Eineinhalb Schritte vor dem Abgrund sieht der neue WDR-Intendant die öffentlich-rechtliche Anstalt. In zehn Jahren würde man jährlich 1,3 Milliarden Euro Miese schreiben. Deshalb wird nun noch kräftiger gespart – unter anderem auch am Personal.
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Der Westdeutsche Rundfunk ist die größte Sendeanstalt der ARD und gilt heute nach der BBC als zweitgrößter Sender Europas. Vorsitzender ist seit dem 1. Juli dieses Jahres der ehemalige Nachrichtensprecher Tom Buhrow, der nach sechs Jahren Monika Piel beerbte. Bekannte Formate sind unter anderem das Politmagazin «Hart aber fair», die beliebten Unterhaltungssendungen «Zimmer frei!», «Dittsche» und «Zeiglers wunderbare Welt des Fußballs», die Wissenschaftssendung «Quarks & Co» sowie die für Kinder produzierten «Wissen macht Ah!» und «Die Sendung mit der Maus». Für den WDR tätig sind zahlreiche freie und 4.210 festangestellte Mitarbeiter (2012).Ob Tom Buhrow wirklich gewusst hat, was auf ihn zukommt, als er kürzlich das Amt des WDR-Intendanten übernahm? Am Dienstag trat der ehemalige Moderator der «Tagesthemen» vor die Presse und musste einen erneuten, harten Sparkurs bei seinem Sender bekannt geben. „Es gibt nichts schön zu reden“, sagte der TV-Journalist und –Macher angesichts der von seinem Team errechneten Zahlen. Die besagen, dass bei Beibehaltung des aktuell schon praktizierten Sparkurses 2014 zum letzten Mal die schwarze Null im Programm des WDR stehen würde. Danach würde man in die roten Zahlen fallen. Das ginge so weit, dass in zehn Jahren, also 2023, jährlich ein Minus von schier sagenhaften knapp 1,3 Milliarden Euro erwirtschaftet werden würde. „Das ist mehr als ein Loch“, gestand Buhrow. Für 2015 rechnet der Intendant zudem nicht mit einer nennenswerten Anpassung des Rundfunkbeitrags - und zeigte die finanzielle Schieflage publikumswirksam auf einem Monitor.
Um über 2015 hinweg zu kommen, sei deshalb nun ein deutliches Signal nötig. Nur welches, fragte Buhrow. „Wenn wir den Gürtel jetzt einfach noch mal enger schnallen, dann werden die Organe nicht mehr durchblutet“, analysierte er metaphorisch. Sein Problem: Gehandelt werden muss jetzt recht schnell, denn schon kommenden Mai muss seine Mannschaft den Haushalt für das Kalenderjahr 2015 einbringen. „Wir sind also eineinhalb Schritte vom Abgrund entfernt“, so Buhrow. Er will nun grundsätzliche strukturelle Maßnahmen ergreifen und den WDR grundsätzlich umbauen, erklärte er am Dienstag, fügte aber hinzu, dass die Zeit dafür äußerst knapp sei.
Die „Rasenmäher-Sparmethode“, wie Buhrow sie nennt, muss deshalb noch einmal verschärft werden. 2015 sollen so weitere 30 Millionen Euro eingespart werden; mit dem Sparen will man beim WDR aber schon 2014 beginnen. Bei einem Autobauer würde man sich nun die Frage stellen, ob man denn wirklich noch die komplette Palette anbieten könne – und ähnlich ergehe es auch den Verantwortlichen beim WDR. Sie seien zum Schluss gekommen, dass das Produkt am Ende stimme. „Wir werden nicht umher kommen zu überlegen, was wir weiterhin selbst fertigen und auf was wir verzichten“, kündigte Buhrow an. Diese Fragen müssen in den kommenden Wochen nun auch mit dem Personalrat des Unternehmens geklärt werden.
Beschlossen wurden bereits erste Sofortmaßnahmen: Bei allen Neubeschaffungen werde man nur noch die zweitbeste Lösung erwerben. Der Kunstfundus werde verkauft, die Rücklagen für die Bausanierung verringert. Auch nach außen hin wird es zu einem Sparkurs kommen. „Wir können da nicht mehr alle Dinge weitermachen,“ sagte Buhrow. Das betreffe Dinge wie beispielsweise die Filmförderung, bei der der WDR durchaus sehr aktiv war. Zudem soll es bis Ende 2014 zum Abbau von 50 Planstellen kommen – angesichts der gewaltigen Zahl an Stellen beim WDR noch eine überschaubare Zahl. Betriebsbedingte Kündigungen wolle Buhrow wenn möglich verhindern.
Im gleichen Atemzug kündigte Buhrow an, einige Dinge in seiner Anstalt verjüngen zu wollen. Aus dem „Innovationstopf“ werde deshalb ein „Verjüngungstopf“ – Buhrow wolle so schnell wie möglich ein so genanntes Kreativ-Volontariat einführen. Mit dieser Idee sei man bei den Ausbildern des WDR auf großes Entgegenkommen gestoßen. Ansprechen will Buhrow damit „positiv Kreativ-Verrückte“, beispielsweise auch Drehbuchautoren.
Zudem will der WDR wenn möglich schon Anfang kommenden Jahres mit einer neuen Homepage an den Start gehen, die einen Überblick über das komplette Angebot des Unternehmens gibt. Als Vorbild soll hier die Präsenz des Schweizer Fernsehens dienen.