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Die fünf größten Überraschungen des US-Serienjahres

Seit Herbst letzten Jahres bewerben sich wieder viele US-Serien um Zuschauer. Einige wie erwartet erfolgreich, andere ohne Chance. Aber auch diesmal gibt es wieder Überraschungen abseits der Norm – wir werfen einen Blick darauf.

«The Following»


Nicht mehr allzu oft kommt es vor, dass ein Sender sich den Start eines solchen Dramas traut wie «The Following». Hier stehen keine abgeschlossenen Fälle und Folgen im Vordergrund, sondern die Geschichten eines gebrochenen FBI-Agenten und seines Widersachers, einem Serienkiller. Das Drama – das bis in die Familien der beiden Gegenspieler hineinragt – schreitet kontinuierlich voran und spannt sich langsam auf durch den Kult, den der Killer Joe Carroll um sich entfacht hat.

Mit einer spannenden Prämisse und einer fortlaufenden Story hat sich «The Following» innerhalb kurzer Zeit einen Namen unter Serienfreunden gemacht, und dies beim nicht gerade für Qualitätsformate berühmten Sender FOX. Über acht Millionen Menschen verfolgen «The Follwowing» derzeit in Erstausstrahlung, überraschender sind aber die riesigen Erfolge bei den DVR-Reichweiten, die auch Videorekorder-Aufnahmen mitzählen. Zuletzt landete man bei diesen Zahlen innerhalb der Top3 in ganz Amerika, oft nur hinter den Comedy-Hits «The Big Bang Theory» und «Modern Family». Rund 60 Prozent gewinnt die Serie innerhalb einer Woche an Zielgruppen-Zuschauern dank DVR hinzu.

«Nashville»


Wenn «The Following» mit seinen DVR-Zahlen ein Gewinner ist, dann muss «Nashville» ein Überflieger sein: Zuletzt kletterten die Zielgruppen-Marktanteile der Serie dank der Rekorder-Aufnahmen um über 70 Prozent, auch wenn die generellen Reichweiten auf recht niedrigem Niveau liegen. Aber das Musiker-Drama «Nashville» spricht sich immer mehr als Serien-Geheimtipp herum; unter Kritikern gilt das Format längst als bester Neustart bei den Networks. Und dies ist wahrlich eine Überraschung – denn oft haben wir in den vergangenen Jahren Serien mit interessanter Prämisse erlebt und erwartet, die sich dann aber als qualitative Flops herausstellten. Man erinnere allein an «Last Resort», «The Playboy Club» oder «Pan Am». Oder wir haben gute Serien erlebt, die aber keine Zuschauer fanden und schnell abgesetzt wurden – «Lone Star» aus dem Jahr 2010 ist ein solches Beispiel.

«Nashville» aber schafft den Spagat zwischen Erfolg und Qualität – eine Mischung, die zuletzt kaum noch bei den Networks zu finden war. Hochwertiges Fernsehen gibt es vor allem bei Kabel- und Pay-TV-Stationen, «Nashville» aber ist die Ausnahme dieser ungeschriebenen Regel. Diese junge, aufstrebende Country-Musikerin (Hayden Panettiere) und ihr älteres Pendant (Connie Britton) mit ihren komplexen Hintergrundgeschichten machen Spaß, die Dialoge sind wundervoll geschrieben, die Musikpassagen erklingen großartig. Sympathisch macht dieses Format vor allem seine ungeschönte Echtheit: Die Songs werden selbst gesungen von den Hauptdarstellerinnen, die gesamte Serie wird on location – also direkt in Nashville, Tennessee – gedreht. Nach «Tremé» (Jazz), «Glee» (Pop) und «Smash» (Musical) nun also die Serie für Fans von Countrymusik. Und eine richtig gute dazu.

«House of Cards»


Der angesagteste Serienhit in den USA ist derzeit einer, der gar nicht im normalen Fernsehen läuft: «House of Cards» ist nur zu sehen beim Video-on-Demand-Dienst Netflix, der die Serie auch gleichzeitig produzieren lässt und vermarktet. Damit ist sie nicht nur ein Zukunftsmodell für die Diviersifizierung des Seriengenres, sondern auch dafür, dass hochqualitative Ware nicht immer nur von den üblichen Verdächtigen – sprich: HBO, Showtime oder AMC – kommen muss. Allen dreien wurde die Serie übrigens angeboten, Netflix bootete sie aus.

«House of Cards» ist eine lose Adaption einer britischen Miniserie und erzählt die Geschichte des US-Kongressabgeordneten Frank Underwood, der alles für den Sieg seines demokratischen Präsidentschaftskandidaten tut. Nach seinem Einzug ins Weiße Haus bricht der neue Präsident aber sein Versprechen, Underwood zum Außenminister zu machen. Ein politischer Krieg entbrennt zwischen den beiden und ihren Mitarbeitern.

