Zombiehorror für die ganze Familie? «World War Z» geizt zwar mit expliziter Gewaltdarstellung, weiß aber auch positiv zu überraschen.
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«World War Z» dürfte in erster Linie zwei potentielle Zuschauergruppen verprellen. Die erste wären die wirklich eingefleischten Fans der Buchvorlage. Deren Autor Max Brooks beleuchtet darin die weltweite Zombieseuche in Form von mehreren vermeintlichen Augenzeugenberichten unterschiedlicher, auf verschiedene Weise mit der allgegenwärtigen Bedrohung in Berührung gekommener Menschen. Die Leinwandadaption wirft dieses Konzept nun komplett über den Haufen und stellt stattdessen einen einzelnen Protagonisten in den Mittelpunkt, sodass bis auf den Originaltitel und eine gewisse Vermittlung der Globalität der Problematik von Brooks’ Werk im Grunde nicht mehr viel übrig geblieben ist. Der Fokus der Filmhandlung liegt hier alleinig auf dem von Brad Pitt gewohnt souverän verkörperten, wenn auch charakterlich sehr flach bleibenden Gerry, dessen Reise, mitsamt den manchmal etwas holprig und unglaubwürdig miteinander verknüpften Stationen, der Zuschauer miterlebt.
Das zweite von der Grundthematik gegebenenfalls angesprochene, vom filmischen Endergebnis aber wahrscheinlich enttäuschte Rezipientenlager dürfte sich ausgerechnet aus leidenschaftlichen Anhängern des Zombiegenres zusammensetzen. Mal ganz davon abgesehen, dass es sich auch hier bei den Infizierten gemäß „klassischer“ Genreregeln eigentlich nicht um Zombies in Reinkultur handelt (obwohl der Begriff sogar direkt innerhalb der Handlung benutzt wird), lässt der Film ein essentielles Element theoretisch artverwandter Werke vermissen: die explizite Gewaltdarstellung, welche zum ernsthaften Zombiefilm dazu gehört wie das Fleisch zum Burger. Es könnte auf dem Papier vielleicht auch ohne funktionieren, schmeckt in der Praxis aber irgendwie nicht richtig.
Dies ist dabei keineswegs im Sinne einer ungezügelten Blutrünstigkeit, sondern schlicht und ergreifend als Wertschätzung eines bedeutsamen Stilmittels zu verstehen, kann die Visualisierung von Brutalität hier doch gerade dazu dienen, den Schrecken und das Grauen der unvorstellbaren Vorkommnisse in deren vollem Ausmaß zu verdeutlichen und so eine gewisse beklemmende und intensive Grundstimmung aufzubauen, durch welche die Bedrohung wesentlich greifbarer wäre. Von der angeführten Problematik betroffen ist auch der vergleichsweise harmlose Einsatz des Zombie-Make-Ups, welcher beispielsweise meilenweit hinter der ausgezeichneten und oftmals furchteinflößenden Arbeit der Maskenabteilung von «The Walking Dead» zurückbleibt.
Wie eingangs schon erwähnt, macht die Ausrichtung auf die lukrativere US-amerikanische Altersempfehlung ab 13 Jahren all dem einen Strich durch die Rechnung, obgleich diese wohl voll ausgereizt wurde (In Deutschland ist «World War Z» immerhin ab 16 Jahren freigegeben.). Bei einem Produktionsbudget von rund 200 Mio. US-Dollar wird lieber kein Risiko eingegangen, sondern der Gewinn mithilfe der problemlosen Einbeziehung eines breiteren Publikums maximiert. Dabei ist es eine Sache, wenn grundsätzlich mit übermäßigen Gewaltspitzen gegeizt wird. Wenn allerdings entsprechende Geschehnisse tatsächlich stattfinden und sogar von den agierenden Figuren direkt wahrgenommen werden, lediglich die Kameraführung oder der Schnitt dem Zuschauer allerdings ganz bewusst und überdeutlich den Blick darauf verwehrt, nimmt das Ganze schon regelrecht ärgerliche Züge an. Im schlimmsten Fall lenkt dieses Sichtbarwerden außerfilmischer Entscheidungen mitunter gar völlig von der Handlung ab.
Letztere bekleckert sich hinsichtlich ihrer Originalität aber auch nicht gerade mit Ruhm und liefert obendrein nur wenig Antworten auf aufgeworfene Fragen. Gerade angesichts des filmischen Zombie-Overkills, wäre etwas mehr Einfallsreichtum wünschenswert gewesen. Abgesehen von einem kleinen Kniff am Ende, beschränken sich die frischen Ideen noch am ehesten auf das gelegentliche Verhalten der Zombiehorden als eine Art rasender Schwarm. Die dabei aufkeimende interessante Dynamik und Opulenz wird jedoch mehr als einmal durch einen allzu deutlichen, da nicht immer überzeugenden Einsatz von Computereffekten gestört. Da sich die Gesamtdauer solcher Massenszenen allerdings noch in Grenzen hält, findet dies glücklicherweise längst nicht so exzessiv statt, wie es die Trailer im Vorfeld eventuell vermuten ließen. So setzt «World War Z» erfreulicherweise und insbesondere im starken letzten Drittel auch auf ausgedehntere Passagen ohne übertriebene Action, in denen spannungsgeladene Momente groß geschrieben werden und die auch dank wohl dosierter Schockeffekte bestens funktionieren. Wenn die Zombies plötzlich Richtung Kamera springen, entfaltet auch der ansonsten eher unauffällige 3D-Effekt seine volle, kurzzeitig Herzrasen verursachende Wirkung.
Bei «World War Z» überzeugt daher weniger das große Gesamtbild als vielmehr die teils wirklich gelungenen Einzelszenen. Trotz der angesprochenen und bisweilen überaus hinderlichen Defizite, allen voran die überdeutlichen Restriktionen durch eine niedrigere Altersfreigabe, ist es Marc Forster und seinem Team am Ende gelungen, von Beginn an ein rasantes Tempo zu fahren und dabei nur wenige Verschnaufpausen zu lassen. Innerhalb ihrer Möglichkeiten haben sie letztlich doch oft die richtigen Entscheidungen getroffen, was vor allem die übertriebenen und mitunter verbesserungswürdig animierten Massenszenen betrifft, welche die Marketingkampagne dominiert haben. Mehrere äußerst spannend aufgebaute Passagen und Brad Pitts durchweg tadelloses Spiel machen den Film im Hinblick auf seine krisengeplagte Produktionsgeschichte am Ende durchaus zu einer recht positiven Überraschung. «World War Z» mag zwar nicht als waschechter Zombiegenrefilm funktionieren, als unterhaltsamer und massentauglicher Sommerblockbuster aber sicherlich allemal.
«World War Z» ist ab dem 27. Juni in den deutschen Kinos zu sehen.