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Die Kritiker: «Meine Familie und der Spion - Eine Geschichte aus dem Kalten Krieg»

Die Dokumentation schildert, wie ein polnischer Agent die Identität eines Waisenkindes annimmt, um so Jahre später unbehelligt nach Deutschland einzureisen.

Inhalt


Als im Februar 1986 auf der Glienicker Brücke mehrere Agenten zwischen Ost und West ausgetauscht wurden, wechselte relativ unbemerkt auch ein junger Pole die Seiten. Er war keine Schlagzeile wert, obwohl er Akteur einer besonders perfiden Operation gewesen war. Ausgangspunkt dieser Geschichte ist „Onkel Janusz“ und die Tatsache, dass er 1946 als Kind einer deutschen Mutter in der Nähe von Danzig geboren wurde. Eigentlich hieß er Heinz. Als die Deutschen Richtung Westen vertrieben wurden, blieb er in einem Kinderheim zurück und wurde wenig später von einem polnischen Ehepaar adoptiert. Aus Heinz wurde Janusz. Von seiner wirklichen Herkunft erfuhr er erst als junger Mann, und die Vorstellung, als kleines Kind im Stich gelassen worden zu sein, führte dazu, dass er zunächst kein Interesse hatte, seine leibliche Mutter zu suchen.

Was Janusz nicht ahnen konnte: In den frühen siebziger Jahren nahm der polnische Geheimdienst sehr gezielt seine Geburtsidentität und stattete einen Agenten mit dieser Legende aus. 1977 beginnt der eigentliche Einsatz: Der Spion macht über das Deutsche Rote Kreuz die Mutter ausfindig und lässt sich als ihr angeblicher Sohn in die Bundesrepublik einladen. Die Mutter stirbt kurz nach dem „Wiedersehen“. Ihr Bruder hilft dem neuen Verwandten aus Polen, in Deutschland zu bleiben und beruflich Fuß zu fassen. Der Spion landet in Bremen und bekommt ausgerechnet im Aussiedleramt einen guten Job, bei dem er jede Menge wertvoller Informationen für den polnischen Geheimdienst sammeln kann.

Der echte Sohn bekommt davon nichts mit, nur, dass ab 1977 seine Anträge auf Reiseerlaubnis abgelehnt werden und er häufiger bei den Sicherheitsbehörden vorsprechen muss. Schließlich entschließt er sich doch noch, nach seiner deutschen Mutter zu suchen. Als Bekannte in seinem Auftrag beim Deutschen Roten Kreuz seine Geburtsurkunde vorzeigen, staunt das DRK nicht schlecht: das verlorene Kind gilt doch längst als „gefunden“. Damit kommt eine verhängnisvolle Dynamik in Gang…

Kritik


Es dauert lange, bis diese Dokumentation von Rosalia Romaniec an Fahrt aufnimmt. Ohne rechten Überblick und oft schlicht zu konfus, erzählt «Meine Familie und der Spion - Eine Geschichte aus dem Kalten Krieg» von einem Familiendrama, das den Zuschauer mit zahlreichen Zeitzeugen und Informationen regelrecht zuschmeißt. Zweifellos wurde hier ausgiebig und sicherlich gut recherchiert, doch was fehlt, ist der emotionale Zugang. Fakten werden auf Fakten getürmt, Beteiligte reden und reden, doch der Funke will nicht überspringen. Erst mit der Zeit, etwa im letzten Drittel dieser gut 45 Minuten langen Dokumentation, kommt eine gewisse Stringenz zum tragen. Der Fokus wird dichter.

Zu dieser Unübersichtlichkeit und damit einhergehend dem schwindenden Interesse des Zuschauers, trägt mit Sicherheit der eine oder andere Patzer auf produktionstechnischer Seite bei. Die Zeitzeugen werden zwar dankenswerterweise synchronisiert, doch sind die Originalstimmen nur marginal (wenn überhaupt) leiser gedreht. Es ist am Zuschauer, aus diesem Sprachkauderwelsch aus Polnisch und Deutsch relevante Infos herauszufiltern. Auch ist der massive Einsatz von hektischer, elektronischer Musik schlicht störend. Dem gegenüber steht die schöne und originelle Kameraarbeit und der routinierte Schnitt.

Man hat immer wieder das Gefühl, dass diese Umsetzung der Thematik nicht gerecht wird. Natürlich ist es dramatisch und absolut verwerflich die Dinge zu tun, die der Agent (respektive der Geheimdienst) hier tut. Doch man ertappt sich als Zuschauer immer wieder dabei, dass die Dokumentation an einem schlicht vorbei plätschert. Und wenn es dann mal spannend wird, wie am Schluss, wenn der damalige Agent gefunden und vor die Kamera geholt wird, dann wird das in drei, vier Sätzen abgehandelt. Dankenswerterweise nur teilweise im polnisch-deutschen-Kauderwelsch. Das „spannende und tief bewegende Bild“, das im Pressetext beschworen wird, tritt zu selten zu Tage.

Somit ist «Meine Familie und der Spion - Eine Geschichte aus dem Kalten Krieg» leider nur bedingt zu empfehlen. Aber vielleicht gelingt es ja dem geneigten Zuschauer mit Lektüre der obigen Inhaltsangabe mehr Überblick zu bewahren als der Rezensent, der sich überraschen lassen wollte und mit nur wenigen Infos an diese Dokumentation heran ging.

Das Erste strahlt «Meine Familie und der Spion - Eine Geschichte aus dem Kalten Krieg» am Montag, den 11. März, ab 23.30 Uhr aus.
10.03.2013 11:58 Uhr Kurz-URL: qmde.de/62542
Renatus Töpke

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Tags

Eine Geschichte aus dem Kalten Krieg Meine Familie und der Spion

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