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Die Kritiker: «Schmidt - Chaos auf Rezept»

Die erste Serienenttäuschung des Jahres hat einen Namen: Schmidt. Eine Rezension von Julian Miller.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Constantin Television
  • Autoren: Tom Maier, Andi Knop, Boris Anderson und Henning Köhn
  • Regie: Alexander Dierbach und Sebastian Sorger
  • Produzent: Friedrich Wildfeuer
  • Producer: Karsten Rühle
Inhalt
Er klopft Sprüche, boxt, zockt, wickelt Frauen um den Finger und ist einfach saucool - die Rede ist von Dr. Adam Schmidt, Rock'n Roller und kittelverweigernder, tätowierter Freigeist mit Doktortitel. Doch Schmidt ist ein echter Menschenfreund, der das Herz am rechten Fleck trägt. Das weiß auch seine junge Chefin Eva Schmidt. Der unkonventionelle Doktor und seine Chefin haben nur rein zufällig den gleichen Namen, ansonsten könnten die beiden unterschiedlicher nicht sein. An einem seiner ersten Arbeitstage in der Praxis von Eva Schmidt muss Adam der 18-jährigen Carmen mitteilen, dass die Ursache für ihre Bauschmerzen eine Schwangerschaft ist und sie ein Kind bekommen wird - und zwar jetzt und hier!

Gleich nach der Geburt eröffnet Carmen den beiden verblüfften Ärzten, dass sie zurück in die Abiturprüfung müsse und bittet, den kleinen "Rocky" so lange in ihrer Obhut lassen zu dürfen. Eva kann nicht glauben, dass Carmen das ernst meint, doch Adam vertraut dem Mädchen - und behält recht. Nach erfolgreicher Prüfung kümmert sie sich liebevoll um ihren Sohn, macht aber auch klar, dass Rocky auch noch über Nacht bei "Familie Schmidt" bleiben muss. Ihr Vater dürfe vor dem erfolgreich absolvierten Abitur nichts von seinem Enkel erfahren. Carmen verspricht, am nächsten Tag nach ihrer letzten Prüfung alles aufzuklären. Für Eva ist das inakzeptabel, steht doch jetzt schon ihre Arztzulassung auf dem Spiel. Adam hingegen stimmt dem Plan sofort zu - jedoch aus nicht ganz uneigennützigen Gründen: Er will mit Hilfe von Rocky Eva dazu bringen, ihre Verabredung mit ihrem Arztkollegen und Jugendfreund Dr. Imre Bohm abzusagen und stattdessen die Nacht mit ihr alleine in der Praxis verbringen. Aber Rocky macht Adam einen Strich durch die Rechnung. Als Carmens Vater in der Praxis auftaucht, ist das (Baby)-Chaos perfekt.

Darsteller


Lukas Gregorowicz («Unsere Mütter, unsere Väter») als Dr. Adam Schmidt
Julia Hartmann («Der Schlussmacher») als Dr. Eva Schmidt
Jil Funke («Anna und die Liebe») als Arzthelferin Britta
Florian Jahr («SOKO Köln») als Dr. Imre Bohm
Michael Hanemann («Der große Bellheim») als Franz Schmidt
Ursela Monn («Doctor's Diary») als Amelie Bender
Nina Gummich («Allein unter Müttern») als Carmen

Kritik


RTL hat in dieser Saison kein Glück mit seinen Serien: Das Urteil über den Reboot des «Lehrers» steht zwar noch aus, die Neustarts vom Herbst, «Doc meets Dorf», «Christine – Perfekt war gestern» und «Sekretärinnen», konnten jedoch kein breites Publikum finden und sind bereits abgesetzt.

Diese Erfolglosigkeit war sicherlich auch in der mangelhaften erzählerischen Qualität begründet: «Doc meets Dorf» hatte zwar durchaus Potential und mit Inez Björg David eine sehr fähige Hauptdarstellerin, verrannte sich aber heillos in abgehalfterten Klischees. «Christine» und «Sekretärinnen» waren, nun ja, Totalausfälle.

Vielleicht muss man dieses Urteil aber revidieren. So schwer einem das auch fallen mag: Schließlich hat man diese Konzept gewordene Altbackenheit immer noch ganz gut vor Augen. Aber man konnte ja nicht ahnen, dass RTL da noch einen draufsetzen könnte.

Genau das ist jetzt passiert: mit «Schmidt – Chaos auf Rezept».

