Im Gespräch mit Quotenmeter.de ziehen Anne Rech von ASOS (im Bild links) und s.-Oliver-Marketing-Chef Mokhtar Benbouazza eine positive Bilanz - trotz der niedrigen Zuschauerzahlen bei ProSieben.
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Grundsätzlich können wir uns ein weiteres Projekt dieser Art vorstellen. Nach «Fashion Hero» können wir insgesamt eine sehr positive Bilanz ziehen. Wir haben rund um die Show ein aufwendiges Vertriebs- und Marketingkonzept entwickelt, das wir erfolgreich umgesetzt haben. Damit haben wir alle Herausforderungen großartig gemeistert, die das Format für uns bereit hielt, wie zum Beispiel die kurzen Timings zwischen Aufzeichnung der Show und Anlieferung der fertig produzierten Ware, die wöchentliche neue Warenbestückung sowie die damit verbundene Umgestaltung der POS, der Windows, der E-Shops und der Brandsite".
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Mokhtar Benbouazza, Head of Marketing, s.Oliver
Am Mittwoch endete ein TV-Experiment, das Unterhaltung und Industrie so stark verbunden hat, wie kaum ein anderes zuvor. Was bei ProSiebens
«Fashion Hero» unter dem Strich übrig geblieben ist, sind die kommerziellen Erfolge, welche die teilnehmenden Unternehmen Karstadt, Asos und s.Oliver feierten. Abgesehen vom siegreich hervorgehenden «Fashion Hero», heißen die Gewinner im Rahmen der Sendung Karstadt, Asos und s.Oliver. Diese verbuchten mit dem Angebot der «Fashion Hero»-Produkte große Erfolge, welche zu mehrfachem Ausverkauf der erworbenen Mode führte. Auf Anfrage von Quotenmeter.de zeigte sich s.Olivers Head of Marketing Mokhtar Benbouazza „sehr zufrieden“ mit der Teilnahme am ProSieben-Format und betonte in einem Statement den regelrechten „Run auf die Artikel“.
Benbouazza fügt an: „Bei der ersten Folge dauerte es zwölf Stunden, bis die Kleidungsstücke online ausverkauft waren, bei der dritten nur noch zwei Stunden. Zusätzlich zu der hohen Nachfrage haben wir auch viel positives Feedback von Zuschauern und Neukunden in den Stores, über den Customer Service sowie unsere Social Media Kanäle erhalten.“ S.Olivers Head of Marketing hebt gegenüber Quotenmeter.de sogar einen Kandidaten hervor: „Die Kreationen von Marcel Ostertag kamen am besten an, auch flächendeckend im stationären Handel.“
Auch ASOS, eine junge im Internet agierende Marke, zeigte sich zufrieden. Quotenmeter.de sprach mit Anne Rech, die auch Teil der «Fashion Hero»-Jury war: „Wir freuen uns, unsere Tradition junge Designer-Talente zu unterstützen fortführen zu können. Das machen wir schon seit Jahren in Großbritannien und mit «Fashion Hero» jetzt auch in Deutschland. Die Designer haben tolle Arbeiten kreiert und diese unseren Kunden zugänglich machen zu können, hat sich für beide Seiten gelohnt. Entsprechend seien weitere Kooperationen wie im Falle von «Fashion Hero» für ASOS vorstellbar.
Im Fernsehen blieb der Erfolg aus, niedrige Zuschauerzahlen um 20.15 Uhr führten dazu, dass ProSieben nach Woche fünf die Sendung in einer kürzeren Version erst nach 22.00 Uhr zeigte. ASOS habe das bei der Nachfrage gespürt: „Es haben einfach noch weniger Zuschauer eingeschaltet und somit waren auch die Kauf-Impulse insgesamt schwächer, als bei den 20.15 Uhr-Ausstrahlungen“, so Rech. Bei s.Oliver sah dies den Angaben von Benbouazza zufolge anders aus: „Nach erster Ausstrahlung zu dem späteren Zeitpunkt wurde die drittbeste Quote für «Fashion Hero» gemessen, die konstant blieb. Es hat sich bestätigt, dass sich eine starke, treue Fangemeinde um das Format etabliert hat. Diese Zuschauer verfolgen auch zum späteren Sendezeitpunkt die Show.“ Hier habe es also keine Auswirkungen auf die Verkaufszahlen gegeben.
Auf die Frage, ob sich s.Oliver künftig wieder Kooperationen mit Fernsehsendungen vorstellen könne, reagierte Benbouazza mit einer grundsätzlichen Bejahung und fügt an: „Nach «Fashion Hero» können wir insgesamt eine sehr positive Bilanz ziehen und die Erfahrung daraus lässt uns selbstbewusst auf neue Projekte zugehen.“ Allerdings geht eine derartige Produktion auch mit vielen Herausforderungen einher, die im Falle von s.Oliver gemeistert wurden: „Die kurzen Timings zwischen Aufzeichnung der Show und Anlieferung der fertig produzierten Ware, die wöchentliche neue Warenbestückung sowie die damit verbundene Umgestaltung der POS, der Windows, der E-Shops und der Brandsite“, seien nach Benbouazza nur einige Beispiele von sich stellenden Aufgaben für ein teilnehmendes Unternehmen.
