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Wolverine und die träge Dramatik des Kriegers

Kritik des Monats: Regisseur James Mangold spendiert mit «Wolverine – Weg des Kriegers» dem populärsten aller X-Men seinen zweiten Solo-Film. Das Ergebnis übertrifft zwar Wolverines vergangenen Einzelfilm, reicht aber nicht an die besten «X-Men»-Abenteuer heran.

Die «X-Men»-Filme in den deutschen Kinos

  • «X-Men» (2000): 2,37 Mio. Besucher
  • «X-Men 2» (2003): 2,09 Mio. Besucher
  • «X-Men – Der letzte Widerstand» (2006): 1,59 Mio. Besucher
  • «X-Men Origins: Wolverine» (2009): 1,01 Mio. Besucher
Die «X-Men»-Kinoreihe machte innerhalb von 13 Jahren allerlei Höhen und Tiefen durch. Bryan Singers Kinofilm aus dem Jahr 2000 ebnete den Weg für moderne Superhelden-Blockbuster, drei Jahre später schloss die Fortsetzung nahtlos am beliebten Vorgänger an. 2006 erhielt die Reihe dann mit Brett Ratners «X-Men: Der letzte Widerstand» einen dramaturgisch unausgereiften (vorläufigen) Abschluss, eh «X-Men Origins: Wolverine» drei weitere Jahre später durch sein lahmes Skript und seine chaotische Inszenierung die stolze Mutantensaga weiter in den Dreck zog. Die Rettung kam 2011 in Form von Matthew Vaughns famoses Prequel «X-Men: Erste Entscheidung», welches allerdings auf eine größere Präsenz des populärsten Mitglieds der titelgebenden Heldentruppe verzichten musste. Hugh Jackmans Wolverine sollte dafür einen zweiten Solo-Film erhalten, um für «X-Men Origins: Wolverine» zu entschädigen. Hauptdarsteller Jackman setzte sich mit seiner Starpower (gestärkt durch seine zusätzliche Rolle als Produzent) für diesen Stimmungswechsel ein und kämpfte auch dafür, Chris Claremonts & Frank Millers gefeierte Wolverine-Erzählung von 1982 als Vorlage zu nehmen.

Jackmans Engagement ist «Wolverine – Weg des Kriegers» auch zu weiten Teilen anzumerken. Der Oscar-nominierte Darsteller ist muskelbepackter denn je und zeigt sich in den Actionszenen von seiner bislang agilsten Seite. Darüber hinaus ruht sich Jackman dieses Mal nicht auf der Coolness seiner Rolle aus, sondern lotet in ausgedehnten Charaktermomenten auch die dunklen Seiten von Wolverines Seele aus. Insoweit verspricht die neue Regiearbeit von James Mangold («Todeszug nach Yuma»), sich Seite an Seite mit den besten «X-Men»-Filmen einzureihen. Doch einige Schnitzer drücken das Potential dieser Comicadaption und sorgen dafür, dass sie schlussendlich in einer Grauzone zwischen dem beeindruckenden «X-Men: Erste Entscheidung» und dem lahmen «X-Men Origins: Wolverine» landet …

Vom Tod seiner großen Liebe Jean Grey zutiefst verletzt, hat sich Logan alias Wolverine zurückgezogen, um ein karges Eremitenleben zu führen. Doch so sehr er dem Kriegerdasein auch abgeschworen hat, kann er seinen Drang, für Gerechtigkeit zu kämpfen, nicht abstreifen. Als er eines Tages einem selbstgefälligen Jäger die Leviten lesen will, trifft Logan auf Yukio (Rila Fukushima), eine kleine, flinke und energische Kämpferin, die den Auftrag hat, den Mutanten zu einem alten Bekannten zu bringen: Industriemagnat Yashida (Hal Yamanouchi). 1945 rettete Logan Yashida während des Atombombenangriffs auf Nagasaki das Leben und verdiente sich so die ewige Dankbarkeit des stolzen Mannes, der ihm nun ein sonderbares Angebot macht. Yashida behauptet, einen Weg gefunden zu haben, Logan von seinen Selbstheilungskräften zu befreien und ihn so von seiner Bürde eines ewigen, trostlosen Lebens zu befreien. Noch bevor sich Logan in aller Ruhe Gedanken über diese Möglichkeit machen kann, stirbt Yashida jedoch, wodurch seine kluge und zurückhaltende Enkelin Mariko (Tao Okamoto) zur neuen Konzernchefin des Yashida-Imperiums aufsteigt. Dies lässt sie ins Visier tödlicher Yakuza rücken – und schon fühlt sich Logan wieder in der Pflicht, fürs Recht einzustehen …

Regisseur Mangold und die Drehbuchautoren Mark Bomback, Scott Frank und Christopher McQuarrie bemühen sich zu Beginn ihres Superhelden-Actiondramas, eine Stimmung zu erzeugen, die an Christopher Nolans Trilogieabschluss «The Dark Knight Rises» erinnert. Von früheren Rückschlägen und den Schattenseiten seiner Heldenpflichten zermürbt, führt Wolverine ein tristes Leben voller Selbstmitleid und Albträumen. Es ist ein das Heldentum in Frage stellender Einstieg in den Film, der sich bewusst gegen die spaßige und abenteuerliche Aura der meisten anderen Marvel-Filme stellt. Im Gegensatz zum DC-Comichelden Batman plagen Wolverine aber mystische Dämonen: Als Schatten seiner selbst sinniert er, wie leidvoll es ist, nicht sterben zu können – ist er so doch gezwungen, mitanzusehen, wie alle, die er liebt, dahinscheiden.

