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Pro & Contra: Ist das Privatfernsehen nicht auszeichnungswürdig?

Beim «Fernsehpreis» gingen die deutschen Privatsender beinahe komplett leer aus. Haben die werbefinanzierten Anstalten zuletzt tatsächlich eine so schlechte Arbeit abgeliefert?

Bei der Verleihung des 15. Fernsehpreises am vergangenen Mittwoch war die Sat.1-Show «Got to Dance» ein echter Exot, denn das Erfolgsformat stellte den einzigen Sieger eines privaten TV-Senders. In acht weiteren Kategorien setzte sich letztlich ein öffentlich-rechtliches Konkurrenzangebot gegen Nominierte der Privaten durch, in Sachen Bester Mehrteiler, Bester Schauspieler, Beste Dokumentation und Beste Comedy machte die Jury noch nicht einmal ein nominierungswürdiges Format auf den Privaten ausfindig. Ist die deutliche Dominanz des öffentlich-rechtlichen Fernsehens nur eine Momentaufnahme oder stellt sie tatsächlich eine Bankrotterklärung für das werbefinanzierte deutsche Fernsehen dar?

Pro von Manuel Nunez Sanchez:


Dass der Deutsche Fernsehpreis nicht die letzte Instanz bei der qualitativen Bewertung des deutschen TVs ist, stellte er in diesem Jahr mit der Nominierung von «Berlin - Tag & Nacht» als Beste Unterhaltung Doku / Dokutainment unter Beweis. Somit ist die Referenz, auf deren Grundlage wir diese Diskussion führen, durchaus zweifelhaft. Auch wäre es zu einfach, nun eine verbale Schelte auf sämtliche Ergüsse privater Sendestationen zu starten, denn wer eifrig sucht, findet auch hier noch immer Sendungen, die mit großem Aufwand und viel Herzblut produziert werden: Im Showbereich sind hier allen voran «The Voice» und «Schlag den Raab» zu nennen, im Serienbereich kann man Produktionen wie «Pastewka» und «Danni Lowinski» anbringen, im Sektor Comedy wäre eine Nominierung für «Circus HalliGalli» nachvollziehbar und selbst im zuletzt eher vernachlässigten Genre Fernsehfilm zeigte «Der Minister» kürzlich, wie man Unterhaltung und Qualität unter einen Hut bringen kann.

Dies sind allerdings nur die wenigen löblichen Ausnahmen in einer Programmlandschaft, die zur Zeit ganz klar dominiert ist von substanzfreien, mut- und ambitionslosen Formaten, die oftmals nur noch möglichst kostengünstiges Füllmaterial für leidige Ausstrahlungsslots darstellen - immer in der Hoffnung, dass diese Form von Fernsehen zumindest ausreichend Quote und Werbeeinnahmen einfährt, um möglichst hohe Profite für möglichst wenig Einsatz zu generieren. Am deutlichsten ersichtlich ist der qualitative Verfall des Privatfernsehens in der Daytime, wo inzwischen sämtliche Versuche aufgegeben wurden, dem Publikum gute Unterhaltung zu präsentieren. So werden immer öfter seichte Soaps wie «GZSZ», «Alles was zählt» oder mittlerweile sogar unterirdisch gespielte Krawall-Formate wie «Berlin» oder «Köln» als Aushängeschilder einer ganzen Reihe von minderwertigen Scripted-Realities und belanglosen Dokusoaps gefeiert, die gleich bei vier der sechs großen privaten Kanäle das Tagesprogramm dominieren. Einzig ProSieben und kabel eins bieten noch ein nennenswertes Alternativangebot, präsentieren allerdings ebenfalls seit Jahren nur dutzende Wiederholungen der immer gleichen Serien an. Hier kann man sich als Zuschauer zwar immerhin noch solide bis gut unterhalten fühlen, doch letztlich bleibt es bei der Wiederverwertung alter Konserven.

Deutlich nachgelassen haben insbesondere RTL und Sat.1 auch bei der Produktion kostenintensiver Event-Filme, mit denen die Sender noch vor wenigen Jahren ihre Reputation und Relevanz steigerten. Mit immerhin acht Millionen Euro ließ sich der Kölner Privatsender das vor wenigen Tagen ausgestrahlte «Helden» einiges kosten - leistete sich damit allerdings einen absoluten Fehlgriff, denn der aufwändige TV-Film präsentierte sich als ein unfreiwillig komisches Trash-Spektakel ohne jeden Mehrwert, dafür jedoch mit unterirdischen Schauspielleistungen und katastrophalen Dialogen. Ein Beispiel gefällig? "Ich bin nur Krankenschwester, ich kann nicht operieren." - "Doch, kannst du." - "Stimmt." Es ist bezeichnend, dass man auch hier keine Hemmungen hatte, dieses televisionäre Höllenfeuer auf die Zuschauer loszulassen - von derartigen Hemmschwellen scheint sich der Sender ohnehin bereits seit Jahren verabschiedet zu haben. Etwas besser sieht es in dieser Beziehung für Sat.1 aus, das mit «Der Minister» und «Nichts mehr wie vorher» zuletzt Achtungserfolge feiern konnte. Dafür hapert es in Sachen deutsche Serie, wo «Der letzte Bulle» und «Danni Lowinski» allmählich etwas in die Jahre kommen und Alternativen nach wie vor nicht in Sicht sind.