Auch wenn die Stores, wie im Falle von s.Oliver mit dem Projekt «Fashion Hero» also zumindest offiziellen Aussagen zufolge zufrieden waren, so wird das Format nicht als Erfolg in die Geschichte des Senders ProSieben eingehen. Zu viele Schwächen offenbarte die Casting-Show schon direkt zu Beginn. Der Zuschauer musste sich konzentrieren, um hinter das Konzept von «Fashion Hero» zu steigen. Mentoren, Einkäufer und verschiedene Entscheidungsebenen der Show können unfokussierte Fernsehende zunächst einmal verwirren – schlechte Voraussetzungen für ein gänzlich neues Format. Man musste das Format schon sehr genau verfolgen, um alle Einzelheiten und Regeln zu verstehen – erfolgreiche Shows wie «The Voice of Germany» machen es mit komplexen Strukturen, die dem Zuschauer Anglizismen wie „Blind Auditions“, „Steal Deal“ oder „Battle Round“ entgegenschmettern, vor.
Diese bieten nicht zuletzt Abwechslung; ein wichtiger Aspekt, der Zuschauer langfristig an eine Sendung bindet. Diesen Kniff hat «Fashion Hero» versäumt. Mit der ersten Entscheidungsrunde, in der die Designer nur durch ein Angebot aller „Einkäufer“ der Modehäuser ihren Weg in die nächste Runde finden und dem finalen „Fashion-Showdown“ als zweite Chance für Verlierer der ersten Runde, wurden zwei Entscheidungsphasen geschaffen. Diese kommen aber in jeder Folge gleich daher und lassen der Show keine Chance auf eine dramaturgische Entwicklung.
Neben dieser Statik des Formats stellte das Fehlen von echten Charakteren einen noch größeren Kritikpunkt dar. Die Tipps gegenüber den Kandidaten und die Kommentare beim Vortrag der modischen Kreationen, die durch die alleinige Entscheidung der Einkäufer ohnehin irrelevant sind, lassen den ohnehin viel zu blassen Mentoren um Claudia Schiffer kaum eine Chance ein wenig Entertainment in ihre Auftritte einfließen zu lassen. Erst beim „Fashion-Showdown“ lenken sie die Aufmerksamkeit etwas mehr auf sich – durch die gemeinsam getroffene Entscheidung der drei Mentoren wird die Möglichkeit auf Spannungen zwischen den drei Mode-Experten allerdings auch vertan. Was im vergleichbaren «Germany’s Next Topmodel» die Jury-Mitglieder und Kandidaten an Unterhaltung beitragen, bleibt bei «Fashion Hero» somit auf der Strecke. Während bei der Klum-Show früher noch Bruce Darnell und später Jorge Gonzalez um die Wette wuselten oder sich Thomas und Thomas in jüngerer Vergangenheit Sprüche um die Ohren hauten, die bei Jugendlichen zu Running Gags avancierten, schaffte es Heidi Klum in der vergangenen Staffel «GNTM» ohne markante Charaktere an ihrer Seite alleine zu tragen.
Eine tragende Rolle sollte bei «Fashion Hero» sicherlich auch Claudia Schiffer spielen. Allerdings hinkt diese ihrer Model-Kollegin Klum in ihrer Performance auf der großen Showbühne noch meilenweit hinterher. Zwar handelt Schiffer authentisch und oft deutlich sympathischer als Klum, damit bleibt sie in ihrer Rolle aber leider auch ziemlich blaß und schafft es nicht das Gesicht der Show zu sein, für das die ProSieben-Verantwortlichen sie sicher vorsahen. Ein Indiz für die enttäuschten Erwartungen von ProSieben ist die Präsenz, die Schiffer nach Verlegung des Sendeplatzes noch zukam: Nach Verlegung des Programmplatzes von 20.15 Uhr auf 22.20 Uhr und der Kürzung von 130 Minuten auf 60 Minuten Laufzeit, wobei «Fashion Hero» sowieso neu geschnitten werden musste, fielen Schiffers Auftritte unverhältnismäßig häufig der Schere zum Opfer, sodass dem Model kaum noch Einblendungen vergönnt waren.
Die vielen weiteren Protagonisten, etwa die beiden anderen Mentoren Sascha Lilic und Uta Huesch sowie der hölzern agierende Moderator Steven Gätjen und die 21 ambitionierten, aber vom Designprozess gestressten Modedesigner lenkten dann auch noch von s.Olivers Petra Winter und Karstadts André Maeder ab, welche, neben der ebenfalls wenig interessanten Asos-Frau Anne Rech, noch am ehesten Entertainer-Qualitäten an den Tag legten. Der löbliche Ansatz von «Fashion Hero», der keine Effekthascherei á la «DSDS» und «Supertalent» vorsah, verfehlte die Intentionen der Programm-Verantwortlichen, die mit einer reißerischen Aufmachung wohl traurigerweise erfolgreicher gewesen wären, da es der Show die Unterhaltung gegeben hätte, an der es mangelte.
Die Möglichkeit einer zweiten Staffel des Formats, wie in den USA auf NBC, besteht nicht: Am Dienstag stellte ProSieben klar, dass es keine weitere «Fashion Hero»-Staffel geben würde, allerdings sollte sich zumindest der finanzielle Verlust von ProSieben in Grenzen halten – die drei Unternehmen stemmten die Produktion der Sendung selbst. Wer weiß, ob mit gelungenen Verbesserungen in der Zukunft nicht vielleicht noch ein ähnliches Format wie «Fashion Hero» möglich ist?