Vier Jahre nach dem Start der Digital-Strategie zieht Quotenmeter ein sehr ernüchterndes Fazit.
Sendestart der Digi-Sender
- ZDFneo: 1. November 2009
- ZDFkultur: 7. Mai 2011
- ZDFinfo: 5. September 2011
Vor knapp vier Jahren startete das Zweite Deutsche Fernsehen den neuen Digitalsender ZDFneo, für den der ZDFdokukanal eingestellt wurde. Mit diesem neuen Fernsehsender, der sich vorwiegend an die 25- bis 49-Jährigen richtet, wollten die Verantwortlichen junge Zuschauer für sich gewinnen, da man im Hauptprogramm zugunsten innovativer Inhalte keinerlei Zugeständnisse machen wollte. Denn wenn das ZDF die älteren Zuschauer vergrault, würde der Sender beim Zuschauerranking deutlich abstürzen.
Infolgedessen startete ZDFneo mit innovativen Serien wie der NBC-Sitcom «30 Rock», der Joko & Klaas-Trashshow «neoParadise», der Drama-Serie «Mad Men» und Reportage-Reihen wie «Herr Eppert sucht» sowie «Wild Germany». Doch der Sender hatte zunächst Probleme mit der Etablierung, war er schließlich nur digital empfangbar. Erst mit dem großen HD-Aufschwung kam in Deutschland die eigentliche Digitalisierung.
Da der damalige Intendant Markus Schächter auf dem Mainzer Lerchenberg Erfolge vorweisen musste, gehörten Vorabpreviews von Dokumentationen und Fernsehfilmen zum Programm. Die größten Erfolge feierte ZDFneo mit Wiederholungen von «Inspector Barnaby», die auch aktuell noch am Montagabend im Programm unterkommen. Eine Serie, die im ZDF am Sonntag über vier Millionen Menschen unterhielt, ist nun zur Hauptsendezeit beim kleinen Ableger zu sehen - innovativ war diese Strategie nicht.
Diese Erfolgsmeldungen weiteten sich mit Wiederholungen von eigentlichen ZDF-Programmen aus, sodass das Programm Sendeplatz für Sendeplatz überarbeitet wurde. Beispielsweise rutschte «Herr Eppert sucht» mit jeder neuen Staffel um eine viertel Stunde nach hinten. Von Vorabendproduktionen wie dem «Theken-Quiz» gab es keine weiteren Staffeln, stattdessen bestückte man diese Sendezeiten mit ZDF-Erfolgsproduktionen wie «Die Rettungsflieger» und «SOKO Leipzig». Am Mittwochabend folgte daraufhin «Wilsberg», «Letzte Spur Berlin» und «Der Adler - Die Spur des Verbrechens».
Das gesamte Tagesprogramm ist inzwischen weder "neo", noch irgendwie kreativ: Der Morgen ist mit Dokumentationswiederholungen bestückt, danach geht es mit «Markus Lanz» und dreieinhalb Stunden Kochshows weiter - natürlich aus dem Archiv. Die Daytime füllt sich weiterhin mit alten ZDF-Serien, ehe 70er- und 80er-Importe laufen.
Die Entwicklung des Innovationssenders ZDFneo stimmt traurig. Zwar sind die Marktanteile in den vergangenen Jahren stark gewachsen, jedoch werden pro Woche nur noch knapp vier Stunden eigenes Programm produziert. Neben «Scott & Bailey» sind dies die einzigen eigenen Inhalte des Senders.
Marktanteile der Digi-Sender
- ZDFneo: 0,8% (14-49: 0,7%)
- ZDFinfo: 0,6% (14-49: 0,7%)
- ZDFkultur: 0,2% (14-49: 0,1%)
© Quotenmeter (Season 2012/2013)
Der am 7. Mai 2011 gestartete digitale Ableger ZDFkultur ist nach rund zwei Jahren ebenso Geschichte bzw. sollte es werden. ZDF-Intendant Thomas Bellut bekräftigte zwar Sparpläne und wollte den Sender sterben lassen, lizenziert aber weiterhin «Seinfeld» für den Vorabend. Einen Termin für die Abschaltung von ZDFkultur gibt es nicht - und den wird es auch so schnell wohl nicht geben, da der Jugendkanal von ARD und ZDF weiterhin kein grünes Licht hat.
ZDFinfo setzt vorwiegend auf «History» und Dokumentationen über das Dritte Reich und die DDR. Von anfänglichen Eigenproduktionen wie «WISO plus» ist außer «heute plus» nichts mehr übrig. Ein großer Pluspunkt ist die Diskussionsrunde «log in», in der sich Twitter- und Facebook-User beteiligen können. Ärgerlich ist allerdings, dass spannende Diskussionen auf Grund der beschränkten Sendezeit abgebrochen werden, obwohl danach nur weitere 44 Stunden Wiederholungen folgen. Die Eigenproduktion «Ullrich protestiert» fand ihre Erstausstrahlung erst in einer Nacht von Montag auf Dienstag um 01.10 Uhr, weil diese laut ZDF "nur dort ihr Publikum" finde.
Mit diesen vielen Beispielen fördert das Zweite Deutsche Fernsehen das non-lineare Fernsehen und die Nutzung der ZDF-Mediathek und YouTube. Andere Fernsehstationen finden ihre Zuschauer, indem sie sich auf die Primetime konzentrieren und diese innerhalb des Tagesprogramms mehrfach wiederholen - hier sind einsplus und RTL Crime positive Beispiele. Wer aber schon «Neo Magazin» am Donnerstag um 23.00 Uhr zeigt und um 01.00 Uhr wiederholt, wird keine besonders große Reichweite einfahren. Anders gesagt: Wieso sollte man vom ZDF irgendwelche Flexibilität erwarten, wenn die Verantwortlichen Jan Böhmermanns «Neo Magazin» gegen Böhmermanns Donnerstags-«Lateline» laufen lassen, die auf acht Radiostationen und bei einsplus ausgestrahlt wird, und zu keinem Kompromiss bereit sind?
Die Bilanz ist ernüchternd: Das ZDF hat sich inzwischen einen Wiederholungsapparat entwickelt, der seinesgleichen sucht: 2008 kam man mit den Wiederholungssendern ZDFkulturkanal, ZDFtheaterkanal und ZDFinfokanal nur auf 8,2 Millionen Euro an Aufwendungen, inzwischen werden für vorwiegend Wiederholungen 55 Millionen Euro pro Jahr bezahlt.