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Der Fernsehfriedhof: Folter für das Traumhaus

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 259: Die Hi-Tech-Samstagabend-Show von RTL, die ihren Kandidaten viel abverlangte.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer weiteren extremen Samstagabend-Show der späten neunziger Jahre.

«Hausfieber» wurde am 03. Januar 1998 bei RTL geboren und entstand zu einer Zeit, als der große Show-Samstag des Senders nur noch wenig Zuspruch fand. Die einstigen Rekordreichweiten von zehn Millionen Zuschauern bei den Premieren von «Traumhochzeit» und der «100.000 Mark Show» waren längst in utopische Entfernung gerückt und auch die späteren Neustarts «Stars gegen Stars» , die «Soundmix Show», «Glücksritter» sowie «Fischers» enttäuschten. Aufgeben wollte man offenbar dennoch nicht, denn RTL und die Produktionsfirma Endemol einigten sich, einen weiteren Versuch zur Rettung des Genres zu wagen.

Anstatt auf eine gänzliche Neuentwicklung zu setzen, kombinierte man darin abermals bekannte Elemente aus den bisherigen Sendungen und versuchte diese lediglich zu überbieten. So wurde der Gewinn nochmals auf einen Rekordwert angehoben, denn nun war ein komplettes Einfamilienhaus zu gewinnen. Das zugehörige Konzept erinnerte dann von seiner Struktur stark an die «100.000 Mark Show». Wie in der Vorlage traten in jeder Ausgabe mehrere Kandidatenpaare gegeneinander an, vom denen aber nur eines ins Finale kam, um darin um den Hauptpreis zu kämpfen. Mussten dafür früher noch falsche Zahlenkombinationen für einen Tresor weggespielt werden, galt es, dies nun mit falschen Schlüsseln zum Traumhaus zu tun. Dafür waren erneut Kraft und Ausdauer im Wechsel mit Nervenstärke, Konzentration und Allgemeinwissen gefragt.

Immer wieder sollten die Kandidaten Quizfragen beantworten oder Kombinationsrätsel lösen, um entweder eine Bombe zu entschärfen, ein virtuelles Labyrinth zu durchqueren oder ein Russisches Roulette erfolgreich zu absolvieren. Für die meiste Diskussion sorgte das Spiel „Augen-Scanner“, bei dem (ähnlich wie beim Luft anhalten in der «100.000 Mark Show») ein Kandidat solange Rätsel lösen konnte, wie sein Teammitglied nicht blinzeln musste. Weil letzterer dabei auf einen martialischen Stuhl gesetzt und das Auge mithilfe einer besonderen Kamera in Großaufnahme beobachtet wurde, verglichen einige Journalisten die Aktion mit unmenschlichen Foltermethoden.

Der gesamte Ablauf war in einen modernen Hi-Tech-Look eingebettet, der sich nicht nur über die futuristisch anmutenden Spiele, sondern auch über das Logo, das dunkle Studio sowie über sämtliche andere Elemente erstreckte. Dieses technische Auftreten wollte jedoch nicht zum Gewinn eines spießigen Einfamilienhauses passen, wodurch das Ergebnis nicht stimmig war. Verstärkt wurde dieser Eindruck dadurch, dass Linda de Mol die Moderation des Formats übernahm. Zwar war sie eines der bekanntesten Gesichter des Kanals und durch die «Traumhochzeit» mit dem Sendeplatz vertraut, doch konnte sie die Härte, die das Setting verlangte, nie überzeugend aufbringen. Dadurch wirkte sie immer etwas deplaziert und bei der Erklärung der komplizierten Regeln zuweilen sogar unsouverän. Vielleicht wäre Ulla Kock am Brink besser geeignet gewesen, doch diese war zu jenem Zeitpunkt zugunsten ihrer Vorabendshow bereits zum Konkurrenten ProSieben gewechselt.

Zum Start der neuen Samstagabend-Hoffnung rührte RTL kräftig die Werbetrommel und auch die bereits im Vorfeld formulierten Vorwürfe der Folter sorgten für eine entsprechende Aufmerksamkeit. Dies schlug sich dann in der äußerst hohen Sehbeteiligung der Premiere von 7,12 Millionen Zuschauern nieder. Es schien also den Verantwortlichen endlich geglückt zu sein, einen neuen Hit am Samstagabend zu fabrizieren. Doch schon bei der nächsten Ausgabe rund drei Wochen später sank die Reichweite um rund 1,5 Millionen Menschen auf nur noch 5,75 Millionen ab. Dieser Trend setzte sich weiter fort, denn die Werte der weiteren monatlichen Folgen fielen zum Teil auf unter vier Millionen. In der Folge stellte RTL nicht nur die teure Produktion trotz des beachtlichen Anfangserfolgs ein, sondern reduzierte auch den umfangreichen Kooperationsdeal mit Endemol erheblich.

«Hausfieber» wurde am 05. Juni 1999 beerdigt und erreichte ein Alter von elf Folgen. Die Show hinterließ die Moderatorin Linda de Mol, die fast zeitgleich zum Start der neuen Sendung ihren einstigen Dauerbrenner «Traumhochzeit» aufgab. Ein großer Erfolg blieb ihr danach in Deutschland bisher verwährt, denn ihre Quiz-, Spiel- und Castingformate «1 gegen 100», «Der Millionendeal» und «The Winner Is...» überlebten jeweils nicht lang, genauso wie eine spätere Neuauflage des Heiratsklassikers. Im holländischen Fernsehen ist sie allerdings als Schauspielerin in diversen Serien und Gastgeberin des Programms «Postcodeloterij Miljoenenjacht» erfolgreich. Übrigens, wenige Monate nach dem Start von «Hausfieber» schickte RTL mit «DJ Bobo – Die Show» eine weitere neue Samstagabendreihe auf den Schirm, die ebenfalls scheiterte. Die langersehnte Trendwende stellte sich erst im Jahr 2002 mit der Einführung von «Deutschland sucht den Superstar» ein.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der wahrscheinlich krawalligsten Talkshow der deutschen Fernsehgeschichte.
17.10.2013 11:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/66716
Christian Richter

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