Ulrich Noethen überzeugt in einer trockenen Komödie über groteske Betrügereien in einer norddeutschen Kleinstadt.
Inhalt
Hinter den Kulissen
- Regie: Hermine Huntgeburth
- Drehbuch: Volker Einrauch & Lothar Kurzawa
- Produktion: Volker Einrauch, Hermine Huntgeburth & Lothar Kurzawa
- Musik: Martin Hornung & Stefan Mertin
- Kamera: Michael Wiesweg
- Schnitt: Eva Schnare
Irgendwo in Norddeutschland: Die Mitarbeiter des Finanzamts, allen voran der Steueroberinspektor Chlodwig Pullmann, arrangieren sich seit Jahren mit zahlreichen Betrieben und drücken bei ihren Prüfungen ein oder gar zwei Augen zu, so lange sie im Gegenzug dafür kleine Freundschaftsgeschenke erhalten. Gratis Haareschneiden, beim Gemüsekauf ein paar Leckerbissen umsonst, Strafzettel verschwinden spurlos – und schon sinken die zu zahlenden Steuerbeiträge ins Bodenlose. Dass Chlodwig, der größte Nutznießer dieses System, mit der engagierten Antikorruptionsbeauftragen Jenny verheiratet ist, bekümmert den Betriebsprüfer nicht. Dafür wird er allmählich nervös, als nach dem unerwarteten Tod seines locker handelnden Chefs ein neuer Vorgesetzter beim Finanzamt Einzug hält: Der korrekte, sich für einen erfolgreichen Kampf gegen Bestechlichkeit einsetzende Jungspund Dr. Jakob Kronibus.
Kronibus' erste Amtshandlung: Er restrukturiert die Behörde und zerstört somit die Bindungen, die die korrupten Beamten zu „ihren“ Betrieben aufbauen konnten. Darüber hinaus legt er eine neue Prüfordnung fest, die sämtliche Beamten eingangs zu umgehen versuchen. Doch Kronibus ist gewiefter als gedacht und kommt hinter die Mauscheleien. Zu allem Überfluss entwickelt sich auch Chlodwigs 13-jähriger Sohn zu einem talentierten Schwindler, der einen semilegalen Handel mit Konzertkarten aufbaut ...
Darsteller
Ulrich Noethen («Das unsichtbare Mädchen») als Chlodwig Pullmann
Steffi Kühnert («Halt auf freier Strecke») als Jenny Pullmann
Alexander Scheer («Kein großes Ding») als Jakob Kronibus
Peter Lohmeyer («Der Elefant in meinem Bett») als Johnny Kassowitz
Katja Danowski («Heiter bis tödlich - Nordisch herb») als Sina Brettschneider
Waldemar Kobus («Die LottoKönige») als Karsten Leimer
Kristo Ferkic («Die Rettungsflieger») als Torben Pullmann
Kritik
Vom urigen «Büro, Büro» hin zum kultigen rabenschwarzen «Stromberg», wenn Paragraphen geritten werden, dann kann dies im hiesigen Fernsehen mitunter in ein Lachfest münden – fähige Autoren vorausgesetzt. An die Genialität von «Stromberg» reicht der TV-Film «Eine Hand wäscht die andere» zwar längst nicht heran, trotzdem reiht sich diese NDR-/arte-Koproduktion stolz in die lange Liste unterhaltsamer Thematisierung deutscher Bürokratie ein. Dies ist insbesondere Hauptdarsteller Ulrich Noethen zu verdanken, der den korrupten Steuerinspektor Chlodwig Pullmann gleichermaßen lebensnah wie ironisch stereotypisiert spielt. Einerseits ist Noethens Pullmann mit seinem Erscheinungsbild (hohe Stirn, dicker Schnauzbart, übermüdete Augen, biederer Modegeschmack) die Quintessenz des mittelständischen Beamtentums – und seine gemächlich-verbrämte Art, mit seinen Mitmenschen umzugehen passt ebenfalls perfekt in dieses Bild. Aber Noethen verleiht seiner Figur durch kleine, vielseitige Gesten gleichwohl eine realistische Wirkung: Verschmitzt aufblitzende Augen und lasches Schulterzucken machen diese widersprüchliche Rolle mit ihrer Freude an Illegalität einerseits und ihrer Spießigkeit andererseits zu einer ansprechenden Hauptfigur, die für rund neunzig Minuten fast durchgehend zum Schmunzeln einlädt.
Gelungen ist auch die trockene Inszenierung des Geschehens, etwa die sehr beiläufige Entdeckung, weshalb der frühere Chef Pullmanns das Zeitliche segnete. Durch die Bodenständigkeit, mit der Hermine Huntgeburth vom absurden Korruptionssystem rund um Pullmann erzählt, entsteht in «Eine Hand wäscht die andere» eine unterhaltsame Diskrepanz zwischen dem Handeln der Figuren und den Reaktionen ihres Umfelds – obwohl sich die Lügen- und Intrigenspirale genauso für eine überdrehte Komödie eignen würde, bleibt alles gemütlich. Dank der pointierten Dialoge sowie der konsequent eingehaltenen Erzählweise entsteht dadurch aber, insbesondere nach dem ersten Drittel des Films, eine größere Komik als würde die Regisseurin durchweg betonen, wie spaßig und grotesk das Geschehen ja sei.
Das Ensemble rund um Ulrich Noethen ist derweil solide und stützt das durch die zentrale Performance sowie die Inszenierung und das spitzfindige Drehbuch entsteht, bekommt allerdings kaum Gelegenheit, das gebotene Material weiter zu stärken. Einzig Jungdarsteller Kristo Ferkic darf mit seinen dreisten Lügen, die er seiner Fernsehmutter auftischt, dann und wann auftrumpfen. Ebenso kommt das Ende angesichts der sich plötzlich häufenden Zufälle etwas zu eilig, was den Gesamteindruck minimal schmälert. Trotzdem bietet «Eine Hand wäscht die andere» alles, was es braucht, um Freunden deutscher Bürokratie-Comedy zu gefallen.
«Eine Hand wäscht die andere» ist am 22. Januar um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.