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360 Grad: Blanker Hohn, die zweite

Die Vergabe der Presseplätze für den Prozess gegen Beate Zschäpe führte erneut zu einem völlig unbefriedigenden Ergebnis. Ein Kommentar von Julian Miller.

Es hat einen Grund, warum politische Ämter in Demokratien der Neuzeit anders als in der griechischen Antike nicht durch Losverfahren bestimmt werden: Dieser Weg führt in den Abgrund, weil es keinen Mechanismus gibt, die für eine bestimmte Aufgabe Qualifizierten von den Unqualifizierten zu trennen.

Das Losverfahren muss in einer demokratischen Gesellschaft die Ultima Ratio sein, die das Oberlandesgericht München im Rahmen der NSU-Prozesse gekommen sah, nachdem es vom Bundesverfassungsgericht die erwartbare Klatsche erhalten hatte: Denn im ursprünglichen Akkreditierungsverfahren waren sämtliche türkischen und griechischen Medien, darunter so namhafte wie die „Hürriyet“ und „Sabah“, leer ausgegangen. Angesichts des breiten öffentlichen Interesses der verhandelten Fälle in der Türkei und Griechenland selbstverständlich ein absurder und nicht hinnehmbarer Zustand. Das OLG München zeigte sich hier jedoch erstaunlich penetrant uneinsichtig, der Gang zum Bundesverfassungsgericht war für die Kläger unvermeidbar. Karl Huber, Präsident des OLG München, hielt es trotzdem für angebracht, seinen Frust abzuladen: Das ursprüngliche Akkreditierungsfahren, in dem „Sabah“ und „Hürriyet“ der Platz im Gerichtssaal verwehrt blieb, sei „absolut korrekt“ verlaufen. So korrekt, dass sich das Bundesverfassungsgericht zum Einschreiten gedrängt sah.

Am Ende steht das Losverfahren.

Die Liste der Medien, die nun im Gerichtssaal dem Prozess gegen Beate Zschäpe beiwohnen werden, liest sich wie ein schlechter Witz: So hat etwa die „Brigitte“ den Zuschlag erhalten, wobei man sich fragt, wie in dieser Publikation zwischen Abnehmtips und Haarfärbemitteltests der NSU-Prozess gecovert werden soll – bei der reinen Vorstellung kommt einem das kalte Grausen. Auch mit von der Partie ist das regionale Anzeigenblatt „Hallo München“, das als Topthema gerne über Verkehrsprobleme im Nordosten der bayerischen Landeshauptstadt berichtet und dessen Berichterstattung im Normalfall ihre räumlichen Grenzen irgendwo in Planegg findet.

Angesichts dieser geballten Newskompetenz kann man locker auf die wichtigsten und renommiertesten Zeitungen des Landes verzichten. Und wo für "Welt", "Zeit", "taz" und "FAZ" kein Platz ist, dürfen WDR, SWR und BR neben der ARD getrennt anrücken. Was natürlich absolut Sinn macht.

Sollte sich das OLG München bei seinem jetzigen zweiten Platzvergabeverfahren mit einem erneuten desaströsen Ergebnis jedoch rechtlich einwandfrei verhalten haben und dieses trotz einer angekündigten Klageerhebung etwa von Seiten der "taz" rechtlich nicht zu beanstanden sein, wird es selbst an diesem Fiasko kaum eine Schuld haben. Die trifft dann eher die Verantwortlichen der "Brigitte" und von "Hallo München", die man ob dieses sonderbaren Ergebnisses aufgrund ihrer publizistischen Struktur fragen muss, wieso sie sich überhaupt für Plätze beworben haben, wenn sie ihre Berichte über den NSU-Prozess nur zwischen völlig belanglosen Artikeln über Abnehmen oder Planieren in Planegg platzieren können und über keinerlei Reputation in der überregionalen Berichterstattung auf diesem oder auch nur in Ansätzen ähnlichen Gebieten verfügen. Angesichts der Tragweite des anstehenden Prozesses der blanke Hohn.
01.05.2013 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/63498
Julian Miller

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Tags

360 Grad NSU

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