Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 251: Der Kampf gegen amoklaufende Hellseher, seelenwandernde Fremdenlegionäre und unsterbliche NS-Generäle.
Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir der nach eigenen Angaben „ersten deutschen Mysteryserie“.
«Operation Phoenix - Jäger zwischen den Welten» wurde am 28. Oktober 1997 bei RTL geboren und entstand zu einer Zeit, als ein enormer Mysteryboom das weltweite Fernsehprogramm beherrschte. Ausgelöst wurde dieser durch den überraschenden Erfolg der Serie «Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI», der bald viele Nachahmer wie «Psi Factor», «Dark Skies», «Millennium», «X-Factor – Das Unfassbare» oder die Neuauflage von «Outer Limits» folgten. Weil all diese Produktionen auch nach Deutschland kamen und teilweise ebenfalls einen hohen Zuspruch genossen, entwickelten auch hiesige Programmverantwortliche Pläne, eigene Konzepte dieser Art umsetzen zu wollen. Anfangs erfolgte dies noch anhand „echter“ paranormaler Phänomene, die in den ebenso zweifelhaften wie erfolglosen Shows
«Talk X» (ProSieben) und
«Mysteries» (RTL) vorgestellt wurden.
Zeitgleich werkelte RTL bereits an eigenen, fiktiven Stoffen rund um übersinnliche Thematiken. So brachte der Kanal zunächst den auf einer Romanserie basierenden Fernsehfilm
«Geisterjäger John Sinclair» im April 1997 auf den Schirm. Mit 5,50 Millionen Zuschauern sowie einem Marktanteil von 27 Prozent in der Zielgruppe wurde dieser nicht nur äußerst erfolgreich, sondern auch als erster Durchbruch auf dem Sektor gefeiert. Doch als in der Woche darauf der gruselige Episodenfilm «Geisterstunde – Fahrstuhl ins Jenseits» mit 3,85 Millionen Menschen nur noch passabel abschnitt, wurden die euphorischen Erwartungen schnell wieder ausgebremst.
Dennoch ließ man sich nicht davon abbringen, eine eigene Mysteryserie etablieren zu wollen, wenngleich jene Rückschläge die Risikobereitschaft deutlich mindern ließ. So entschloss man sich schlicht dazu, die noch immer äußerst beliebte US-Reihe «Akte X» fast unverändert zu kopieren. Wie bei der Vorlage stand daher im Zentrum der Handlung eine Sondereinheit, die sich mit denjenigen Vorfällen befasste, bei der ordinäre Polizisten nicht weiter kamen. Weil es in Deutschland jedoch an einer vergleichbaren Behörde wie dem amerikanischen FBI mangelte, unterstand das Team direkt dem Bundesministerium für Inneres, das entsprechend mit den Buchstaben „BMI“ abgekürzt wurde.
Eine weitere, geringfügige Abweichung bestand auch darin, dass die heimischen Phänomene nicht von einem Ermittlerduo wie bei Agent Scully und Mulder, sondern stattdessen von einem Trio untersucht wurden. Doch auch unter ihnen gab es sowohl bereitwillige Gläubige als auch einen Skeptiker, der stets versuchte, die Beobachtungen rational zu erklären. Die Beamten Mark Pohl, Kris Mertens und Richard Lorentz wurden dabei von den damals weitestgehend unbekannten Darstellern Dirk Martens, Alana Bock und Robert Jarczyk verkörpert. Ob der Name ihres Teams „Phoenix“ in einem ursächlichen Zusammenhang mit der ausführenden Produktionsfirma Phoenix Film stand, konnte (passend zum Genre) nie geklärt werden.
So wie sich das Drehbuch kaum ein Wagnis erlaubte, zeigte sich auch RTL vorsichtig und orderte zunächst nur eine 45minütige Pilotfolge, die bei einem erfolgreichen Test als Grundlage für eine anschließende Serienproduktion dienen sollte. Der Probelauf verlief im Oktober 1997 am Dienstagabend um 21.15 Uhr mit 3,71 Millionen Zuschauern zwar nicht überragend, aber offenbar ausreichend gut genug um den versprochenen Auftrag tatsächlich auszusprechen.
