Pixar zeigt in seiner neusten Kino-Produktion, wie das Studentenleben in der Monsterwelt aussieht.
Die größten Pixar-Hits in Deutschland
- «Findet Nemo» (2003): 8,8 Mio. Besucher
- «Ratatouille» (2007): 6,1 Mio. Besucher
- «Das große Krabbeln» (1999): 3,6 Mio. Besucher
- «Die Unglaublichen» (2004): 3,5 Mio. Besucher
- «Die Monster AG» (2002): 3,3 Mio. Besucher
Was ist bloß mit Pixar los? Das beliebte und erfolgsverwöhnte Trickstudio aus Emeryville genoss von 1995 bis 2010 einen perfekten Lauf – von «Toy Story» bis «Toy Story 3» brachten die mittlerweile einen festen Teil des Disney-Konzerns darstellenden Animationskünstler eine kurzweilige und beseelte Geschichte nach der anderen in die Kinos. Selbst der oft geschundene Merchandising-Kracher «Cars» aus dem Jahr 2006 ist vergnüglicher und hat mehr Persönlichkeit als sein Ruf besagt. 2011 folgte dann der erste künstlerische Totalausfall: Die actionreiche, auf sehr flachen Humor und eine missverständliche Moral setzende Fortsetzung «Cars 2» brachte Pixar seine erste ausgewachsene Kritikerschelte ein und treibt vielen erwachsenenen Pixar-Fans auch zwei Jahre nach Kinostart die Zornesröte ins Gesicht. Das Schottenmärchen «Merida – Legende der Highlands» fand dank seiner kessen Protagonistin und atmosphärischen Hintergründe 2012 dann wieder mehr Freunde und heimste unter anderem den Academy Award für den besten Animationsfilm ein. Gleichwohl erarbeitete sich das Abenteuer mit seinem unsteten Tonfall, seinen rasch gelösten Konflikten und seinem Übermaß an flachem Slapstick auch sehr erbitterte Gegner.
Es scheint, als wäre man bei Pixar nach Abschluss der «Toy Story»-Trilogie in eine Ära der Blödelei abgerutscht. Nach schalen Auto-Agentenwitzen und dumm rumtollenden Bären bringt das Trickstudio nun nämlich seine ganz eigene Version einer College-Komödie auf die Leinwand – in Form eines Prequels zu «Die Monster AG». Den Anspruch und die Herzlichkeit eines «Ratatouille», «WALL•E» oder «Findet Nemo» sucht man in dieser monströsen Studentengeschichte lange Zeit vergeblich, doch der Humor von «Die Monster Uni» ist kreativer als bei den beiden vorangegangenen Pixar-Kinofilmen. Selbst wenn der Film über sehr weite Strecken allein von seinem Humor lebt, und nicht wie frühere Werke des Studios von den Figuren, der Handlung und den behandelten Themen, so kehrt tatsächlich das wohlige Pixar-Flair zurück. Wenn sich Pixar derzeit in seinen Blödeljahren befinden sollte, so ist «Die Monster Uni» der (vorläufige?) qualitative Höhepunkt dieser kritischen Ära.
Das Story-Grundgerüst erzählt vom kugelrunden, kleinen Monster Mike Glotzkowski (der fröhliche Sidekick aus «Die Monster AG») und seinem großen Lebenstraum: Seit Grundschultagen sehnt sich Mike danach, auf der Monster Universität das Studium der „Schreckologie“ zu absolvieren und mit diesem Abschluss in der Tasche zur Monster AG zu gehen. Dort würde er, so malt Mike es sich zumindest aus, der tollste von allen Erschreckern werden. Erstmal in den heiligen Hallen der Monster Universität angekommen, muss der Bücher büffelnde, frohgemute Mike allerdings einsehen, dass man ihm wegen seiner fidelen Art nicht den nötigen Respekt entgegenbringt. Die angesehensten der Studentenverbindungen weigern sich, ihn zu beachten, und seine Kommilitonen springen äußerst abfällig mit ihm um. Seinen Erzfeind findet Mike in James P. Sullivan (der charismatische Protagonist aus «Die Monster AG»), einem selbstverliebten Monster mit stattlicher Statur und einem Familienhintergrund, der selbst die strengsten Dozenten vor Ehrfurcht erstarren lässt. Zwischen Streber-Mike und Schnösel-Sully entsteht ein erbitterter Wettstreit, der dermaßen außer Kontrolle gerät, dass die beiden Monster bei Dekanin Hardscrabble in Ungnade fallen. Um sich die studentische (und berufliche) Zukunft nicht zu verbauen, bleibt den voneinander entnervten Gegnern nur eins: Sie müssen zusammenarbeiten, damit sie eine die arrogante Dekanin austricksende Wette gewinnen …
