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Die Kritiker: «Borgia»

Auch die zweite Staffel des historischen TV-Events «Borgia» kommt nicht über den Charme einer aufgeblasenen Seifenoper hinaus.

Inhalt:


«Borgia» war und ist eine kreative Freude und eine persönliche Bereicherung. Ich bin begeistert von der Mischung talentierter Europäer (und Amerikaner) vor und hinter der Kamera. Die Zusammenarbeit mit Lagardère, Canal + und EOS/Beta ist eine einzigartige und spannende Erfahrung. Und ich weiß, dass die neue Staffel uns wieder in die Zeit hineinversetzt, in der wir schon einmal waren, und uns dabei himmelwärts trägt.
Tom Fontana, Schöpfer von «Borgia»
Nach dem Tod seines Sohnes Juan entgleitet Rodrigo Borgia die Macht. Um ihn zu stärken, verschafft sein Sekretär Gacet ihm die Droge Vitriolo.

Am Hof von Neapel sehnt sich Cesare Borgia unterdessen nach weltlicher Macht. Er liebt Carlotta, deren Herz Guy de Leval gehört. Lucrezia lebt versteckt bei ihrer Mutter Vanozza. Ihre Schwangerschaft muss geheim bleiben, damit Rodrigo sie wieder verheiraten kann. Rodrigos ehemalige Geliebte Giulia drängt ihren Bruder Alessandro, beim Papst ihre Rückkehr nach Rom durchzusetzen. Dort schafft Rodrigo einen Ausgleich mit den Kardinälen, indem er die ihnen verhassten spanischen Truppen in den Kampf gegen die Osmanen schickt. Doch Kardinal della Rovere verfällt auf eine weitere Intrige: In seinem Auftrag bezichtigt Kardinal Flores Gacet, ihn belästigt zu haben. Rodrigo ist gezwungen, seinen Sekretär verhaften zu lassen. Bald schon überführt Rodrigo Flores jedoch der Lüge, Gacet kommt frei.

Unterdessen überzeugt Alessandro Rodrigo, Giulia zurückzuholen. Sie wird sich als Mutter von Lucrezias Kind ausgeben mit Rodrigo als Vater, Lucrezia könnte wieder verheiratet werden. Lucrezia lehnt den Plan zunächst ab, bis ihre Halbschwester Isabella ihr klarmacht, dass sie mit einem unehelichen Kind von Rodrigo verstoßen werde würde. Lucrezia lenkt ein, leidet aber, als sie ihren neugeborenen Sohn Giovanni fortgeben muss.
In Neapel bereiten Carlotta und Guy ihre Abreise nach Frankreich vor. Cesare hält nun nichts mehr dort, er folgt dem Ruf seines Vaters nach Rom. Vergebens versuchen Alfonso di Calabria und dessen Schwester Sancia, Cesare mit einem blutigen Plan an sich zu binden. Als Cesare nach Rom aufbricht, schließt sich der zum Prinzen erhobene di Calabria ihnen an. Rodrigo will seine Tochter Lucrezia mit ihm vermählen.

Darsteller:


John Doman («Rizzoli & Isles», «Law and Order: Special Victims Unit») ist Rodrigo
Mark Ryder («Robin Hood», «Good Vibrations») ist Cesare Borgia
Isolda Dychauk («Tatort», «Faust» ist Lucrezia
Marta Gastini («The Rite – Das Ritual», «Evil Things») ist Giulia Farnese
Diarmuid Noyes («Parked – Gestrandet», «Savage») ist Alessandro
Art Malik («Sex and the City 2», «John Carter: Zwischen zwei Welten») ist Gacet
Christian McKay («Dame, König, As, Spion», «Rush – Alles für den Sieg») ist Ascanio Sforza
Assumpta Serna («Un si beau voyage», «Trash») ist Vanozza Catanei
Scott Winters («Walking on Turtle Island», «Urgency») ist Riario Sansoni
Victor Schefe («Mein Führer», «Männersache») ist Johann Burckard

Kritik:


Als die erste Staffel der europäischen Historienserie «Borgia» im Oktober 2011 im ZDF ausgestrahlt wurde, war das sechsteilige Geschichtsepos sofort in aller Munde. Doch im Gegensatz zu «Breaking Bad» oder «Homeland», denen die Ehre, in der Regenbogenpresse aufzutauchen, ebenfalls kürzlich zuteil wurde, war es nicht die revolutionäre Qualität des dargebotenen Stoffes, die den Inhalt diverser Klatschblätter beherrschte, sondern ausschließlich die Skandalträchtigkeit, mit der die Serie ausgestattet war. Nackte Tatsachen und Gemetzel waren ein grundlegender Bestandteil von «Borgia», entpuppten sich jedoch schnell als der Versuch, von seichten Drehbüchern und einer schemenhaften Figurenzeichnung abzulenken. Dennoch war «Borgia» Mitbegründer eines bis heute andauernden Trends zum rohen History-Entertainment, das mit «Spartacus», «Rome» und einer weiteren seriellen Aufbereitung der Borgia-Familie diverse Formate nach sich zog, die im Fahrwasser von «Borgia» zu schwimmen versuchten.

