Am Mittwoch sollte der NSU-Prozess in München starten. Im Vorfeld gab es eine Kontroverse, in der die Verantwortlichen des Münchner Gerichts alles andere als eine gute Figur machten. Manuel Weis kommentiert.
Vor dem Oberlandesgericht in München sollte am Mittwoch der wohl meistbeachtete Prozess des Jahres in Deutschland starten: An insgesamt wohl 85 Tagen (und somit bis Januar kommenden Jahres) wird über die so genannten NSU-Morde verhandelt. Einige sagen sogar voraus, der Prozess könnte mehr als zwei Jahre dauern. 600 Zeugen wurden benannt, und es gibt 77 Nebenkläger, die von 53 Anwälten vertreten werden. Fünf Berufs- und zwei Ergänzungsrichter sind dafür vorgesehen. Angeklagt sind Beate Zschäpe sowie vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer.
Der Gerichtssaal selbst bietet Platz für 250 Gäste, wurde extra umgebaut und sicherer gemacht. Einen größeren Saal kann das Gericht in München nicht stellen, weshalb die Presseplätze auf 50 Stück beschränkt wurden. Und hier beginnt die Posse: Es ist von ungemeiner Bedeutung, dass die Medien vollumpfänglich und regelmäßig von diesem Prozess berichten – das gilt natürlich für deutsche Journalisten, genauso aber auch für ausländische. Da acht Opfer der Gruppierung türkischer Herkunft waren, ist es somit ein Unding, wie das Oberlandesgericht die Presseplätze überhaupt ausgeschrieben hat.
Lange habe man behauptet, dass man die 50 ersten Akkreditierungen (also Anmeldungen) zugelassen habe. Er spät gab man kleinlaut zu, dass einige Mails – besonders die an ausländische Redaktionen – wegen einer technischen Panne zeitverzögert versendet wurden. Es ist kurzsichtig von den Verantwortlichen, das Prozedere nicht dahingehend durchzuführen, dass von vornherein einige Plätze an türkische Journalisten vergeben wurden. Und es war ein gefundenes Fressen zur Image-Korrektur der „Bild“-Zeitung, die großmütig dem Blatt „Hürriyet“ ihren Reporter-Platz anbot. Aber auch das untersagte das Gericht. Inzwischen gibt es jedoch die Anordnung von ganz oben, also vom Bundesverfassungsgericht, dass das Gericht unter anderem türkischen Vertretern Zugang gewähren muss. Weil man in München aber nicht weiß, wie man das auf die Schnelle bewerkstelligen soll, und deshalb alle Medien neu eingeladen werden, verschiebt sich nun der Beginn des wichtigen Prozesses auf Mai.
Die deutschen Gerichte und die Darstellung der Geschehnisse in der Öffentlichkeit sind ohnehin ein ganz eigenes Thema. Schon erstaunlich, dass Deutschland, das zweifelsohne immer noch über einen der qualitativ besten Fernsehmärkte überhaupt verfügt, kein eigenes Gerichtsfernsehen hat. In den USA ist das seit Jahren absolut üblich. Nun hat Amerika ein ganz anderes Strafprozesswesen; und hierzulande täte sich ein Court-Sender wohl auch schwer, die vielen Sendestunden zu füllen.
Hier muss man Sender wie Phoenix oder tagesschau24 in die Pflicht nehmen. Es muss die Möglichkeit her, von wichtigen Prozessen (zumindest in Ausschnitten) live zu berichten. Für mehr Transparenz – nicht nur für die Bundesbürger allgemein, sondern auch für in diesem Fall ausländische Betroffene. Damit ist diesmal aber nicht die TV-Landschaft in der Pflicht, sondern zu allererst einmal die Politik. Es kann schließlich nicht sein, dass Rechtsprechung länger als nötig warten muss.