Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 262: Wie das ZDF mit B-Promis und verwirrenden Spielen versuchte, dem Quizboom nachzujagen.
Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir des Beweises dafür, dass der Einsatz von Prominenten nicht immer erfolgversprechend ist.
«Auge um Auge» wurde am 16. April 2002 im ZDF geboren und entstand zu einer Zeit, als der große Quizboom, der vom überraschenden Erfolg von «Wer wird Millionär?» zu Beginn des neuen Jahrtausends ausgelöst wurde, eigentlich schon wieder vorbei war. Weil nämlich unzählige Nachfolger wie
«Das Millionenquiz» ,
«Einundzwanzig» ,
«Die Chance Deines Lebens»,
«Allein gegen alle»,
«Multi Millionär»,
«Der Schwächste fliegt» und
«Die Quiz Show» zur einer schnellen Übersättigung des Marktes führten, waren die meisten der Sendungen längst schon wieder eingestellt. Bereits im November 2000 wollte auch das ZDF von diesem Trend profitieren und versuchte mit «Ca$h - Das eine Millionen Mark-Quiz» auf den Zug aufzuspringen, stieß dabei jedoch nur auf ein verhaltenes Zuschauerinteresse. Trotz all dieser Rückschläge ließ man sich in Mainz dennoch nicht davon abbringen, ein weiteres Ratespiel etablieren zu wollen.
Diesmal setzten die Verantwortlichen auf eine Adaption des britischen Formats «Dog Eat Dog», das kurz zuvor beim Festival Rose d'Or in Montreux für Aufsehen sorgte. Dieser Entschluss schien aussichtsreich zu sein, weil es sich auch bei «Wer wird Millionär?» um ein ursprünglich englisches Konzept handelte. Für die deutsche Umsetzung der neuen Show wurde die Firma KirchMedia Entertainment beauftragt, die laut Pressetext des ZDF „eine speziell konfigurierte Fassung“ herstellte. Diese unterschied sich von der Vorlage darin, dass anstatt sechs Kandidaten nur noch fünf antraten und es sich bei diesen ausschließlich um Prominente handelte. In dieser Änderung sah Manfred Teubner, der damalige Unterhaltungschef des Senders, einen besonderen Reiz: „«Auge um Auge» gibt uns Gelegenheit, Facetten von Menschen zu zeigen, die uns bislang verborgen waren.“
Zwar bestanden die zu absolvierenden Herausforderungen nicht nur aus Quizfragen, sondern auch aus Sport- und Logikelementen, weswegen das Programm im Kern kein reines Quizformat war, doch reihte es sich vom Look und Spielprinzip her dennoch in die Reihe der genannten Vorgänger ein. Seine Kernidee war, dass die Kontrahenten gegeneinander spielen mussten, denn es galt vor jeder Aufgabe stets zu entscheiden, welcher Mitspieler diese am schlechtesten lösen würde. Die Methode, das (vermeintlich) anfälligste Mitglied einer Gruppe aus sich selbst herauswählen zu lassen, war spätestens seit «Big Brother» und den unzähligen Kopien längst zum gängigen Modus geworden und fand bei «Der Schwächste fliegt» schon Einzug ins Quizgenre. Aufgrund dieser listigen Facette verlieh das ZDF seiner Produktion den offiziellen Untertitel «Die Taktik-Show».
Um sich während der Aufzeichnung im Studio überhaupt gegenseitig einschätzen zu können, wurden die Kandidaten zuvor in ein 48stündiges Trainingslager auf Teneriffa geflogen, wo sie unter der Anleitung des ehemaligen Leichtathleten Carlo Thränhardt verschiedene Sport-, Geschicklichkeits- und Kombinationsherausforderungen zu meistern hatten. Die dortigen Ereignisse wurden anschließend in Form von Einspielfilmen in die Studiorunden eingestreut. Konnte ein nominierter Promi die Aufgabe trotz des Misstrauens seiner Gegner dennoch lösen, durfte sich dieser in der kommenden Runde revanchieren, woraus sich letztlich der biblisch anmutende Titel der Show ableitete.