Auch in Staffel zwei kann man der Serie den Pomp in ihrer Inszenierung nicht absprechen. Vor allem die beeindruckenden Kulissen sind eines der Highlights in «Borgia», versprühen jedoch nach wie vor nicht den düsteren Charme, den es in einer finsteren Mittelalterserie gebraucht hätte. Die auf Hochglanz polierten Gebäude – egal ob Innen- oder Außenansicht – besitzen keinerlei Charakter und wirken für eine Story, die in diesem Zeitalter spielt, viel zu geleckt. Saftiger, grüner Rasen und staubfreie Paläste sind der Gipfel dieser seelenlosen Ausstattung und versprühen den Charme eines Museumsdorfes. Imposant sind sie dennoch. Dass ausgerechnet brutale Szenerien, wie etwa eine öffentliche Hinrichtung, den glaubhaftesten Eindruck machen und immerhin etwas Authentizität versprühen, wird da zu einer makabren Randnotiz.

Ein hochkarätiges Darstellerensemble füllt diese leblose Szenerie mit Aktivität, beziehungsweise ist sichtlich bemüht, dass ihr dieses schwierige Unterfangen gelingt. Dabei ist es zum einen keine leichte Aufgabe, den zur damaligen Zeit üblichen Duktus glaubhaft und ambitioniert über die Lippen zu bekommen. Es bedarf daher einer Menge schauspielerisches Talent. Dies möchte man sämtlichen nationalen und internationalen Mimen auch keineswegs absprechen, doch geht nicht nur in der Synchronfassung nahezu jedwede Authentizität verloren, wenn sich die Akteure durch die geschwollenen Zeilen kämpfen. Zum anderen wirken die Texte gerade in der deutschen Fassung nicht mit vollem Einsatz verkörpert, sondern vielmehr auswendig aufgesagt, sodass man sich bisweilen vorkommt, als sei «Borgia» keine europäische Qualitätsproduktion, sondern Laientheater vor exotischer Kulisse.

Während die Geschichte in ihrem üblichen Tempo, lieber zu sachte als zu schnell, voranschreitet, schraubte man die Skandalträchtigkeit des Formats beachtlich runter und setzt vor allem zu Beginn der neuen Staffel nicht mehr auf Blut und Brüste, sondern legt den Fokus fast ausschließlich auf die Story. Mit Ausnahme einer schemenhaften Sex-Szene sowie zwei angedeuteten Exekutionen, lässt man die Darsteller ab jetzt lieber reden, kämpfen und reiten. Das sieht optisch auch alles sehr ansprechend aus, gleichwohl die Kameraarbeit von Ousama Rawi («Die Tudors») nicht unbedingt durch besondere Auffälligkeiten besticht.

An sich wäre diese Neuausrichtung ein Schritt in die richtige Richtung, hätte man dem Skript im Gegenzug mehr Tiefe verliehen und der Handlung mehr Belang gegönnt. So konnten die Macher zwar die Kritiker ruhigstellen, die die Provokationen, welche die Serie zu Beginn auslöste, verurteilten. Die Qualität der Serie hebt dieser Schachzug jedoch nicht. Mehr noch: Mit dem Fehlen von Sex und Gewalt ist es den Verantwortlichen nun nicht mehr möglich, über die inhaltlichen Schwächen hinwegzutäuschen.

Serienschöpfer Tom Fontana, der sich abseits von «Borgia» national bislang keinen Namen machte, betonte in einem Interview zur zweiten Staffel (siehe: Zitat), welch kreative Freude es ihm bereitete, ebenjene Season zu kreieren. Zwischen all den Schwachpunkten ist dem Format die Liebe zum Detail an vielerlei Stellen anzusehen und auch, wenn es den Darstellern kaum gelingt, die Qualität der geschliffenen Dialoge ansprechend vorzutragen, so sind die Bücher von Serienautoren wie Larry Cohen, Brant Englestein und vielen anderen durchaus gut geschrieben. Doch leider merkt man es der schreibenden Zunft an, dass diese ihren Schwerpunkt in den vergangenen Jahren oftmals im Crime-Drama-Bereich fand: Auf den Viten der Schreiber finden sich oftmals Titel wie «Criminal Intent» oder «Law and Order». Der Stil derartiger Serien harmoniert jedoch nicht mit einer wie «Borgia», weshalb es ihr auch nie gelingt, ein eigenes Ambiente aufzubauen. «Borgia» ist historische Unterhaltung, jedoch im modernen Gewand einer Durchschnitts-Crime-Serie, wo für die realistische, dreckige Atmosphäre damaliger Zeit kein Platz bleibt. Diese Drehbuchschwächen aufzuwiegen, wäre der Job von Tom Fontana gewesen, dem dieses Unterfangen jedoch bereits in der ersten Staffel misslang.

Fazit: Während die Handlung über seichtes Soap-Opera-Niveau vor historischem Hintergrund nicht hinaus kommt, tragen die zwar imposanten aber seelenlosen Kulissen ihr Übriges dazu bei, «Borgia» jegliche Form an Authentizität zu rauben. Die schwere Aufgabe, den anspruchsvollen Dialogen glaubhaft Ausdruck zu verleihen, gelingt dem hochkarätigen Cast nur halbwegs, zeitweise erinnert der Auftakt der Staffel an ein liebloses Theaterstück. Den Kostenaufwand sieht man der Serie deutlich an, doch der HD-Look tut einem derartigen Format keinen Gefallen. Zuschauer, die sich für die wahren Hintergründe der Borgia-Familie interessieren, erwarten keine blank-polierte Seifenoper, sondern die dreckigen Fakten. Insofern war es damals vielleicht doch keine so schlechte Idee, in der ersten Staffel nackte Tatsachen sprechen zu lassen.
29.09.2013 11:35 Uhr Kurz-URL: qmde.de/66333
Antje Wessels  •  Quelle: Inhalt: ZDF

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