Die erste Folge beginnt mit einer kurzen Montage: Dr. Adam Schmidt, ein Typ, der es „vom Kiez“ bis in den Arztsessel geschafft hat, startet in den Tag: Noch verschlafen im Bett kratzt er sich genüsslich am Arsch (lies: männlich), bevor er auf dem Fahrrad (lies: bodenständig, ergo männlich) eine Zigarette rauchend (lies: männlich) in die Praxis fährt.

Dort angekommen, ist das Erste, was auf der erzählerischen Ebene etabliert wird, die obligatorische Dreiecksbeziehung: Seine Kollegin Eva, eine professionelle Ärztin, aber tief in ihrem Inneren ein absolutes Girly-Girl (lies: frauenaffin), steht zwischen zwei Männern, von denen der eine ihr männlicher (!) Kollege Adam ist. Und dieser Adam ist echt 'ne Marke. Nicht nur, dass er sich – wie er gerne und oft betont – aus einfachen Verhältnissen hoch gearbeitet hat und von Porschefahrern nicht viel hält (lies: unangepasst, ergo männlich): Er hat auch immer 'nen ganz flotten Spruch auf den Lippen und ist 'ne echt coole Socke. Wie er Porscheschnösel Imre (seinem Konkurrenten um das Herz von Eva) einfach so den Schlüssel aus dem Zündschloss abzieht und im Gulli versenkt. Irre, der Typ. Eva zumindest steht voll drauf.

An dieser Stelle geht einem bereits das Material aus, mit dem man diese Figuren weiter analysieren könnte. Facettenreichtum ist der «Schmidt»-Feind Nummer Eins. Mit Testosteron-Adam und Schnösel-Imre sind die beiden männlichen Hauptfiguren ausreichend beschrieben. Die weibliche Hauptrolle ist derweil als professionelle Ärztin, die sich insgeheim nach der starken Schulter von Testosteron-Adam sehnt, ausreichend beschrieben. Und die dümmliche Sprechstundenhilfe Britta wird als Figur darauf reduziert, dass sie auf den Chef steht. Im Vergleich zu diesen Stereotypenkonstrukten wirkt das «Alarm für Cobra 11»-Vorprogramm wie ein feingeistiges Charakterdrama aus dem Programmkino.

Doch es ist nicht nur das Fehlen jedweder Charaktertiefe, das RTLs neue Serienhoffnung so schal aussehen lässt: Es sind auch diese gezwungenen Albernheiten, diese schrecklich gekünstelten Witzchen. Alles muss überdreht werden, keine Andeutung, kein kurzer Moment der Ruhe wird zugelassen. Laut, bunt und schrill muss es sein, sonst würde auffallen, wie furchtbar lieblos diese Figurenimitate im Stil von Testosteon-Adam und Schnösel-Imre entworfen sind, wie hier die Abwesenheit von jeglicher Innovation zum Konzept erhoben wurde, wie vorhersehbar und altmodisch und dümmlich der ganze Unfug geschrieben ist, dass man sich für einen kurzen Moment fast «Auf Herz und Nieren» zurückwünscht. Denn wenn bei «Schmidt» überhaupt nichts mehr geht, kommt gar der Schritt ins Cartoonige, etwa wenn Doofi-Britta zwei rote Zeichentrick-Herzchen auf die Augen geknallt bekommt, nachdem sie von Testosteron-Adam einmal abgeknutscht worden ist. 1994 wäre das sicherlich ein Brüller gewesen. 2014 ist es ein Paradebeispiel für – wahrscheinlich sogar gewolltes – erzählerisches Unvermögen, das mit kurzen Albernheiten den schnellen Lacher abzuräumen versucht, weil es dem dünnen Gerüst gar nicht zutraut, wirklich originelle Gags aus der Figurenkonstellation und den Plots zu entwickeln.

Mit «Schmidt» macht man die selben Fehler, die schon bei den drei Herbst-Neustarts auszumachen waren: Man erzählt altbackene Geschichten in altbackener Form, macht die Figuren zu facettenlosen Produkten optimierungsorientierter Marktforschung und offenbart ein ziemlich sonderbares, weil durchwegs von Klischeen besetztes Bild von Frauenaffinität. Mit dem einzigen Unterschied, dass all das in «Schmidt – Chaos auf Rezept» so penetrant durchschimmert wie nicht einmal bei «Christine».

«Schmidt – Chaos auf Rezept» startet am Donnerstag, den 6. Februar um 21.15 Uhr bei RTL.
06.02.2014 11:27 Uhr Kurz-URL: qmde.de/68821
Julian Miller  •  Quelle: Inhalt: RTL

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