Der ehemalige «Big Brother»-Produzent sagt uns, warum er den «goldenen Käfig» «Utopia» vorzieht, wo er ihn zeigen und wie er «TV total» umarbeiten würde.
Zuschauerzahlen in Holland
- Auftakt: 1,52 Mio.
- F2: 1,30 Mio.
- F3: 1,36 Mio.
- F4: 1,29 Mio.
- F5: 1,05 Mio.
- zweite Woche: rund 1,2 Mio.
Seit Anfang 2014 hat der niederländische Sender SBS 6 ein neues Hit-Format: Der früher zum ProSiebenSat.1-Konzern gehörende Kanal hat mit «Utopia» den Nachfolger von «Big Brother» geschaffen. Nicht nur, weil der Mann hinter dem Format, der Ideengeber erneut John de Mol ist, sondern weil es sich auch inhaltlich um eine Weiterentwicklung des großen Bruders handelt. Borris Brandt, ehemaliger Endemol-Chef in Deutschland und jetzt für das Unterhaltungsprogramm auf den Schiffen der AIDA zuständig, kennt «Utopia» seit früher Entwicklungsphase, pflegt auch heute noch gute Kontakte zu de Mol. „Grundsätzlich ist die neue Sendung wie «Big Brother – Das Dorf» nur ohne dem Setting des Dorfes. Neu hinzugekommen ist der Aspekt, eine eigene Gesellschaft zu gründen“. Dies habe man sich in Deutschland bei «Big Brother» nicht dermaßen auf die Fahne geschrieben.
So bekomme «Utopia» einen experimentelleren Charakter. Direkt nach dem Einzug in das mehrere Hektar große Gebiet, das von mehreren hundert Kameras überwacht wird, legen die 15 Bewohner ihre eigenen Gesetze fest. Kurz gesagt: Wären alle dafür gewesen, dass man sich straflos auf die Zwölf hauen darf, wäre das in der Sendung so. Entsprechend hat «Utopia» in den Niederlanden – wie «Big Brother» vor 14 Jahren für einen Aufschrei gesorgt. Die Medien nahmen die anfangs mangelhafte sanitäre und somit hygienische Ausstattung zum Anlass, empört zu berichten. Für «Utopia» nur gut, meint Brandt.
„Das gehört dazu. Hätte es einen solchen Aufschrei nicht von alleine gegeben, hätte ich als TV-Macher dafür gesorgt, dass es ihn gibt“, plaudert Brandt aus dem Nähkästchen. Schließlich würden solche Berichte nur der Befeuerung des Formats dienen. Geklappt hat es jedenfalls: SBS 6 holt mit der Sendung, die zur Zeit werktags 30 Minuten lang ab 19.30 Uhr läuft, bis zu 1,5 Millionen Zuschauer – und somit in etwa fünf Mal so viele wie normal.
Den finanziellen Einsatz des auf ein Jahr angelegten Projekts schätzt der ehemalige «Big Brother»-Macher derweil als nicht so hoch ein. „Kameras kosten heute nicht mehr so viel.“ Zudem hätte John de Mol entsprechendes Equipment noch aus der Zeit, in der er in den Niederlanden den «Goldenen Käfig» produziert hat. „Solche Formate sind zudem auch kalkulierbarer geworden“, meint Brandt, „früher haben wir wirklich jeden Winkel gefilmt, weil man Angst hatte, es könnte sich sonst jemand unbeobachtet umbringen. Das ist im Jahr 2014 nicht mehr nötig, weil die Reality-Produzenten ihre jahrelange Erfahrung einbringen können.“
Obwohl Brandt vom Konzept von «Utopia» überzeugt ist, ist er sich aber nicht sicher, ob das Format in Deutschland funktionieren würde. Ein Grund ist die Bildästhetik. In Holland dominiert rein bildlich aktuell Tristesse: Die große Scheune ist kärglich eingerichtet und in grau gehalten, die großen Felder und Waldgebiete sind ebenfalls alles andere als eine Farbpracht. „Das ist halt Reality. Wir haben Januar. Im Sommer wird das Format anders aussehen“, so Brandt. Genau deshalb aber würde er der ProSiebenSat.1-Gruppe endlich zum «Goldenen Käfig» raten, der ebenfalls von John de Mol kommt.
In diesem bewohnen einige Kandidaten für den Zeitraum eines Jahres ein Luxus-Haus, ganz nach «Big Brother»-Manier. Kontakt zur Außenwelt aber ist erlaubt, der Gewinner bekommt am Ende das Haus. Schon vor Jahren wollte Brandt das Format in Deutschland an den Mann bringen, scheiterte aber wegen Finanzierungsproblemen.
Jetzt hat er eine konkrete Idee: „Ich würde den «Goldenen Käfig» jeden Tag bei ProSieben um 22.15 Uhr zeigen und Stefan Raab einen kreativen Anschub geben.“ Die Situation von Reality-Fernsehen sieht er nach dem inhaltlichen Flop von «Promi Big Brother» zwar nicht als verbessert an, jedoch ist sich Brandt sicher, dass „durch den Dschungel das Bett für Reality in Deutschland wieder gemacht sein wird.“ Für Deutschland sei der «Goldene Käfig» jedenfalls das deutlich bessere Format, wenngleich «Utopia» inhaltlich den spannenderen Ansatz hat. Optisch und inhaltlich wäre es die Brücke zwischen «Berlin Tag & Nacht» und guter Reality für eine eher anspruchsvollere Seherschaft .
„22.15 Uhr wäre perfekt für das Klientel, wenn man bedenkt, wie stark «Big Brother» auch bei Studenten lief. Noch dazu würde man «TV total» so anschieben – und Raab hätte zu Beginn jeder Sendung noch ein gutes Thema, über das er sprechen könnte. Im Falle eines Erfolges könnte man ja dann nach einem Jahr «Goldener Käfig» über eine Adaption von «Utopia» nachdenken. Und wenn John de Mol als Produzent hinter den Formaten stehe, dann müsste man sich über die Qualität zumindest keine Sorgen machen, meint Brandt und fügt schmunzelnd hinzu "aber ich muss sowas ja nicht mehr entscheiden. Dafür gibt s ja genug Experten."