Die drei Ermittler, die in ihrer Sondereinheit erstaunlich weitreichende Befugnisse genossen, untersuchten daher viele weitere Erscheinungen und ließen dabei kaum ein Horror- und Mysteryklischee aus. Beispielsweise trafen sie auf entfesselte Pharaonen aus alten Sarkophagen, auf unheimliche Wesen, die Kinder entführten, auf geheimnisvolle Riten, in denen Babys geopfert wurden, auf blutrünstige Racheengel, die den Verstoß der Zehn Gebote ahndeten und auf mürrische Kelten, deren Ruhestätte entweiht wurde. Sie ließen sich außerdem von optisch identischen Klonen verwirren und von gerechtigkeitssuchenden Poltergeistern helfen. Zudem waren sie mit einer hellsichtigen Frau konfrontiert, welche die Folgen der Entwicklung eines Krebsheilmittels vorausgesehen hatte und daraufhin Amok lief sowie mit einem verstorbenen Fremdenlegionär, der seine Verräter mittels Seelenwanderung mit dem Tode bestrafen wollte. In einer Episode wurde gar ein deutsches Wehrmachts-U-Boot aus dem Zweiten Weltkrieg samt NS-Besatzung durch eine Untiefe im Meer in die Gegenwart befördert. Kurz, die Mitglieder der BMI-Sondertruppe hatten einen abwechslungsreichen Arbeitsalltag. Wie auch bei «Akte X» konnten die Fälle jedoch nie vollständig aufgeklärt werden, sodass stets ein „Rest-Geheimnis“ verblieb.
Zwischen der Testfolge und der Ausstrahlung der ersten Staffel sollten allerdings rund anderthalb Jahre vergehen, denn ihre Premiere erfolgte erst am 21. Januar 1999. Am Donnerstagabend um 21.15 Uhr fiel die Sehbeteiligung mit einem Wert von 2,90 Millionen Menschen gegenüber dem Piloten deutlich schlechter aus. Dies lag einerseits in der durch zahlreiche Varianten einsetzenden Übersättigung des Genres und andererseits in der Qualität der Serie selbst begründet. Viele Journalisten störten sich damals an ihrer allzu großen Ernsthaftigkeit und vermissten angesichts der albernen Geschichten eine ironische Grundstimmung, die auch den Charme der Vorlage ausgemacht hätte.
Als die Reichweite für die zweite Episode noch einmal deutlich auf 2,65 Millionen Zuschauer absank, reagierte der damals noch frische RTL-Chef Gerhard Zeiler rasch und verbannte das Machwerk ins Archiv. Dort verharrte es rund drei Monate, bevor die restlichen Ausgaben am späten Donnerstagabend um 23.15 Uhr nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit versendet wurden. Eine zweite Staffel folgte (wenig überraschend) nicht mehr.
«Operation Phoenix – Jäger zwischen den Welten» wurde am 08. Juli 1999 beerdigt und erreichte ein Alter von elf Folgen (inklusive Pilot). Die Serie hinterließ den Hauptdarsteller Dirk Martens, der anschließend einige wiederkehrende Rollen in «Klinikum Berlin-Mitte», «Alarm für Cobra 11» und «Edel & Starck» sowie eine Hauptrolle im Krimiformat «SK Kölsch» hatte. Robert Jarczyk war später zeitweise als Teil des Hauptcasts der Reihen «St. Angela» und «Anna und die Liebe» zu sehen, während Alana Bock nur noch kleinere TV-Rollen übernahm. So ganz war RTL nach dem Flop vom Mysteryfieber noch nicht geheilt, denn im Januar 2000 schickte der Kanal noch eine komplette Staffel um den «Geisterjäger John Sinclair» ins Programm, die sich jedoch ebenfalls zu einem Misserfolg entwickelte.
Möge die Serie in Frieden ruhen!
Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einer oberaffengeilen Tiershow in Sat.1.