Das uralte, immer wieder reizvolle Klagelied des einsamen Unsterblichen ist ein komplexes sowie emotionales Thema, das sich logisch aus der Figur Wolverines ergibt und sich somit perfekt für einen dramatischeren Solo-Film mit dem beliebten Helden anbietet. Dass die Macher hinter «Wolverine – Weg des Kriegers» daran scheitern, einen so dringlichen Einstieg in die Superheldenmisere zu finden wie Nolan in «The Dark Knight Rises», lässt sich daher verschmerzen, zumal sie es ruhiger angehen lassen und nicht sofort eine derart klar erkennbare Bedrohung wie Bane einführen. Stattdessen ist eingangs allein Logans inneres Dilemma die Antriebsfeder der Handlung – umso enttäuschender, dass sich dieses im Laufe der wendenreichen Story einfach so in Rauch auflöst. Kaum muss Logan den Beschützer für Mariko spielen, stellt sich nicht weiter die Frage, welches Leid ihm seine Gabe zufügt. Im Fokus steht ab dann nur noch ein Katz-und-Maus-Spiel, das Wolverine, Mariko und Yukio quer durch Japan führt.

Vereinzelte Charaktermomente erinnern im weiteren Verlauf des Films zwar an die dunkelgraue Mentalität, die zu Beginn etabliert wurde, aber Logans Selbstzweifel erscheinen nur noch von reichlich trivialer Natur. Schuld daran ist eine klischeebeladene Romanze, die selbst als Nebenplot nicht ausreichend ergründet wird und der zudem jegliche Leinwandchemie abhanden kommt. Außerdem werden Logans Traumata von zahlreichen Twists an den Rand gedrängt, die zwar die Handlung vorantreiben, jedoch auch äußerst undurchsichtig sind. Wer warum auf wessen Seite ist, scheinen die Drehbuchautoren bloß ausgewürfelt zu haben und eine der raren Konstanten im Film, die Femme fatale Viper (Svetlana Khodchenkova), profitiert zwar von einer amüsant-boshaften Performance, hat dafür jedoch keinerlei nennenswerte Motivation. Dies zählt zu den ärgsten Problemen von «Wolverine – Weg des Kriegers». Denn was in einem kunterbunten, rasanten Comic-Actioner noch durchgeht, ist in einem sich als ernst, dramatisch und nachdenklich verkaufenden Film wie diesem schwer zu verzeihen.

Auch inszenatorisch ist «Wolverine – Weg des Kriegers» eher durchwachsen geraten. James Mangold ist ein Regisseur mit umfassenden filmischen Wissen und großer Passion für das Nippon-Setting, was man seinen vereinzelten Referenzen an Filme wie «13 Assassins», «Chungking Express» oder «Das Banner des Samurai» erkennen kann. Dem geneigten Zuschauer dürften etwa die liebevoll-altmodischen Setbauten auffallen, sei es das traditionelle Heim Yashidas oder ein verschneites Bergdorf, in dem Wolverine von einer Truppe Ninjas angegriffen wird. Von den eigenständigen Szenen sticht derweil einzig ein Duell auf dem Dach eines Hochgeschwindigkeitszug hervor, das mit einer einfallsreichen Kampfchoreographie auftrumpft. Das große Finale dagegen oder auch Wolverines Albträume wirken aufgrund ihres langweiligen Looks und ihres schleppenden Tempos lustlos abgedreht.

Fans von Hugh Jackman und/oder seiner Rolle des Wolverine kommen in «Wolverine – Weg des Kriegers» dennoch auf ihre Kosten, immerhin erfindet sich der durchtrainierte Australier als Actionheld neu. Jackman holt außerdem alles aus den teils schwach geschriebenen dramatischen Sequenzen raus und trifft natürlich wieder bei jedem coolen Onelinger den Nagel auf den Kopf. Darüber hinaus erhalten geduldige Zuschauer im Abspann eine viel versprechende Vorschau auf das, was das «X-Men»-Universum noch zu bieten hat. Gelegenheitszuschauer und Neueinsteiger in die «X-Men»-Reihe sollten derweil besser auf den Kinobesuch verzichten und zunächst die Vorgängerfilme nachholen – vom desaströsen «X-Men Origins: Wolverine» natürlich abgesehen.

«Wolverine – Weg des Kriegers» ist ab dem 25. Juli 2013 in zahlreichen deutschen Kinos zu sehen.
24.07.2013 12:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/65097
Sidney Schering

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