Coole Party-Studenten gegen wohlhabende Faulenzer gegen spießige Streber; Studenten gegen Lehrpersonal: Autor/Regisseur Dan Scanlon und seine Co-Autoren Daniel Gerson & Robert L. Baird orientieren sich in «Die Monster Uni» unverhohlen an kultigen Studentenkomödien wie «Animal House» oder «Die Rache der Eierköpfe» und zelebrieren mit Genuss das studentische Partyleben, semi-offizielle Uni-Wettbewerbe und die bunten Klischees, die man aus Filmen oder vom Campus kennt. Unter der Pixar-Dachmarke geht es zwar, anders als bei den 80er-Komödienerfolgen, ziemlich züchtig zu, dafür schaffen die Mitglieder der ins Straucheln geratenen, kalifornischen Traumfabrik mit ihrem Ideenreichtum und zahllosen visuellen Randgags eine knuffige, in sich schlüssige Monster-Parallelwelt. Allein schon, um sämtliche Details des Monster-Campus auf einer Riesenleinwand ausfindig machen zu können, lohnt sich ein Besuch im Kino.
Mehr noch als die findigen Ideen, die in den technisch brillanten, strahlenden Hintergründen versteckt sind, tragen aber die liebenswerten Figuren den Humor von «Die Monster Uni»: Während Mike und Sully (im Original mit großem Engagement von Billy Crystal und John Goodman gesprochen, in der deutschen Fassung nicht minder stark von Ilja Richter und Reinhard Brock) zunächst als Feinde, später als Kumpel ihr Studentenleben vollziehen, begegnen ihnen zahlreiche urkomische Archetypen, die nicht nur Komödien-Stereotypen gewitzt in die Monsterwelt übersetzen, sondern durch ihr Persönlichkeit ausstrahlendes Design und die nahezu durchgehend vortrefflichen Sprecherbesetzungen ein humoriges Eigenleben gewinnen. Einzig der monoton dahingekeuchte Mini-Gastauftritt des Torwartstars Manuel Neuer in der deutschen Fassung trübt das sonst makellose akustische Gesamtbild dieser Pixar-Collegekomödie.
So amüsant die Nebenfiguren auch sein mögen, es sind die Hauptfiguren Mike und Sully, die dafür sorgen, dass «Die Monster Uni» auf den letzten Metern über sich hinauswächst. Ist Pixars 14. abendfüllende Kinoproduktion über lange Strecken nur eine zwar charmant, aber beiläufig erzählte Collegestory voll mit kurzweiligen Episoden über komplizierte Bekanntschaften und verrückte Studenten-Wettbewerbe, nimmt sie nach dem vermeintlichen Finale eine innovative Wende. Das endlich kooperierende Monster-Duo muss sich im abschließenden Drittel des Films einer unerwarteten Prüfung unterziehen – und diese letzte Wende lässt die spaßigen Figuren stärker menscheln als noch im herzigen [[Die Monster AG] und beweist zudem, dass Pixar noch immer fähig ist, im Sektor des Familienfilms neue, einsichtige Wege zu beschreiten.
Aus dramaturgischer Sicht ist «Die Monster Uni» wegen seines späten Wechsels der Gangart weniger stimmig als die übliche Pixar-Ware. Außerdem sollten Kinogänger, die wilden College-Possen wenig abgewinnen können, ein wenig Geduld mitbringen, wenn sie sich diese Animationskomödie ansehen, weil sie den neusten Streich in Sachen erzählerischer Pixar-Innovation im Kino miterleben wollen. Wer aber das Subgenre der College-Komödie mag, erhält mit diesem Pixar-Spaß eine einfallsreiche, vergnügliche Variation des gewohnten Uni-Ulks. Familien und Anhänger des Trickstudios zu guter Letzt dürfen sich in dem sein 3D nur sehr nebensächlich behandelnden Computeranimationsfilm auf eine liebevoll gestaltete Monster-Parallelwelt und viele putzige Gags freuen. Erzählerisch erwacht «Die Monster Uni» jedoch erst zum Abschluss zu einem eigenständigen Leben.
Pixars «Die Monster Uni» ist ab dem 20. Juni 2013 sowohl in 2D als auch in 3D in zahlreichen deutschen Kinos zu sehen.