Auch im Bereich Show und Comedy gelang es den großen privaten Stationen zuletzt kaum noch, wirklich starke Neustarts zu präsentieren. Bei RTL stellten sich die kürzlich präsentierten Neustarts als bestenfalls solide Unterhaltung heraus, dominierend ist hier jedoch nach wie vor das altbekannte Spektrum aus «Wer wird Millionär?», «Let's Dance», «Ich bin ein Star» sowie den qualitativ ohnehin nicht nennenswerten Bohlen-Castings. ProSiebenSat.1 hat mit «The Voice» und «Got to Dance» immerhin zwei jüngere Formate im Repertoire, die jedoch eingekaufte Ware sind und somit keine innovative Meisterleistung deutscher Produzenten darstellen. Hier bleibt weiterhin «Schlag den Raab» das letzte große Flaggschiff. Auch im Bereich Information musste Stefan Raab dafür herhalten, nach Jahren zumindest wieder ein ansatzweise nennenswertes Format zu kreieren. Doch selbst «Absolute Mehrheit» kann nicht wirklich in seiner Gänze überzeugen.

Somit sieht es unterm Strich in Sachen Innovation in der Tat sehr düster aus für die deutschen Privatsender, die bereits seit Jahren immer stärker darauf fixiert sind, möglichst kostengünstige Unterhaltung zu produzieren. Wirtschaftlich mag dies legitim und nachvollziehbar sein, doch es schadet der Reputation der Sender gravierend. Und dass die kollektive Verweigerung von Substanz und Qualität einem Sender mittelfristig auch hinsichtlich seiner Einschaltquoten schadet, bekommt derzeit RTL eindrucksvoll zu spüren, das inzwischen sogar beim werberelevanten Publikum um seine Vormachtstellung bangt. Es wäre wünschenswert, wenn dieser Quotenverfall die Programmverantwortlichen des Senders dazu animiert, eine Innovationsoffensive zu starten. Doch so wünschenswert dies aus der Sicht eines Medienjournalisten ist, so unrealistisch scheint es aus der Warte eines in erster Linie profitorientierten Programmchef.


Contra von Fabian Riedner:


Seit Jahren debattiert die Fernsehbranche über den Qualitätsverfall des deutschen Privatfernsehens. Legendär ist nach wie vor der Ausspruch des ehemaligen Talkshow-Moderators und inzwischen Firmenchefs Frank Schmidt (Franklin), der meinte, dass man Fiction auch für die Hälfte produzieren könne. Bei Formaten wie «Die Zollfahnder», «Zugriff» oder einzelnen Folgen von «Mitten im Leben» mag dies durchaus zutreffen, in der Primetime kann man sich damit allerdings nicht durchsetzen. Die bügelnde Hausfrau mag eines der genannten Formate am Nachmittag sehen, selektiert allerdings, wenn es um den Samstagabend geht. Mit 3,8 Prozent Marktanteil bei den Werberelevanten bekam Schmidts Firma die Quittung für günstiges Fernsehen. Das Format floppte bei RTL II.

Ein anderes extremes Beispiel ist «Ich bin ein Star - Holt mich hier raus», das RTL am Jahresanfang zeigt. Im Vordergrund dieser Show stehen eigentlich Prominente, die in der Wildnis überleben müssen. RTL hat den Spieß allerdings umgedreht und nimmt sich selbst nicht ganz ernst. Mit hervorragenden Gag-Autoren, weitläufigen Locations und einem symphytischen Moderatoren-Duo wird eine lustige und unterhaltsame Show produziert. Das muss nicht immer Grimme-Preis-verdächtig sein, ansprechend ist es aber dennoch.

Dennoch müssen TV-Sender auf ihre Kosten achten und können nicht in allen Bereichen hervorragendes Fernsehen produzieren. Eine Doku-Soap am Nachmittag muss eben günstiger sein als ein Vorabendmagazin. Wer sich mit dem Fernsehen am Nachmittag nicht identifizieren kann, der muss es schlichtweg nicht schauen. Menschen, die sich über «Trovatos», «Familien in Brennpunkt» oder ähnliches aufregen, die können zu Sitcoms bei ProSieben oder Drama-Serien bei kabel eins ausweichen.

Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch Sendungen im Privatfernsehen, die wirklich preiswürdig sind. Der Frühjahr-Neustart «Circus HalliGalli» mit Joachim Winterscheid und Klaas-Heufer Umlauf mag auf der einen Seite zwar eine Comedyshow sein, die Macher selbst sprechen von „festlich inszeniertem Trash“ und „substanziellem Schwachsinn“. Stefan Raab hat in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen, dass in Deutschland eigene Formate hervorragend funktionieren können. Mit dem Eurovision Song Contest aus Düsseldorf, der von Comedy-Schmiede Brainpool produziert wurde, feuerte man das beste Werk seit Jahren ab.

Es ist nicht besonders verwerflich, dass Privatsender, die gewinnorientiert sind, nicht Millionen für Krimiserien und -reihen investieren. Zuletzt hat Sat.1 mit der internationalen Koproduktion «Crossing Lines» ein inhaltlich gutes Ergebnis abgeliefert, wenngleich dieses nicht an «Verbrechen» heran reicht. Doch die öffentlich-rechtlichen Sender haben nun einmal ein größeres Budget, sodass große Tests erlaubt sind.
08.10.2013 12:30 Uhr Kurz-URL: qmde.de/66603
Manuel Nunez Sanchez und Fabian Riedner

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