Joseph Gordon-Levitt erzählt mit Charisma, Witz und Feingespür von Pornosucht und tückischem Romantikkitsch.
Hinter den Kulissen
- Regie & Drehbuch: Joseph Gordon-Levitt
- Produktion: Ram Bergman & Nicolas Chartier
- Musik: Nathan Johnson
- Kamera: Thomas Kloss
- Schnitt: Lauren Zuckerman
Für Jon Martello (durchtrainiert wie nie zuvor: Joseph Gordon-Levitt) gibt es nur eine handverlesene Auswahl an Dingen, die ihm etwas bedeuten. Sein muskelbepackter Körper, seine stets gepflegte Wohnung, sein stilvoller Wagen, seine leidenschaftlich debattierende Familie. Und dann wären da noch sein regulärer Kirchenbesuch und seine lässigen Kumpels. Eine besondere Stellung in Jons Leben nehmen zudem die attraktiven Frauen ein, die er bei jedem Clubbesuch abschleppt. All dies verblasst jedoch im Vergleich zu Jons wahrer Passion: Internet-Pornographie.
Für den charismatischen Tunichtgut reicht selbst echter Sex mit den heißen Ladys aus seiner Stamm-Disco nicht an das heran, was er erlebt, wenn er sich Pornovideos reinzieht und dabei selbstbefriedigt. Dann bestimmt er allein das Tempo und kann sich völlig fallen lassen. Schließlich kommt das Onanieren zu Webpornos ohne all die Schattenseiten des realen Geschlechtsakts aus: Die Frauen sind nicht störrisch oder stolz, sondern geben sich völlig hin, nehmen Sexstellungen ein, bei denen ihr Körper in all seiner Pracht betont wird. Blowjobs sind in der Pornographie Alltag. Und Selbstbefriedigung macht zudem längst nicht so eine große Sauerei wie ein One-Night-Stand im heimischen Bett. Perfekt! Dumm nur, dass Barbara (Scarlett Johansson), Dons aktuelles Objekt der Begierde, Pornos eklig findet und ihren Lover dazu zwingt, darauf zu verzichten ...
Diese Ausgangslage positioniert «Don Jon», das Regiedebüt des «Looper»-Stars Joseph Gordon-Levitt, schon in seinen ersten, äußerst stilsicher inszenierten Minuten als einzigartige Liebeskomödie. Nur wenige Filme trauen sich, das heiße Thema Sex- oder Pornosucht anzupacken, und die raren Filme, die sich der Sache annehmen, sind entweder überaus platte Komödien (z.B.: «40 Tage, 40 Nächte») oder bedrückende Kunstdramen (z.B.: «Shame»). Joseph Gordon-Levitt dagegen kreiert mit seiner ersten Regiearbeit (deren Drehbuch er auch verfasste) eine ebenso geist- wie witzreiche Erzählung, deren Hauptfigur trotz all ihrer Makel liebenswert ist. Und so befriedigt «Don Jon» sowohl die Sehnsucht nach Herzlichkeit, als auch nach gelungener Dramatik und deftigen Lachern.
Ähnlich wie die Amateur- und Profipornos, die der gutherzige Macho Jon fast schon mit ritueller Haltung konsumiert, teils diverse Höhepunkte zeigen, bietet auch diese einfallsreiche Independent-Produktion mehrere Highlights: Besonders beeindruckend sind etwa die schnellen, mit stylischer Musik untermalten Montagen, die Gordon-Levitt und seine Cutterin Lauren Zuckerman auf den Zuschauer loslassen. Effektiv bieten diese Sequenzen einen Einblick in Jons Porno-Sessions und machen so seine Sucht nicht nur nachfühlbar, sondern kommentieren sie zudem regelmäßig mit kleinen Randgags oder süffisanten Schlusspointen. Ähnlich gelungen auch das Gegenstück zu diesen Sequenzen: In flotten, ironischen Zusammenschnitten reduziert «Don Jon» den Kirchenbesuch zu einer symbolträchtigen, aber inhaltsleeren Routine. Großes Kompliment verdienen sich darüber hinaus die augenzwinkernden und trotzdem glaubhaften Erzählerkommentare, in denen Joseph Gordon-Levitt mit betont markiger Stimme über die kleinen Ärgernisse beim zwanglosen Beischlaf herzieht.
Doch die womöglich denkwürdigste Leistung von «Don Jon» ist die spritzige Weise, wie Gordon-Levitt die spaßige, das Problem dennoch respektierende Thematisierung einer Pornosucht mit satirischen Spitzen gegen Hollywood-Romanzen vermengt. Denn ebenso, wie der titelgebende Protagonist eine ungesunde Abwägung zwischen Sex und Pornographie vornimmt, kann seine Angebetete nicht mehr zwischen Liebe und Romantikkitsch trennen. Was Don seine Pornos, sind Barbara ihre triefenden Liebesfilme, deren Dramaturgie und Stilmittel Gordon-Levitt mit sicherer Hand auseinander pflückt, persifliert und zweckentfremdet. Mit lachhaft schnulziger Geigenmusik und übertrieben schwelgerischen Kamerafahrten gibt Gordon-Levitt der von Scarlett Johansson gespielten Möchtegern-Prinzessin den handwerklichen Rahmen ihrer Lieblingsfilme, lässt sie aber eiskalt gegen die Realität auflaufen. Und so nimmt Gordon-Levitt nicht nur sexuelle, sondern auch romantische Erwartungen an Liebesbeziehungen aufs Korn, die sich mehr an Fiktion, denn an Lebenserfahrungen orientieren.
Der Tonfall dieser persiflierenden und gleichermaßen frech wie findig kommentierenden Sequenzen befindet sich in einer angenehmen Grauzone zwischen belehrend und leichtfüßig. Geerdet wird Gordon-Levitts RomCom-Abwandlung durch eine charakterstarke, semi-dramatische Note: Nicht nur, dass «Don Jon» die Ärgernisse seines Leinwandhelden allen Pointen ungeachtet ernst nimmt, in Form von Julianne Moores Esther führt er im späteren Verlauf auch eine herzliche, leicht verschrobene, aber lebensnahe Figur in die farbenfrohe Scharade ein. Esther, Jons sentimentale Studienkollegin fortgeschrittenen Alters, ist die menschliche, reale Komponente dieses Regiedebüts und fängt die Geschichte immer auf, sobald sie droht, zu verspielt zu werden.
Serienfans kommen zudem in den Genuss eines Wiedersehens mit «Wer ist hier der Boss?»-Frontmann Tony Danza, der im weißen Unterhemd und mit lautem Stimmorgan Jons hitzköpfigen Vater spielt. Die Szenen, die Jon am Familienesstisch zeigen, tänzeln zwar in ungewohnter Manier zwischen Ehrlichkeit und Persiflage, sind dank des gut aufgelegten Duos Danza und Glenne Headly (als Jons Mutter) eine willkommene Ergänzung der restlichen Handlung.
Fazit: Charmebolzen Joseph Gordon-Levitt liefert ein meisterhaftes Regiedebüt ab. «Don Jon» trägt das Herz am rechten Fleck und beäugt seine Porno-Thematik von der ironisch-menschelnden Seite. Ob Single, der auf versauten Webseiten surft, hoffnungslose Romantikerin oder klar sehendes Liebespaar: Hier findet jeder Befriedigung.
«Don Jon» startet am Donnerstag, 14. November 2013, in den deutschen Kinos.