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Der Fernsehfriedhof: Kinderquatsch mit Hella

Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 236: Erinnerungen an Hella von Sinnen und ihre besondere, tägliche Talkshow.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer Sendung, die allzu kalkuliert und unausgereift schien.

«Kinder bei Sinnen» wurde am 25. März 2002 bei RTL geboren und entstand zu einer Zeit, als die sogenannte Ulknudel Hella von Sinnen kaum noch im landesweiten Fernsehen präsent war und lediglich als Dauergast im «TV-Quartett» im Lokalfernsehen auftauchte. Dabei war sie durch ihre Sendungen «Weiber von Sinnen» und insbesondere «Alles nichts Oder?!» zu Beginn der 1990er Jahre ein äußerst beliebtes TV-Gesicht geworden. Dennoch dauerte es rund acht Jahre bis ein landesweiter Kanal sich dafür entschied, sie wieder regelmäßig mit einem eigenen Format auf den Schirm zu lassen.

Für das große Comeback versuchte sie sich bewusst von ihrem bisherigen schrillen und klamaukigen Image abzuheben und überraschte mit der Ankündigung, eine tägliche Talkshow präsentieren zu wollen. Ein klassischer Daily Talk sollte das neue Programm allerdings auch nicht werden, denn als Gäste waren ausschließlich Kinder im Grundschulalter vorgesehen, mit denen die Moderatorin über typische Erwachsenenthemen wie Schönheit, Liebe, Eifersucht, Kunst, Geld und Dinosaurier sprechen wollte.

Der besondere Reiz sollte einerseits darin bestehen, dass Kinder (laut Pressetext) „entwaffnend ehrlich in ihren Aussagen und absolut unbefangen“ wären und andererseits ihre Antworten von der Gastgeberin völlig ernst genommen werden. Rund ein Jahr hatte Gisela Marx, die Geschäftsführerin der verantwortlichen Produktionsfirma Filmpool, an der Idee gearbeitet. Trotz dieser langen Vorbereitungszeit wirkte sie jedoch reichlich abgegriffen, denn bereits seit dem Jahr 1985 erklärten Kinder in «Dingsda» erwachsene Begriffe. Ab 1991 sprach dann Michael Schanze in seinem «Kinderquatsch mit Michael» ebenfalls ausschließlich mit Kindern, während Marijke Amado dies im Rahmen der Rubrik „Die Wonneproppen“ in der «Mini Playback Show» bei RTL tat. Die endgültige Inspiration für die neue Produktion von Hella von Sinnen schien indessen aber das amerikanische Format «Kids Say The Darndest Things» geliefert zu haben, in der Komiker Bill Cosby ab 1998 ebenfalls mit Kindern Interviews führte.

Offenbar wollte man mit dem Konzept auf Nummer sicher gehen, denn eine ungeschriebene und viel zitierte Weisheit des Fernsehens besagt schließlich, dass Kinder immer funktionieren würden. «Kinder bei Sinnen» war anscheinend die berühmte Ausnahme von der Regel, denn die begleitenden Pressestimmen fielen wenig positiv aus. Die Aussagen der Sprösslinge wurden darin als altklug und zu sehr von Eltern und Lehrern gelenkt bemängelt sowie selten als niedlich eingeschätzt. Darin konnten auch die riesigen Sessel, in denen sie Platz nahmen, nichts ändern.

Entsprechend verhalten fiel die Zuschauerresonanz für die neue Reihe aus. Auf dem traditionell schwierig zu bespielenden werktäglichen Sendeplatz um 17.00 Uhr erreichte die Premiere zwar noch eine Gesamtreichweite von 1,46 Millionen Zuschauern und einen Marktanteil von 16,4 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe, doch im Laufe der ersten beiden Wochen sanken diese Werte jeweils auf rund die Hälfte ab. Die zuvor auf diesem Slot gezeigte Sitcom «Die Nanny» lief mit einer konstanten Sehbeteiligung von 1,3 Millionen Menschen damit insgesamt besser, sodass sie nach bereits rund zwei Wochen wieder zurückkehrte und die Kindertalkshow vorzeitig aus dem Programm schmiss.

Ob dieser Misserfolg vor allem dem überholten Konzept und der Person Hella von Sinnen zuzusprechen ist, scheint angesichts der damaligen Entwicklungen fraglich zu sein. Immerhin lief sie in einem Programmumfeld, das hauptsächlich durch die aufstrebenden Gerichtsshows «Das Jugendgericht», «Richterin Barbara Salesch», «Richter Alexander Hold» und «Zwei bei Kallwass», welche größtenteils von der selben Produktionsfirma stammten, geprägt war. Auch schien es wenig aussichtsreich zu sein, ein tägliches Talkformat ausgerechnet zur Zeit des allgemeinen Talkshowsterbens etablieren zu wollen. Worin auch immer die Ursache zu suchen ist, Hella von Sinnen bedauert die Absetzung weiterhin, denn sie hätte die Produktion nach eigenen Aussagen gern fortgesetzt und beklagt, dass RTL keinen längeren Atem gezeigt hätte.

«Kinder bei Sinnen» wurde am 05. April 2002 beerdigt und erreichte ein Alter von acht Folgen. Drei bereits fertiggestellte Ausgaben wurden nie ausgestrahlt. Die Show hinterließ die Moderatorin Hella von Sinnen, die an der Seite ihres früheren «Alles nichts Oder?!»-Partners Hugo Egon Balder mit der Sendung «Genial daneben» und diversen Promi-Events kurz danach endlich ihr gewünschtes Comeback verwirklichen konnte. Nach der unoriginellen Sketchcomedy «Hella und Dirk», dem erfolglosen Versuch mit der «Hella von Sinnen Show» ein Late-Night-Format zu präsentieren sowie dem abklingenden Zuspruch von «Genial daneben» wurde es wieder etwas ruhiger um sie. Zuletzt führte sie durch die Clipshow «Klick Stars» bei RTL II, der sie jedoch kaum eine eigene Note verleihen konnte.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der notgeilen Variante von «Big Brother».
18.04.2013 11:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/63281
Christian Richter

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