Peter O'Toole verstarb im Alter von 81 Jahren. Er hinterließ zahlreiche denkwürdige Kinostunden.
Das Wort „Legende“ wird mitunter inflationär gebraucht. Doch wenn ein Schauspieler von den 50er Jahren an bis ins Jahr 2012 hinein nahezu kontinuierlich tätig war und dabei tragende Rollen in diversen Meilensteinen ausfüllte, dann darf man durchaus an diesen Begriff denken. Acht Nominierungen für den Academy Award erhielt besagte Legende, 2003 durfte dieser Darsteller dann endlich einen Ehren-Oscar in Empfang nehmen. Bloß um danach weiter gute Schauspielleistungen zum Besten zu geben, statt sich zur Ruhe zu setzen. Erst 2012 kündigte er an, von den Brettern, die die Welt bedeuten, Abstand zu nehmen. Leider durfte er seinen Ruhestand nicht sehr lange genießen. Die Rede ist vom irischen Mimen Peter O'Toole, der am 14. Dezember im Alter von 81 Jahren verstarb. Er erlag einer langen Krankheit und starb friedlich in einem Londoner Krankenhaus.
Der passionierte Cricket-Spieler lernte nach einigen Jahren als vielversprechender Laiendarsteller sein Handwerk an der berühmten Royal Academy of Dramatic Arts, Weltruhm erlangte er 1962 durch die Hauptrolle im bahnbrechenden Wüstenepos «Lawrence von Arabien». Diese imposante Performance O'Tooles ist nun (wenig überraschend) auch die in Trauermeldungen am häufigsten angesprochene. Der britische Premier David Cameron etwa merkte in seiner Trauerbekundung an: „Seine Performance in meinem Lieblingsfilm, «Lawrence von Arabien», war beeindruckend.“
Es wäre allerdings O'Tooles nahezu beispielloser Karriere nicht gerecht, würde diese Legende rückblickend nun auf den Film reduziert, die ihr ihre erste Oscar-Nominierung einbrachte. Denn auch nach dem bildgewaltigen Drama schlüpfte O'Toole in zahllose denkwürdige Rollen. Nur wenige Jahre später erspielte sich O'Toole im eloquenten Drama «Becket» über den Konflikt zwischen König Heinrich II. und Erzbischof Thomas Becket eine weitere Oscar-Nominierung und zementierte sich seinen Ruf als Darsteller, der schwere Stoffe leicht erscheinen lässt. Dass er auch humorige Rollen beherrschte, zeigte er bald darauf in Woody Allens schwungvoll-grotesker Sexkomödie «Was gibt’s Neues, Pussy?» und im galanteren Heist-Movie «Wie klaut man eine Million?» an der Seite der betörenden Leinwandikone Audrey Hepburn.
Ein weiterer essentieller Eintrag in seine filmische Vita folgte 1972. «The Ruling Class» vereinte als beißende Satire und Passionsprojekt O'Tooles Anspruch mit Überdrehtheit und hielt der exzentrischen Upperclass ein finster verzerrtes Spiegelbild vors Gesicht. Etwas seichter, aber dafür mitreißend süffisant, parodierte 1982 «Ein Draufgänger in New York» wiederum die Unterhaltungsindustrie – und O'Toole erhielt für seine energetische Leistung eine der so raren Oscar-Nominierungen für eine Comedyrolle. Und keine O'Toole-Retrospektive wäre komplett ohne «Venus». Das Drama über einen talentierten Schauspieler, der sich im hohen Alter mit anspruchslosen TV-Soaps über Wasser halten muss, wird von O'Tooles würdevoller, dennoch augenzwinkernden und hingebungsvollen Leistung zu einem Kleinod erhoben. Und selbst wenn O'Toole nur mit seiner Stimme arbeiten konnte, zählte er zu den ganz Großen: In Brad Birds Animationsmeisterwerk «Ratatouille» sprach er den Restaurantkritiker Anton Ego, der eingangs als durchtrieben kaltherziger Schurke eingeführt wird, dann aber eine der berührendsten Szenen der Trickgeschichte trägt. Egos eloquente, fast philosophische Abhandlung über das Verhältnis zwischen Kunst und Kritik garantiert Gänsehaut und beweist mühelos, wie gedankenvoll animierte Unterhaltungsfilme sein können.
Selbst diese Liste ist noch immer viel zu kurz, um alle Facetten O'Tooles zu repräsentieren. Aber vielleicht hat sie Ihnen ja Lust gemacht, sich (wieder) intensiver mit dem Schaffen dieser verstorbenen Schauspiellegende auseinanderzusetzen …