Melodram, wie es immer sein sollte: Ein mustergültiges Beispiel zeigt das ZDF am Montagabend.
Hinter den Kulissen
- Produktion: Hager Moss Film GmbH
- Drehbuch: Britta Stöckle
- Regie: Johannes Fabrick
- Kamera: Helmut Pirnat
- Produzentin: Kirsten Hager
Inhalt
Miriam, um die 30, könnte glücklicher nicht sein. Der 50-jährige Ingmar hat sich zu ihr bekannt und seine Frau, die engagierte Pfarrerin Lene und seine drei fast erwachsenen Kinder verlassen und ist zu ihr gezogen. Ihre junge Liebe ist mit Zwillingen gekrönt worden. Erst durch ihr eigenes Familienglück beginnt Miriam zu ahnen, was sie ihrer Kontrahentin angetan hat. Doch wäre Ingmar wirklich zu ihr gekommen, wenn die Ehe so rundum glücklich gewesen wäre, wie Lene es sich immer eingebildet hatte?
Miriam erkrankt kurz darauf lebensbedrohlich, die Ärzte geben ihr nur noch wenig Zeit. Sie ist am Verzweifeln, verheimlicht ihre Krankheit und trifft in dieser Zeit des Schocks erneut auf Lene. Trotz ihrer fortbestehenden Konkurrenzsituation nimmt sie Lene plötzlich als bewundernswerte und warmherzige Frau wahr, als jemanden, den sie sich als Mutterersatz für ihre Kinder wünschen würde. Dazu müsste sie jedoch Ingmar und Lene wieder zusammenbringen, und die müssten sich vorher ihren lange unter den Teppich gekehrten Eheproblemen stellen. Ein gänzlich absurdes Unterfangen nimmt langsam Gestalt an - und die Zeit läuft.
Darsteller
Barbara Auer («Das Ende einer Nacht») als Lene
Julia Koschitz («Der letzte schöne Herbsttag») als Miriam
Filip Peeters («Pieter Aspe – Mord in Brügge») als Ingmar
Martin Umbach («Die Chefin») als Dr. Ullrich
Leslie-Vanessa Lill («Für immer Frühling») als Wiebke
Kritik
Keine Angst vor Sentimentalität. Die lässt einen Film nicht gleich zum narrativen Totalausfall werden. Zumindest, wenn man es richtig angeht. Wenn man nicht nur darauf aus ist, dass sich bei kitschaffinen Mitvierzigerinnen am ZDF-Filmabend die literweise konsumierte Eiscreme mit ebenso literweise vergossener Tränenflüssigkeit vermengt, sondern die Filmfiguren trotz einer sentimentalen Erzählweise nahbar bleiben und durch die Aufmachung ein gewisses Maß an Ehrlichkeit schimmert, die erkennen lässt, dass man die Zuschauer ernst nimmt und sie nicht für so blöd hält, dass sie auf billiges Tränendrüsengehampel schon anspringen werden. Wenn sich die Sentimentalität aus dem Stoff ergibt, anstatt ihm aufoktroyiert zu werden, um die Marktforschung zu beglücken.
«Pass gut auf ihn auf» macht da fast alles richtig. Das verlangt einem schon ordentlich etwas ab, einer frisch gebackenen Mutter und Ehefrau zusehen zu müssen, wie sie langsam am inoperablen Bauchspeicheldrüsenkrebs zugrunde geht. Umso mehr, weil man hier nicht der irrigen Annahme gefolgt ist, laut sei mit nahbar gleichzusetzen, und die üblichen Verdächtigen (Man denke an Christine Neubauer oder Veronica Ferres) in Großaufnahme in die Kamera flennen ließ. Stattdessen darf Julia Koschitz eine unfassbar deprimierende Tour-de-Force absolvieren. So, wie man sich Melodram wünscht: unaffektiert, unprätentiös, zartfühlend und authentisch.
So wie (fast) der ganze Film, der gerade durch die Abwesenheit (vermeintlich) großer Gesten, durch das Fehlen von auf Melodram versteiften Dialogen seine große Nahbarkeit entfalten kann. Ein leerer Blick von Koschitz, ein kurzer, abgehackter Satz von ihr bewirken so viel mehr als der ewige Pathos. Es schaudert einen regelrecht, wenn man sich für einen Moment vor Augen führt, was die Degeto aus diesem Stoff so alles gemacht hätte.
Nein, «Pass gut auf ihn auf» funktioniert nach anderen Regeln. Es ist nicht der intellektuell schärfste und sicherlich auch nicht der dramaturgisch innovativste Film des Fernsehjahres. Aber wahrscheinlich ist er der Sentimentalste. Eine der wenigen deutschen Produktionen, die dieses Attribut nicht mit narrativer Weichspülung und gnadenloser Stereotypisierung gleichsetzen, sondern authentische Gefühle durch ein reduziertes Spiel und ein unaffektiertes Buch transportieren können. Die paar Momente, in denen das Drama doch etwas zu forciert und der Soundtrack zu überbordend melancholisch wird, lassen sich an einer Hand abzählen, und können dem Gesamteindruck nichts anhaben: dem eines zartfühlenden Melodrams, dessen künstlerischer Gehalt mustergültig ist.
Das ZDF zeigt «Pass gut auf ihn auf» am Montag, den 2. Dezember um 20.15 Uhr.