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Die Kritiker: «Weissensee»

Die Messlatte hängt hoch, denn die erste Staffel war auch qualitativ ein voller Erfolg. Kann die zweite da mithalten?

Hinter den Kulissen der zweiten Staffel

  • Produktion: Ziegler Film
  • Idee: Annette Hess
  • Drehbuch: Friedemann Fromm, Clemens Murath und Tim Krause
  • Regie: Friedemann Fromm
  • Kamera: Michael Wiesweg
  • Produzenten: Regina Ziegler und Marc Müller-Kaldenberg
Inhalt
Ost-Berlin, 1987. Die politischen Konflikte verschärfen sich. Sechs Jahre sind vergangen, seit Julia Hausmann wegen Landesverrats verhaftet wurde. Ihr Baby hat die damals Hochschwangere verloren und ihren Geliebten nie wieder gesehen. Martin Kupfer ist aufgrund der Beziehungen seines Vaters nicht ins Gefängnis gekommen. Der ehemalige Volkspolizist arbeitet jetzt als Tischler. Mit seiner Familie hat Martin gebrochen. Seinem Bruder Falk kann er nicht verzeihen, dass er ihn und Julia verraten hat.

Martin glaubt, nachdem er von Julia einen Brief aus Hamburg erhalten hat, sie sei vom Westen freigekauft worden. Er setzt alles daran, ihr nach Westdeutschland zu folgen, nimmt Kontakt zu einer Fluchthelferin auf. In Wahrheit wird Julia noch immer im Gefängnis Hoheneck festgehalten. Falk Kupfer setzt die junge Frau als Druckmittel ein, um deren Mutter Dunja Hausmann die Tätigkeit als IM aufzuzwingen. Um ihre Tochter vor noch Schlimmerem zu bewahren, beugt sich die ehemals so kämpferische Dunja der Stasi. Sie belügt im Auftrag Falks ihre Tochter und erzählt ihr, dass Martin zu seiner Exfrau zurückgekehrt sei.

Martins Vater Hans Kupfer musste sich aus der operativen Tätigkeit im MfS zurückziehen und arbeitet inzwischen an der Hochschule des MfS in Potsdam-Eiche. Während er seine Liebe zu Dunja Hausmann unterdrückt, findet seine Frau Marlene nicht die Kraft, sich von ihm zu trennen. Sie liebt ihn noch immer, auch wenn er ihre Gefühle nicht erwidert.

Veras und Falks Ehe ist zerrüttet. Vera arbeitet nicht mehr als Lehrerin, sondern als Erzieherin in einem Kinderhort. Sie zweifelt zunehmend an der Richtigkeit der politischen Überzeugungen ihres Mannes. Gerade als sie ihm eröffnen will, dass sie sich scheiden lassen möchte, erhalten sie eine schlimme Nachricht. Ihr Sohn Roman, ein vielversprechender Leistungssportler, hatte bei einem Turnier einen Kreislaufzusammenbruch. Im Krankenhaus stellt sich heraus, dass seine Nieren durch Doping schwer geschädigt sind. Roman benötigt dringend eine Spenderniere, sonst wird er nicht überleben.

Lediglich Martin kommt als Spender in Betracht. Aus Angst um Romans Leben gesteht Falk seinem Bruder, dass Julia nach wie vor im Gefängnis Hoheneck einsitzt und er selbst den gefälschten Brief in Auftrag gegeben hat. Martin ist fassungslos.

Darsteller


Florian Lukas («Goodbye, Lenin») als Martin Kupfer
Hannah Herzsprung («Hell») als Julia Hausmann
Katrin Sass («Goodbye, Lenin») als Dunja Hausmann
Uwe Kockisch («Donna Leon») als Hans Kupfer
Ruth Reinecke («Erlkönig») als Marlene Kupfer
Jörg Hartmann («Tatort – Dortmund») als Falk Kupfer
Anna Loos («Nacht über Berlin») als Vera Kupfer

Kritik


Eigentlich ist es ein Skandal: Geschlagene drei Jahre hat es gedauert, bis es die zweite Staffel von «Weissensee» ins Fernsehen schafft. Sicher: Qualität braucht seine Zeit. Und mit den Sendeplätzen ist es in der ARD ja auch nie so ganz einfach. Aber dass man eine der wenigen deutschen Serien, die nahezu ohne Abstriche funktioniert, so lange in der Warteschleife hält, ist eine öffentlich-rechtliche Zumutung.

Ein kleines bisschen stimmig ist es aber sogar – schließlich spart die Narrative am Staffelübergang sechs Jahre aus und setzt die Handlung im Jahr 1987 fort, in der Phase des letzten Aufbäumens der DDR. Ob diese Ellipse ein richtiger Schritt ist? Darüber ließe sich streiten. Ein wirklicher Schaden, den die Dramaturgie davon erleiden würde, lässt sich nicht ausmachen. Eher erlaubt es dieser Zeitsprung, die Handlung mit verdichteteren Konflikten fortzusetzen.

Auch die erste Folge der zweiten Staffel erzählt dabei in gewohnter Weise angenehm entschleunigt, lässt sich Zeit für filigrane Figurenzeichnungen, findet einen stimmigen Rhythmus zwischen Charakterdrama und eher handlungszentrischen Szenen, der im deutschen Serienbereich seinesgleichen sucht.

Gleichzeitig ist es nach wie vor beachtlich, wie arm an Melodram der Stoff umgesetzt wird, ohne unnötige Überdrehungen, ohne billiges Emotionalisieren, ohne aufgesetzte Plumpheiten. Man fängt fast an zu verzweifeln: Denn wenn man «Weissensee» sieht, merkt man erst wieder, wie grauenhaft ein großer Teil des deutschen Fernsehfilm- und Serienvolumens ausfällt. «Weissensee» ist der Beweis dafür, dass es eine deutsche Serie im Stil von «Mad Men» durchaus geben könnte. Anders natürlich, nicht so cool, nicht so jovial, nicht so amerikanisch, sondern eben deutsch. Aber der Grad an narrativer Raffinesse, die exakten Figurenzeichnungen, das unglaublich nahegehende Spiel der Darsteller in «Weissensee» lässt Hoffnung aufkommen.

Unfassbar, wie Jörg Hartmann zwischen dem verängstigten, zartfühlenden Privatmann und dem STASI-Monster alternieren kann, ohne in Unglaubwürdigkeiten zu tappen. Bemerkenswert, wie nahegehend und doch unaufdringlich Katrin Sass ihre verzweifelte, aber doch starke Figur anlegt und diese scheinbaren Widersprüche wunderbar sinnig auflösen kann. Beachtlich, wie Hannah Herzsprung die geschundene Idealistin abseits jeglicher Klischees darstellt.

Neben «Verbrechen» und «Zeit der Helden» ist die neue «Weissensee»-Staffel die deutsche Must-See-TV-Serie des Jahres.

Das Erste zeigt sechs neue Folgen von «Weissensee» ab dem 17. September dienstags um 20.15 Uhr.
16.09.2013 12:46 Uhr Kurz-URL: qmde.de/66136
Julian Miller

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