So waren dann Kettenaufgaben und Silbenrätsel zu lösen, gespiegelte Wörter zu erkennen, Postleitzahlen zu merken oder an einer rotierenden Kletterwand möglichst lang auszuhalten. Außerdem musste sich ein Weg durch ein Labyrinth gemerkt und anschließend rekonstruiert werden. Schließlich wurde auf diese Weise ein Vorrundengewinner gewählt, der im Finale gegen alle restlichen Mitspieler antrat. In diesem gab es nur noch reine Quizfragen mit vier Antwortmöglichkeiten, bei denen der Finalist erneut denjenigen Konkurrenten für eine Beantwortung nominieren durfte, dem er ein Scheitern am ehesten zutraute. Gewann der Finalist die letzte Runde erhielt er eine Summe von 20.000 Euro, die einem wohltätigen Zweck gespendet werden musste. Siegten die übrigen Kandidaten teilten sie die Prämie unter sich auf.
Präsentiert wurde die neue Sendung von Kai Böcking, der in den 1980er Jahren vor allem durch die Musikreihe «Formel Eins» bekannt wurde. Seine Wahl war insofern nur logisch, als dass er am Nachmittag mit «Risiko» für das ZDF durch eine gut laufende tägliche Quizvariante führte, die noch vor «Wer wird Millionär?» gestartet war. Mit «Auge um Auge» erhielt er nun die Chance, sein Können in der Primetime unter Beweis zu stellen, denn die 45minütige Produktion erhielt eine Ausstrahlung am Dienstagabend um 20.15 Uhr – ausgerechnet jenem Platz auf dem zuvor das Format «Ca$h - Das eine Millionen Mark-Quiz» gescheitert war.
In den anschließenden Pressestimmen wurde Böckings Leistung kaum kritisiert, aber auch nicht besonders gelobt. Vielmehr störten sich die Redakteure am komplexen und verwirrenden Ablauf des Konzepts. So schrieb Sabine Rennefanz in der Berliner Zeitung beispielsweise: „Kurz zu erklären, worum es in der Show geht, fällt selbst dem ZDF schwer. Wenn man die vielen Regeln, die auf der Website des Senders erläutert werden, laut vorliest, vergehen knapp zehn Minuten.“ Außerdem wurde einmal mehr die geringe Prominenz der Kandidaten bemängelt, denn unter Personen wie Mathieu Carrière, Jürgen Drews, Enie van de Meiklokjes, Daniela Ziegler, Frederic Meisner, Anja Fichtel, Biggi Lechtermann, Claude-Oliver Rudolph, Max von Thun, Wayne Carpendale, Gundis Zambo, Anja Schüte, Wolfgang Fierek, Katy Karrenbauer, Bernhard Hoecker und Sissy Höfferer fehlten meist die ganz großen Namen der Branche. Bezeichnenderweise waren unter den Teilnehmern aber auch der Ex-«Big Brother»-Kandidat Jürgen Milski sowie Marco Schreyl, der zu jener Zeit die Neuauflage des Klassikers
«Der große Preis» für das ZDF moderierte.
Diese Vorbehalte spiegelten sich letztlich in den erzielten Sehbeteiligungen wider, denn lediglich 3,17 Millionen Menschen schalteten die Premiere ein, was einem Marktanteil von rund zehn Prozent entsprach. Zu diesem Zeitpunkt zeigte sich Manfred Teubner noch geduldig: „Es handelt sich um ein jung gemachtes Programm, das die Zuschauer nicht unbedingt auf diesem Sendeplatz erwarten, und deshalb muss man einfach noch abwarten." Als die Werte bei der vierten Ausgabe allerdings auf nur noch 2,12 Millionen Zuschauer und einen Marktanteil von 7,6 Prozent sanken, reagierte er kurzerhand und verlegte die übrigen, bereits fertiggestellten Episoden auf den samstäglichen Nachmittag.
«Auge um Auge» wurde am 28. September 2002 beerdigt und erreichte ein Alter von 13 Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Kai Böcking, der sein tägliches Wissensspiel «Risiko» noch bis zum Ende des gleichen Jahres präsentierte. Anschließend führte er an der Seite von Andrea Kiewel durch die kurzlebige ZDF-Castingreihe
«Die deutsche Stimme» und war dann hauptsächlich in verschiedenen Magazinen bei kabel eins sowie als Amateursportler in diversen ProSieben-Events zu sehen. Seine jüngste Reihe «Rrumms - Die Experimente-Show» wurde von kabel eins nach drei Episoden wieder eingestellt.
Möge die Show in Frieden ruhen!
Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einer Endlossschleife aus platten Klischees.