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Der Fernsehfriedhof: Die 500 Mark– Ekel-Show

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 253: Der „neue Höchststand in der Ekel-Skala für Fernsehshows“.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir der Frage, wie weit Menschen für 500 DM gehen.

«Ca$hman» wurde am 08. Februar 1997 bei RTL II geboren und entstand zu einer Zeit, als der Sender verzweifelt auf der Suche nach einer erfolgsversprechenden Positionierung und funktionierenden Konzepten war. Zuvor hatten Geschäftsführer Rudolf-Markus Reischl und Programmchef Harry Goering bereits zahlreiche Qualitäts- und Programmoffensiven durchgeführt, die aber allesamt nicht zünden wollten. Beispielsweise versuchte man sich im Oktober 1995 unter dem Label «Die jungen Wilden» an der Produktion hochwertiger Spielfilme, die zwar teilweise renommierte Auszeichnungen gewinnen konnten, aber nicht zum restlichen Programm passten. Dann schlug eine im Fahrwasser von «Bravo TV» angestrebte Ausrichtung auf Teenager mit Sendungen wie «Alle zusammen - Jeder für sich» , «Wildfang - Der Teenie-Talk» und der täglichen Hitparade «Chartbreaker» fehl. Selbst das aufwendig gestaltete On-Air-Desgin des Kanals, das die Wiener Agentur DMC mit dem Künstler Neville Brody entworfen und mit seinen zweidimensionalen Flächen und schwarzen Hintergründen als "Look der kommenden Jahre" angepriesen hatte, brachte keine nennenswerte Verbesserung der Marktanteile.

In ihrer augenscheinlichen Verzweiflung stießen die Verantwortlichen schließlich auf ein umstrittenes holländisches Format, welches nicht nur das Potential aufwies, um für Aufsehen sorgen zu können, sondern zugleich äußerst billig herzustellen war. Inhalt der halbstündigen Show war es nämlich, einfache Bürger durch Geld zu extremen, meist ekeligen Mutproben zu überreden. Entsprechend lautete ihr Slogan: „Verrückte Wetten um jeden Preis.“ Allerdings war diese Formulierung etwas irreführend, denn der Preis stand stets von vornherein fest und betrug konstant 500 DM. Im Kern wurde also getestet, was Menschen alles für 500 DM und die Aussicht ins Fernsehen zu kommen über sich ergehen lassen.

So sollten sie ein Bierglas austrinken, an dem zuvor 50 fremde Menschen genippt hatten oder Sekt aus einem schweißigen Damenschuh trinken oder nackt durch eine Autowaschanlage laufen oder den Kopf in einen Eimer voll Ketchup stecken oder eine große Portion Hundefutter essen. In der Auftaktfolge ließ sich eine Person sogar dazu überreden, den Handlauf einer öffentlichen Rolltreppe minutenlang abzulecken. Diese Aktion wurde vom Sender nicht nur breit beworben, sondern sorgte auch für die größten Aufreger, denn sie wurde in sämtlichen Kritiken aus jener Zeit als markantes Beispiel für den allgemeinen Verlust von Selbstachtung und Menschenwürde herangeführt. Die Berliner Zeitung bezeichnete das Programm gar als „neuen Höchststand in der Ekel-Skala für Fernsehshows“ – noch nicht wissend, dass mit Formaten wie «Ihr seid wohl wahnsinnig!», «MTV Freak Show», «Fear Factor» und «Ich bin ein Star, holt mich hier raus!» die eigentliche Welle solcher Konzepte noch bevorstand.

Allen Unappetitlichkeiten zum Trotz fanden sich ausreichend Kandidaten, die bereit waren, an den Prüfungen teilzunehmen. Erschwerend kam für sie hinzu, dass sämtliche Aufnahmen nicht in einem anonymen Studio, sondern in Fußgängerzonen entstanden, sodass sich stets auch Dutzende Schaulustige um die Aktionen versammelten. Überredet wurden die freiwilligen Opfer vom Moderationsduo Georg Holzach und Elisabeth Darius, die tapfer versuchten gegen die grenzwertigen Spiele mit Ironie und Übertreibung anzukämpfen. Während die in Deutschland noch unbekannte Elisabeth Darius dabei eher als Assistentin fungierte, verkörperte Holzach den titelgebenden „Ca$hman“ und stand damit im Zentrum der Show. Interessanterweise verfügte er zum damaligen Zeitpunkt bereits über umfangreiche Fernseherfahrungen und stand zwischen 1994 und 1996 für die angesehenen Jugendmagazine «100 Grad» und «Live aus dem Alabama» vor der Kamera.

Trotz kalkuliertem Aufschrei in der Presse und einer entsprechenden Aufmerksamkeit zum Start, blieben die erreichten Sehbeteiligungen selbst für den Samstagvorabend gegen 18.00 Uhr derart enttäuschend, dass die Produktion schnell wieder verschwand und damit die ersehnte Trendwende für die TV-Station ebenfalls nicht herbeiführen konnte.

«Ca$hman» wurde im März 1997 beerdigt und erreichte ein Alter von knapp zwei Monaten. Die Show hinterließ den Moderator Georg Holzach, der seine Teilnahme an ihr wohlweißlich aus dem Lebenslauf verbannte und kurz darauf das Kinomagazin «Cinema TV» bei ProSieben präsentierte. Später war er in der Redaktion von «Galileo» beschäftigt und führte zwischen 2001 und 2009 durch das tägliche Boulevard-Magazin «Main Tower» vom Hessischen Rundfunk. Aktuell ist er hauptsächlich als Event-Host auf Messe-Veranstaltungen sowie als Moderations-Coach tätig. Die Idee, Passanten zu Ekel-Aufgaben zu überreden, wurde später übrigens sowohl von MTV mit «I Bet You Will» als auch von 9Live mit «Schürmanns Gebot» in kurzlebigen Varianten noch einmal aufgegriffen.

Möge die Show in Frieden ruhen!

DDie nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einer bunten 90er-Jahre-Euro-Dance-Music-Show.
29.08.2013 11:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/65742
Christian Richter

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