Der History Channel hat am vergangenen Wochenende selbst Geschichte geschrieben und seine erste eigenproduzierte Serie gestartet. «Vikings» soll die sagenumwobenen Völker als Menschen darstellen, weniger als skrupellose Eroberer. Unsere Kritik zur Premierenfolge.
Am Anfang fühlt man sich an «The Walking Dead» erinnert, so sehr sind die Toten auf dem Schlachtfeld verunstaltet. Und so sehr bluten und schreien die wenigen Überlebenden, die sich letzte Duelle an diesem Ort der Grausamkeit liefern. Aber das hier sind keine Zombies: Diesen mörderischen Anblick liefert die Auftaktszene von «Vikings», einer Wikingerserie, die jüngst beim amerikanischen History Channel startete. Und damit die erste ihrer Art ist: Nie zuvor hat sich der Sender an der Produktion und Ausstrahlung einer eigenen fiktionalen Serie probiert. Jetzt, im Zuge des kollektiven Booms amerikanischer Qualitätsserien, entdeckt auch der History Channel dieses Genre für sich.
Vorbehalte darf der Zuschauer dabei wahrlich haben, steht dieser Sender eben nicht für die höchste Qualität bei seinen Formaten wie «Ice Road Truckers» oder «Ax Men». Unterhaltung findet sich hier zuhauf, Anspruch und Geschichtsbewusstsein kommen oft zu kurz. Mit seinem Programm ist History jedoch einer der erfolgreichsten amerikanischen Kabelsender – die spannende Frage also folgt: Würde «Vikings» den populären Weg seichter Unterhaltung ebenfalls gehen oder eher mit langen, komplexen Geschichten punkten wollen?
Zumindest die erste Folge kann darüber noch keinen endgültigen Aufschluss geben. Die Schlachtfeld-Szene zu Beginn lässt eher auf eine Art «Spartacus» schließen, das viel Gemetzel bietet, aber wenig Story. Und die Wikinger als skrupellose Eroberer darstellt, wie wir sie mit unseren Vorurteilen kennen. Damit aber könnte niemand mehr in der heutigen Serienlandschaft punkten, und so orientiert sich Produzent und Autor Michael Hirst («The Borgias», «The Tudors») an einer möglichst authentischen Darstellung der nordischen Völker. „Es ist eine Art Balance zwischen dem historischen Material, der großen allumfassenden Geschichte über die Wikingerkultur und warum sie nach Westen gingen und so weiter, aber wenn du nicht an das echte Leben anknüpfst, kannst du keine Zuschauer gewinnen.“
Und so stellt Hirst die Wikinger zuallererst als Menschen dar, als Familien und Völker mit ihrer eigenen Kultur und Demokratie. Erst an zweiter Stelle kommen die Eroberer, die sich feindliches Land blutig nahmen, genauso wie viele andere Völker davor und danach in der Historie. In einer eindringlichen Szene am nächtlichen Lagerfeuer fragt der Hauptprotagonist Ragnar seinen Sohn: „Was tut ein Mann?“ Auf die Antwort, dass er kämpfe, fragt Ragnar nach: „Und was tut er noch?“ „Er kümmert sich um seine Familie“, erklärt der Sohn, der am nächsten Tag durch ein Stammesritual zum Mann erklärt wird.
Solche leisen und großen Momente machen «Vikings» sehenswert, gerade in Kombination mit der immer wieder gezeigten Brutalität: In einer Szene muss sich ein Mann als vermeintlicher Mörder vor dem Stamm verantworten, die Diskussion und Abstimmung über seine Schuld treffen die Wikinger sachlich und demokratisch (!) per Handzeichen – doch kurze Zeit später wird er in „Brot und Spiele“-Manier dem Henker vorgeführt und geköpft, während die Menge frenetisch jubelt.
Um die Familie von Kämpfer Ragnar dreht sich die gesamte erste Folge von «Vikings», die damit einen gänzlich anderen Weg geht als beispielsweise «Game of Thrones» mit seinem riesigen Ensemble gleich zu Serienbeginn. Gespielt wird Ragnar von Travis Fimmel, einem jungen Schauspieler, der als Adjutant von Patrick Swayze in der Krimiserie «The Beast» bereits brillante Serienarbeit abgeliefert hat. Auch die anderen Hauptdarsteller überzeugen, auch wenn die Charakterausarbeitung insgesamt trotz der starken Fokussierung nicht vollends gelingt.
Dieses Manko geht einher mit der (noch) fehlenden Komplexität der Story – auch hier grenzt man sich von «Game of Thrones» klar ab, obwohl es auf den ersten Blick Parallelen gibt: «Vikings» beschwört wie die HBO-Serie eine kommende große Schlacht hinauf; die übergreifende Handlung ist geprägt vom Raubzug des Wikingerstammes im Sommer, der dem Anführer zufolge wieder im Osten, in Russland, vonstattengehen soll. Serienheld Ragnar aber sehnt sich gen Westen, hat offenbar eine neue Methode entwickelt, um über den großen Ozean das ferne Land (gemeint ist Großbritannien) gezielt anzusteuern. Ein Konflikt zwischen Ragnar und seinem Lord bahnt sich an; der Familienvater beschließt letztlich, auf eigene Faust nach Westen zu segeln.
Noch etwas eintönig in der Story und den Dialogen, dafür aber visuell und historisch sehr beeindruckend ist dieser Auftakt von «Vikings», der laut Kritikern im Vergleich zu den nächsten Episoden eher durchschnittlich ausfällt. Die Serie schafft es jedoch von Beginn an, eine dichte Atmosphäre zu kreieren. Dazu tragen die authentischen Kostüme und Sets bei, auch die vielen gezeigten Rituale des Wikingerstammes – darunter nicht nur das angesprochene Volksgericht samt Henkerstod und das Männlichkeitsritual, sondern auch traditionelle Festgelage, ersuchte Prophezeiungen der Götter bei den Geistlichen, Visionen der Männer.
Man kann sich also fallen lassen in diese Welt der uns so unbekannten Wikinger. Gerade dies macht vielleicht die gewisse Faszination an «Vikings» aus: Große, erwachsene Seriengeschichten über diese Völker gab es bisher nicht, umso spannender ist die Entdeckung dieses neuen Weges abseits der breitgetrampelten Serienpfade.