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Die Kritiker: «Die Spionin»

Der Titel kann täuschen: Das hier ist kein Agententhriller, sondern ein müdes Melodram, vollgestopft mit Pathos und Penetranz.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Aspekt Telefilm Produktion Berlin, SK Filmproduktion und Jumping Horse Film
  • Drehbuch: Annette Hess
  • Regie: Miguel Alexandre
  • Kamera: Jörg Widmer
  • Produzentin: Doris Zander
Inhalt
Paris, 1938. Vera von Schalburg, eine junge Deutsche mit russischen, dänischen und polnischen Wurzeln spricht mehrere Sprachen fließend, verfügt über ein fotografisches Gedächtnis, ist hochintelligent, geistesgegenwärtig und abgebrüht. Außer ihrem kleinen Sohn Christian hat sie niemanden auf der Welt. Um Christian und sich selbst über Wasser zu halten, arbeitet sie als Prostituierte in einem eleganten Bordell. Doch dann bekommt sie ein ungewöhnliches Angebot: Der deutsche Abwehroffizier Hilmar Diercks, ein ebenso faszinierender wie undurchsichtiger Mann, erkennt Veras außergewöhnliche Qualitäten und wirbt sie als Spionin für die deutsche Abwehr an.

Vera nimmt das Angebot an und siedelt über ins Deutsche Reich nach Hamburg. Sie träumt von einer besseren Zukunft für sich und Christian. Moralische Bedenken kennt sie nicht, Politik ist ihr gleichgültig - zunächst. Doch je mehr Einblick sie in die Mechanismen des Dritten Reiches gewinnt, desto unsicherer wird sie. Als Hitler Polen überfällt, will Vera aussteigen. Aber es ist zu spät. Ein Fluchtversuch nach Dänemark scheitert, Christian wird benutzt, um Vera unter Druck zu setzen. Es gibt niemanden, an den sie sich in ihrer Not wenden kann. Auch nicht Diercks, den sie heimlich liebt. Zwar verbindet die beiden eine leidenschaftliche Affäre, aber ob sie ihm trauen kann? Vera wird gezwungen, nach England zu gehen und militärische Geheimnisse für die Invasion Englands auszuspionieren. Doch sie wird ertappt und von einem englischen Kriegsgericht zum Tode verurteilt. Es gibt nur eine Möglichkeit, ihr Leben zu retten: Sie muss zur Doppelagentin werden.

Darsteller


Valerie Niehaus («Mich gibt’s nur zweimal») als Vera von Schalburg
Fritz Karl («Wer früher stirbt, ist länger tot») als Hilmar Diercks
Jochen Nickel («Hammer & Sichl») als Walther Luthmann
Nina Petri («Lola rennt») als Theresa Meier
Peter Prager («Doctor's Diary») als Wilhelm Canaris
Hansa Czypionka («Geld.Macht.Liebe») als Oljakow/Wennemann
Dustin Raschdorf («Die Bergretter») als Christian von Schlaburg

Kritik


In jedem Agententhriller wäre Valerie Niehaus eine Fehlbesetzung. Für dieses Genre spielt sie zu mädchenhaft, zu ausladend, zu infantilisierend.

Gut, dass das hier kein Agententhriller ist, auch wenn man davon angesichts des Titels und Sujets erst einmal ausgegangen ist. «Die Spionin» ist vielmehr ein abgedroschenes Melodram, das sich ein paar Eckpfeiler des Lebenswegs von Vera von Schalburg zusammensucht, diese so weit banalisiert, bis vom politisch-zeitgeschichtlichen Hintergrund wenig mehr als die Requisiten und der Überfall auf Polen übrig bleiben, und den Löwenanteil der Laufzeit mit einfallslosen Plotversatzstücken bespielt, die nur so von überladenen Gesten und triefender Süßlichkeit strotzen.

So betrachtet, macht auf einmal auch die Besetzung der Hauptrolle mit Niehaus Sinn. Die kann so was, auch wenn das heißen mag, dass es einem desöfteren in der Seele weh tut, wie sie die bemühten Versuche von Regisseur Miguel Alexandre, zumindest in Ansätzen eine agententhriller-typische Noir-Ästhetik zu kreieren, so weit in den Ruin spielt, dass man sich manchmal gar in einer Parodie vermutet.

Möchte man ihr Spiel mit einem Wort zusammenfassen (Auch zu einer differenzierteren Betrachtung bräuchte es nicht viel mehr), käme man um den Begriff „Pathos“ sicherlich nicht herum. Den packt sie aus, als gäbe es kein Morgen mehr. Was all die Versuche, diese sonderbare Figur fassbar zu machen, von der ersten Sekunde an misslingen lässt. Denn durch Niehaus' Widerwillen zum Schlichten und Alexandres Hang zum Überstrapazieren, erreicht man, wie so oft, das Gegenteil dessen, was man wollte: Das Ergebnis wirkt platt, fremd und seelenlos, statt nahegehend und authentisch. All die an sich dramatischen Wendepunkte – Schalburgs Beinahe-Exekution, die Trennung von ihrem Sohn – scheitern an der Penetranz, mit der sie umgesetzt wurden.

Die interessanten thematischen Aspekte bleiben ohnehin auf der Strecke. „Was ist Ihre Nation?“, wird die polyglotte Vera einmal kurz gefragt, in London, und darf dann eine halbe Minute lang das Thema Heimatlosigkeit in ein paar banalen Soundbites abarbeiten. Danach menschelt es wieder. Und es menschelt und menschelt, mit Pathos und Penetranz. Bis das nächste Thema wartet, der „Graubereich der Moral“, den man dramaturgisch so einfach wie einfallslos einflicht: Man gibt der historischen Vera ein Kind, das die Nazis als Druckmittel gegen sie verwenden, um sie auf Linie zu halten, und das die Autorin verwendet, um in Vera die moralische Zwickmühle aufkommen zu lassen, wie weit sie sich gegen die Verbrechen des NS-Staates auflehnen kann/darf/soll/muss. Damit es noch ein wenig mehr menschelt, mit noch mehr Penetranz und noch mehr Pathos.

Besser als «Die Spionin» zeigte der Arbeitstitel dieses Films, wohin die Reise gehen soll: „Die schöne Spionin“ hieß das Machwerk in der Entwicklungsphase mal. Denn diese Vera von Schalburg ist hier eben nicht in erster Linie intelligent, durchtrieben, zerrissen oder intrigant. Sie ist schön. Und so auf Banalitäten reduziert, dass aus dem Nazi-Hintergrund fast eine Farce wird.

Das Erste zeigt «Die Spionin» am Freitag, den 27. Dezember um 20.15 Uhr.
26.12.2013 12:37 Uhr Kurz-URL: qmde.de/68126
Julian Miller  •  Quelle: Inhalt: ARD

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