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360 Grad: Der lange Weg zur Sitcom

Der Fall «Bully macht Buddy»: Er zeigt, wo bei einer deutschen Sitcom die Steine im Weg liegen. Ein Kommentar.

Deutschland hat keine Sitcomtradition. Das hat man am Montagabend gemerkt, als ProSieben zum ersten Mal «Bully macht Buddy» auf Sendung schickte.

Interessant war, was nahezu alle Rezensenten für innovativ gehalten haben: Die Sendung wurde, getreu den amerikanischen Gepflogenheiten, an denen man sich orientieren wollte, vor Publikum aufgezeichnet. Irre.

Was Bully, ProSieben und Constantin Entertainment vielleicht vorher jemand hätte sagen sollen: Das allein macht noch keine Sitcom.

Und wo angelsächsische Länder – von den «Honeymooners» über «I Love Lucy», «The Mary Tyler Moore Show», «The Cosby Show», «Seinfeld», «Frasier», bis hin zu «Friends» oder «The Big Bang Theory» – auf eine reiche Sitcomtradition zurückblicken können, hat der deutschsprachige Raum die Volksbühne. Aber natürlich holt man mit «Peter Steiners Theaterstadl» heute niemanden mehr vor den Fernseher. Zumindest niemanden, der sich noch ohne Gehhilfen fortbewegen kann.

Also muss eben eine Sitcom her, auch wenn man sowas eher selten gemacht hat. Die wenigen gelungenen Versuche, etwa «Ein Herz und eine Seele» oder «Stromberg», waren schließlich hinsichtlich ihrer dramaturgischen Grundsituationen zumeist Adaptionen ausländischer Formate; Sketchsendungen – von «Klimbim» über «SketchUp» bis hin zu «Schillerstraße» oder «Ladykracher» – zählen wegen der Nichtexistenz einer fortlaufenden Handlung, bzw. ihrer Klassifikation als Impro-Show nicht in die Sitcomkategorie (Live-Publikum hin oder her), und jüngere Gehversuche wie «Sekretärinnen» oder «Christine – Perfekt war gestern» wird wohl kaum jemand als gelungen bezeichnen. Gut, die Jury des Deutschen Fernsehpreises vielleicht. Aber die hat sich ja bereits anderweitig disqualifiziert.

Nun ist sie also da, die deutsche Sitcom. Vor Publikum, gänzlich unadaptiert, mit Plots und Figuren made in Germany. Und wenn man ihre erste Folge gesehen hat, weiß man, warum man die amerikanischen Halbstünder guckt. Weil die glasklar besser sind.

Das Urteil mag hart klingen; bei näherer Betrachtung ist es das aber gar nicht. Auch Rick Kavanian weiß, dass es vermessen wäre, sich mit den Genrekollegen aus den USA zu vergleichen. Und nicht nur die derzeitige Sitcomelite aus «Parks and Recreation», «Modern Family» und «The Goldbergs» (am Rande interessant: Alle Genannten werden nicht vor Publikum produziert) schneidet eindeutig besser ab als «Bully macht Buddy» – auch «Two and a Half Men» und «Big Bang Theory» spielen in einer anderen Liga.

Das weiß Rick Kavanian. Und das wissen wahrscheinlich auch Bully und Wolfgang Link.

Nur: Wer konnte denn ernsthaft erwarten, dass dieses (für deutsche Verhältnisse) experimentelle Format gleich in diesen Sphären schweben würde? Das wäre ein Knüller gewesen, ein unfassbarer Triumph, vielleicht der größte in Bullys gesamter Karriere. Allein, dass dieses Format nicht so gnadenlos versagt wie «Sekretärinnen», ist schon einer positiven Erwähnung wert.

Schließlich sind «Parks and Recreation», «Modern Family» und – wem's gefällt – «Two and a Half Men» der Ausfluss einer jahrzehntealten Tradition; «Bully macht Buddy» ist ein erstes Herantasten an ein dicht erzähltes halbstündiges Comedyformat mit fortlaufender Handlung und eigener, in Deutschland erdachter Story, das sich bemüht, die Anwesenheit von Publikum nicht volksbühnenartig wirken zu lassen. Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist das Ergebnis durchaus beachtlich.

Es führt einem aber noch etwas anderes vor Augen: Nämlich wie sehr das deutsche Fernsehen in puncto serielles Erzählen dem angelsächsischen hinterherhinkt, wie sehr die Routine fehlt, mit der in Amerika produziert und konsumiert (!) wird. Dieses Niveau ist nicht mit einer einzigen Sitcom zu erreichen. Wahrscheinlich nicht mal mit einem Dutzend.
22.11.2013 13:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/67472
Julian Miller

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