Der Film «Hitchcock»: Topbesetztes, aber inspirationslos erzähltes Biopic über den „Meister des Suspense“.
Kaum vorstellbar, dass Alfred Hitchcock für keines seiner Werke einen Oscar gewann. Fünf Filme des Kultregisseurs wurden zwar für einen Goldjungen nominiert, die Statue selbst erhielt „Hitch“ allerdings erst 1968 in Form des „Memorial Awards“ und 1994, als er von der Academy posthum ausgezeichnet wurde.
Dennoch: Hitchcock steht wie kein Zweiter für Hollywood und bahnbrechende Einfälle. Sei es der sogenannte „Vertigo-Effekt“ oder die Idee, die Hauptfigur mitten im Film sterben zu lassen. Letzteres setzte Hitchcock in seiner Buchadaption «Psycho» ein – und sollte damit erneut Filmgeschichte schreiben. Doch die Produktion des heutigen Klassikers hatte mit Problemen zu kämpfen. Diese beleuchtet Sacha Gervasi mit seinem stargespickten Biopic in unaufgeregter, aber überraschend belangloser Weise.
Als Alfred Hitchcock (Anthony Hopkins) das Buch „Psycho“ in die Hände fällt, ist er überzeugt, einen grandiosen Filmstoff entdeckt zu haben. Doch die Filmbranche ist skeptisch. Unterstützt von seiner Frau Alma (Helen Mirren) beschließt er, das Projekt dennoch zu wagen und den Film aus eigener Tasche zu finanzieren.
Nach vielen Anstrengungen und mit Almas Rat kann Hitchcock schließlich die Dreharbeiten mit Janet Leigh (Scarlett Johansson), Vera Miles (Jessica Biel) und Anthony Perkins (James D’Arcy) beginnen.
Irgendwie hat es Regisseur Sacha Gervasi geschafft. «Hitchcock» stellt zwar erst seine zweite Regiearbeit dar, doch er konnte viele namhafte Darsteller um sich herum versammeln. Den größten Coup stellt dabei wohl die Verpflichtung von Sir Anthony Hopkins dar. Als Hannibal Lecter in der Romanverfilmung «Das Schweigen der Lämmer» ging er in die Filmgeschichte ein. Nun wagt sich der 75-jährige in die Rolle des „Master of Suspense“. Dank Maskerade und Kostüm ist die Verwandlung optisch gelungen. Dies gilt ebenso für das gesamte im Jahr 1960 angesiedelte Setting.
An einer großen Besetzung vor und hinter der Kamera mangelt es dem Biopic wahrlich nicht. An Hopkins Seite ist Helen Mirren («Die Queen») als dessen Frau und Muse Alma Reville zu sehen. Scarlett Johansson und Jessica Biel sehen selbst mit der zur damaligen Zeit trendigen Kurzhaarfrisur umwerfend aus. Und James D’Arcy («Cloud Atlas») könnte glatt als Zwillingsbruder von Anthony Perkins durchgehen. Dazu sorgt Komponist Danny Elfman, der passenderweise auch den Score zum «Psycho»-Remake beisteuerte, für gewohnt harmonische Untermalung.
Diese hervorragenden Voraussetzungen können Gervasi und Drehbuchautor John J. McLaughlin («Black Swan»), der das Buch „Alfred Hitchcock and the Making of Psycho“ von Stephen Rebello für die Leinwand umschrieb, nicht vollends nutzen. Es wird erzählt, ohne Spuren zu hinterlassen. So werden dem Zuschauer zwar die Probleme bei der Produktion und „Hitchs“ Leben mit seiner Frau gezeigt, aber nicht ergründet. Im Laufe der Zeit rückt sogar Alma und ihr Techtelmechtel mit Autor Whitfield Cook in den Vordergrund.
Hitchcock leidet unter dem Verhältnis, bekommt Wahnvorstellungen, die nicht genauer erklärt werden. Unterhaltsam wird das Unterfangen zwischendurch dank eines tollen Anthony Hopkins dann aber doch noch. Seine Treffen mit der amerikanischen Filmzensurbehörde zeigt die aus heutiger Sicht unverständliche Begründung für eine Prüfsiegelverweigerung. Hier gefällt das Szenario mit Wortwitz und einem herrlich schroffen Meisterregisseur, dem alles egal ist.
Welche Erkenntnisse lassen sich aus «Hitchcock» ziehen? Der Regisseur war ein kauziger, unverbesserlicher Mann mit Hang zum Risiko, der gerne einen über den Durst trank – auch während der Dreharbeiten. Seinen hübschen Darstellerinnen schien er zu verfallen und setzte mit seinem Sturkopf fast die eigene Ehe aufs Spiel. Alles Dinge, die Hitchcock-Fans und Filmfreunden längst kein Geheimnis mehr sein dürften. Somit bietet Gervasis leichte Kost kaum etwas Nachhaltiges.
Die filmische Variante des „Making of Psycho“ hätte angesichts der Castliste ein großes Werk werden können. Leider versäumten die Macher eine tiefergehende Geschichte und erzählen stattdessen fast schon belanglos die Entstehung eines Genreklassikers. Für Hitchcock-Liebhaber dürfte das Gezeigte dennoch interessant sein. Sacha Gervasi hat für seine Arbeit anders als Alfred Hitchock zurecht keinen Oscar erhalten. An den Masken allerdings fand auch die Academy Gefallen und nominierte den Film in der Kategorie „Bestes Make Up“.
«Hitchcock» startet am 14. März in den deutschen Kinos.