«Schulz in the Box» hat geschafft, was man im deutschen Fernsehen selten sieht: einen qualitativen Turnaround zum Besseren. Ein Kommentar.
Ich muss da mal was revidieren.
Nämlich mein
ursprüngliches Urteil zu ProSiebens «Schulz in the Box». Das können Sie jetzt getrost in die Tonne kloppen. Nicht, weil ich die Premierenausgabe nun einige Monate später auf einmal positiver einordnen würde. Nein, weit gefehlt: Ich finde die immer noch genauso mies, wie ich damals geschrieben habe. Vielmehr hat das Format mit seiner vierten Folge, in der Olli Schulz in die JVA Hannover verfrachtet wurde, etwas geschafft, was im deutschen Fernsehen nur höchst selten passiert: einen qualitativen Quantensprung.
Zu einem ähnlichen Schluss ist auch Thomas Lückerath in seiner
sehr ausführlichen Rezension bei DWDL.de gekommen. «Schulz in the Box» hat den Schritt von der Ausstellung eines Kuriositätenkabinetts hin zu einer feingeistig produzierten, höchst persönlichen Reportage geschafft, die sowohl in Puncto distanziert-selbstreflexiver (Selbst-)Einordnung als auch bezüglich ihres Mutes, auf die genreüblichen Überstilisierungen zu verzichten, im deutschen Fernsehen ihresgleichen sucht. Hut ab vor diesem Turnaround und dieser hervorragenden Sendung.
Dass ein solch radikaler Wandel möglich ist, verdeutlicht vor allem eines: Nicht immer muss es die Grundidee eines kritisierten Formates sein, die zu der negativen Rezeption führt, sondern oft liegt es in erster Linie an der fehlgeleiteten oder – in extremen Fällen – mitunter wohl auch bösartigen Umsetzung.
Betrachten wir ruhig einmal eines dieser extremen Beispiele: «Schwer verliebt», wahrscheinlich das schlimmste Exemplar des Vorführfernsehens in Deutschland. Doch die Grundidee an sich, ein Dating-Format mit übergewichtigen und partnerschaftlich unerfahrenen Menschen zu machen, ist ja noch nicht verwerflich. Wenn man die Kandidaten nicht durchwegs als die letzten Trottel hinstellen und sie mit sabbernder Penetranz dabei begaffen würde, wie sie die Vertracktheiten zwischenmenschlicher Beziehungen im besten Falle unelegant meistern, wäre die Sendung an sich wohl kaum zu beanstanden.
Der Ton macht die Musik. Und natürlich der Protagonist. Man stelle sich mal vor, wie Britt Hagedorn in einer Schulz-esken Knasterfahrung mit ihren Mitinsassen interagiert hätte. Angesichts des täglichen Formats, das sie jahrlang bei Sat.1 moderiert hat, kommt einem bei der bloßen Vorstellung schon das kalte Grausen.
Was wiederum zeigt, dass für eine geglückte Nacherfüllung wie im Fall von «Schulz in the Box» auch die personellen Voraussetzungen gegeben sein müssen. Und das ist eben nicht bei jedem Format der Fall.