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Die Kino-Kritiker: «Das Leben ist nichts für Feiglinge»

Nach dem Tod ihrer Mutter reißt Kim von zu Hause aus – ihr Vater beginnt die Suche.

Filmfacts «Das Leben ist nichts für Feiglinge»

  • Kinostart: 18. April 2013
  • Genre: Drama
  • Laufzeit: 98 Min.
  • FSK: 12
  • Kamera: The Chau Ngo
  • Musik: Christoph Blaser, Steffen Kahles
  • Autor: Gernot Gricksch
  • Regie: André Erkau
  • Darsteller: Wotan Wilke Möhring, Helen Woigk, Christine Schorn, Frederick Lau, Rosalie Thomass
  • OT: Das Leben ist nichts für Feiglinge (D 2012)
Wotan Wilke Möhring, vor Kurzem mit dem Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „bester Schauspieler“ ausgezeichnet und vor ebenfalls nicht allzu langer Zeit mit der Komödie „Mann tut was Mann kann“ neben Jan Josef Liefers im Kino zu sehen, scheint neuerdings ein Garant für ordentliche Produktionen aus dem eigenen Land zu sein. Das Schauspiel des sympathischen Detmolders überzeugt durch Authentizität und Leichtigkeit – und das, obwohl der 45-jährige Möhring nie eine Schauspielschule besuchte. Auch Regisseur André Erkau kann sich in seinem Werk «Das Leben ist nichts für Feiglinge» voll und ganz auf sein Zugpferd verlassen. Doch mit Helen Woigk taucht da plötzlich eine junge Frau auf, die ihr Debüt in einer Kinohauptrolle ablegt und den Fernsehpreisträger nahezu an die Wand spielt.

Das Leben von Markus Färber (Wotan Wilke Möhring) und seiner Tochter Kim (Helen Woigk) gerät nach dem überraschenden Tod der Mutter aus den Fugen. Markus‘ Versuche, Normalität in den Alltag zu bringen, scheitern – er kann die Vergangenheit nicht loslassen. Die 15-jährige Kim fühlt sich mit ihren Schuldgefühlen alleingelassen.

Doch dann verliebt sie sich in den coolen Schulabbrecher Alex (Frederick Lau). Die beiden brennen nach Dänemark durch, an den Ort ihrer unbeschwerten Kindheit. Zusammen mit seiner Mutter Gerlinde (Christine Schorn) und deren lebensfroher Pflegerin Paula (Rosalie Thomass) macht Markus sich auf die Suche nach seiner Tochter. Ein Trip voller Überraschungen und eine Reise zurück ins Leben.

Dass Tragik und Komik oftmals sehr dicht beieinander liegen, macht auch Erkaus Familiendrama deutlich. Die Mutter ist gestorben und die Hinterbliebenen gehen mit dieser Situation ganz unterschiedlich um: Kim etwa steckt sich während der Beerdigung Kopfhörer in die Ohren und lässt sich mit Heavy Metal-Musik beschallen, während der Pfarrer seine heiligen Worte spricht. Oma Gerlinde trauert zwar, hat aber nach ihrer Krebsdiagnose plötzlich ganz andere Sorgen. Nur Markus scheint die ganze Sache so mitzunehmen, dass er sich eines Abends betrinkt. Doch obwohl dieser Umstand zunächst deprimierend und traurig zu sein mag, hält das Drehbuch von Gernot Gricksch («Robert Zimmermann wundert sich über die Liebe») einen unbekümmerten Humor bereit.

Und für sein Lachen sollte man sich im Kino absolut nicht schämen. Besonders über Oma Gerlinde freut man sich, wenn die kauzige Diva ihre kecke Pflegerin anraunzt und zu ihrem Krebs spricht. Hier vereinen sich Scherz und Schmerz zu einer merkwürdig anmutenden Symbiose, die sich jedoch als vollkommen gelungen herausstellt. Gerlinde schafft damit etwas, was heutzutage gar nicht mehr alltäglich ist: sie berührt den Zuschauer im Herzen, in dem sie – trotz Gewissheit, bald zu sterben – einfach so weitermacht wie immer.

Das emotionale Szenario ist von allen Beteiligten durch die Bank weg hervorragend gespielt. Wotan Wilke Möhring demonstriert erneut, weshalb er zurecht mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurde. Zwischen verzweifelter und schuldloser Miene wechselt der Schauspieler zu von Depressionen begleiteten Wutausbrüchen. Den Familienvater, der seine verstorbene Frau über alles liebt und sich nun an sein einziges Kind klammert, kauft man ihm jeder Zeit ab. Ihr großes Talent in der Rolle der Kim kann an seiner Seite Helen Woigk unter Beweis stellen, die als „Lady in Black“ mit Nietenhalsband, Lackoutfit und Kodderschnauze auffällt. Dass Woigk völlig verwandelbar ist, erkennt man dann in den Szenen, in denen die junge Darstellerin das Make Up ablegt. Als Rebellin, die ohne Mutter nicht mehr kann, sich aber ihrem Vater verschließt, überzeugt sie auf ganzer Linie. Von dieser jungen Frau werden wir in Zukunft sicherlich noch jede Menge sehen und hören. Wenn sie eine solche Performance wie diese in ihrem Kinodebüt weiterhin abrufen kann, wird Woigk zu einer ganz heißen Anwärterin auf den nächsten Fernsehpreis.

«Das Leben ist nichts für Feiglinge» bietet starkes deutsches Kino mit einer zwar nicht neuen, aber intensiven Geschichte. Einerseits behandelt das Drehbuch das Verlangen nach einem Neuanfang, nach dem Ausreißen der Charaktere aus dem momentanen Gefühlszustand, hält aber dazu an bestehenden Werten wie Nächstenliebe, Fröhlichkeit und Mut fest. Das Verhaltensmuster der Figuren bleibt im Verlauf stets plausibel und nachvollziehbar, dank des tollen Cast gelingt die Identifizierung mit den Personen jederzeit. Gefühlsecht, ohne kitschig oder überzogen zu sein: Erkaus Film macht Hoffnung, Spaß – und zwischendurch auch ein bisschen traurig.

«Das Leben ist nichts für Feiglinge» startet am 18. April in den deutschen Kinos.
18.04.2013 09:48 Uhr Kurz-URL: qmde.de/63280
Janosch Leuffen

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