Wie man Medienkritik und Luzifer in einen «Tatort» bringt? Gute Frage. In München versucht man sich an dieser schrillen Kombination - und liefert einen etwas skurrilen Film.
Inhalt
Hinter den Kulissen
- Produktion: Hager Moss Film GmbH
- Drehbuch: Gerlinde Wolf, Harald Göckerlitz und Edward Berger
- Regie: Jochen Alexander Freydank
- Kamera: Peter Joachim Krause
- Produzentin: Kirsten Hager
Albert A. Anast ist das Gesicht einer neuen umstrittenen Reality-Sendung. Als hyperaktiver, rücksichtsloser Reporter zieht er leichte Opfer vor laufender Kamera durch den Dreck: Eine Bankangestellte outet er als Messi, einem Pfarrer sagt er nach, er hätte mit der Haushaltshilfe ein Kind gezeugt, und einen ehemaligen Rechtsextremen konfrontiert er auf einer Berghütte mit seiner Vergangenheit. Im Netz hat er damit Erfolg – Anasts Clips generieren Klicks ohne Ende. So viele, dass nun ein größerer Fernsehsender eine Show mit ihm und seinen Mitarbeitern machen will. Der Druck ist riesig.
Zur Siegesfeier im eigenen Unternehmen ist Anast aber nicht erschienen. Der "Star" ist seit drei Tagen auf mysteriöse Art verschwunden. Sollte einer der anonym gebliebenen Zuschauer seine Morddrohung gegen den Entertainer wahrgemacht haben? Die Kommissare Ivo Batic und Franz Leitmayr begeben sich in die zynische Welt eines Internet-Senders, dessen Erfolg darin besteht, Menschen rücksichtslos und auf niederträchtigste Weise bloßzustellen. Selbst vor Fälschungen ihrer Beiträge schrecken die Macher dabei nicht zurück. Es gibt kaum jemanden, der keinen Grund hätte, Albert A. Anast nach dem Leben zu trachten.
Darsteller
Miroslav Nemec («Zur Sache, Lena!») als Kriminalhauptkommissar Ivo Batic
Udo Wachtveitl («Richterin ohne Robe») als Kriminalhauptkommissar Franz Leitmayr
Alexander Schubert («heute-show») als Albert A. Anast
Ernst Stötzner («Underground») als Pfarrer Fruhmann
Albrecht Abraham Schuch («Die Vermessung der Welt») als Pater Rufus
Claudia Hübschmann («Spielzeugland») als Ines Lohmiller
Dominic Boeer («SOKO Wismar») als Nik Erdmann
Kritik
„Eine Studie über den sozialen Abwärtsvergleich, bitte. Und dazu irgendwas mit diesem Internet“, könnte die Anweisung an die Autoren geklungen haben, bevor sie anfingen, sich „Allmächtig“ auszudenken. Dass es davon gleich drei gibt, hat seine Spuren hinterlassen: Wie aus einem Guss wirkt dieses Drehbuch nicht gerade; der Stoff mäandriert zunächst zwischen dem Versuch eines Charakterdramas um den ekelhaft schmierigen Internet-Yuppie Anast und einigen Ansätzen von Medienkritik, bevor er schließlich eine (gut foreshadowede) Wendung nimmt und im Exorzistenmilieu endet.
Ja, kein Witz: Die Medienkritik gipfelt beim neuen «Tatort» darin, dass ein durchgeknallter Jungpriester an einem durchgeknallten Assi-Reporter ein exorzistisches Ritual vornimmt, weil er in ihm den Leibhaftigen zu erkennen glaubt.
Nun gut. «Tatorte» haben ja so ihre Aussetzer, wenn die gesellschaftsrelevanten Plotversatzstücke etwas dicker aufgetragen werden, damit sie auch jeder mitkriegt, und die zweite Ebene zur Erlangung dieses Ziels so stark banalisiert wird, dass von einer differenzierten Milieustudie nicht mehr die Rede sein kann.
„Der Mann, der wo meine Schwester bumsen tut“ eben.
Aber dass die aus den Fugen geratenen Neuen Medien symbolisch an Luzifer montiert werden, ist sogar unter diesen Umständen noch mal eine andere Hausnummer.
Nehmen wir mal an, man schafft es, diese thematischen Dummheiten zu ignorieren, die Unglaubwürdigkeiten als genre- und sendeplatzgerecht abzutun, und darüber hinwegzusehen, dass Regisseur Freydank gerade in den wichtigen Szenen die Allegorien überreizt. Was dann übrig bleibt, ist ein einfach gestrickter Whodunnit, der aus seinen Figuren durch ihre übersteigerten Haltungen Karikaturen macht. Dem in die Hände spielt auch die Besetzung des Widerlings Anast mit «heute-show»-Darsteller Alexander Schubert. Es mag an seiner Brillanz im Zusammenspiel mit Oliver Welke liegen, an der schwachen Rolle, die er in diesem «Tatort» zu verkörpern hat, oder an einer Mischung aus beidem: Aber hier prustet man schon los, sobald er auf dem Bildschirm erscheint und als übersteigertes Ekelpaket Leute für sein Webformat vorführt. Das konnten die Macher nicht ernst meinen, ist man sich sicher. Genauso wie die Exorzistennummer am Schluss. Gleich kommt sicher der Welke um die Ecke und löst diesen missglückten «Tatort»-Versuch als Satire auf.
Macht er aber nicht. Haben die also wirklich ernst gemeint. Das konnte man ja nun wirklich nicht vorhersehen.
Das Erste zeigt «Tatort – Allmächtig» am Sonntag, den 22. Dezember um 20.15 Uhr.