. Lars Eidinger und Vladimir Burlakov ermöglicht sich hingegen eine feinfühlig geschriebene Romanze, in der beide brillieren können.

Hinter der opulenten Ausstattung verbirgt sich beim «Wagner-Clan» nicht viel mehr als ein wenig ambitioniertes Melodram, das es durch seine intellektuelle Banalität nicht leisten kann, aus einem Haufen antisemitischer Figuren eine emotionale Nahbarkeit zu schaffen. Der opernhaft inszenierte Film offenbart sich im besten Fall als verstimmt vorgetragene Operette.

Das ZDF zeigt «Der Wagner-Clan» am Sonntag, den 23. Februar um 20.15 Uhr.
22.02.2014 12:16 Uhr Kurz-URL: qmde.de/69132
Julian Miller  •  Quelle: Inhalt: ZDF

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