Seine aktuelle Anziehungskraft holt «House of Cards» vielleicht aus der Tatsache, dass der Streamingdienst Netflix nicht Folge für Folge laufend online stellt, sondern im Februar die gesamte erste Staffel auf einen Schlag verfügbar machte. Dies ermöglicht den Zuschauern, ihre Serie innerhalb eines Wochenendes zu konsumieren, so wie Hauptdarsteller Kevin Spacey es ausdrückte: „Wenn ich meine Freunde frage, was sie am Wochenende gemacht haben, sagen sie: ‚Oh, ich bin zuhause geblieben und drei Staffeln «Breaking Bad» geschaut, oder die zwei Staffeln von «Game of Thrones».‘“ «House of Cards», mit seinen prominenten Gesichtern wie Spacey und Regisseur David Fincher, steht beispielhaft wie nie zuvor für die sich ändernde Art, wie wir Serien schauen, wie wir darüber sprechen, wie sie unseren Alltag begleiten. Dies wiederum verändert den Inhalt selbst, wie wir an «House of Cards» bereits sehen: Weil die Mehrheit der Zuschauer die Serie nicht – wie früher im „normalen“ TV üblich – über viele Wochen konsumiert, sondern innerhalb weniger Tage, wird der Episodencharakter immer unwichtiger. Viele Kritiker und Zuschauer sprechen bei «House of Cards» daher eher von einem 13-stündigen Film als von einer Serie. Und wenn dies auch nicht die alleinige Zukunft des Genres sein mag, so ist sie zumindest eine willkommene Ergänzung, die den Produzenten und Autoren viele neue kreative Möglichkeiten gibt.

«Louie»


Diese Comedyserie von FX ist einer der Hits, der sich schleichend eingestellt hat. In seiner dritten Staffel schafft es «Louie» auf den Thron der aktuellen Comedy-Serienlandschaft – zumindest, wenn es nach den US-Kritikern geht: Auf dem Portal metacritic.com, das die Meinungen der Journalisten mittels Prozenten aggregiert, erhält die dritte Staffel eine Wertung von 94 Prozent, nachdem man bei 70 Prozent in Staffel eins gestartet war.

Der „Hollywood Reporter“ beschreibt es genau richtig, wenn er von einem minimalistischen Serienkonzept spricht – denn es passiert in «Louie» so wenig, dass man es als Journalist kaum in Worte fassen kann. Einig sind sich die Kritiker derzeit nur darin, dass die aktuelle dritte Staffel zum Besten gehört, was das komödiantische Fernsehen derzeit zu bieten hat – eine faustdicke Überraschung nach den guten, aber nicht sensationellen ersten beiden Staffeln. TV-Kritikerin Emily Nussbaum vom „New Yorker“ drückt es so aus: „Staffel eins war gut; Staffel zwei war besser. […] Staffel drei ist eine Offenbarung. Sie ist so gut, dass ich mich davor scheue, sie zu hoch zu loben – aus Angst davor, dass ihr enttäuscht werdet.“

«Louie» ist innovativer, vor allem wandlungsfähiger geworden, sowohl inhaltlich und produktionstechnisch (zum Beispiel durch die Cutterin Susan E. Morse, die mehrere Jahrzehnte mit Woody Allen zusammenarbeitete). Von all den Innovativen aber – wie bereits beschrieben – minimalistisch und nicht viel. Dies erinnert an die Sitcom «Seinfeld» in den 90er Jahren, die „show about nothing“. Es ist nur konsequent, dass – neben anderen Stargästen wie Ricky Gervais – Jerry Seinfeld eine Gastrolle in der dritten «Louie»-Staffel hat. Nach «Curb Your Enthusiasm» hat Fernseh-Amerika nun wieder einen eindeutigen Kritikerkönig in Sachen Comedy. Überraschend genug, dass es «Louie» im dritten Anlauf geworden ist.

«Vikings»


Wenig überraschend ist der Inhalt dieses neuen Formats: «Vikings» erzählt von einem Wikingerstamm und dem Familienvater Ragnar, der sich gen Westen sehnt, in englische Gefilde, wo bessere Beute zu erobern ist. Bemerkenswert aber ist der Sender, auf dem diese neue Serie ausgestrahlt wird: auf dem sonst für Dokus und Realitys bekannten History Channel. «Vikings» ist die erste richtige fiktionale Serienproduktion dieses Kanals, der in den USA zu den beliebtesten Kabelsendern überhaupt gehört. Satte 40 Millionen Dollar steckte man in die erste neunteilige Staffel – dies ist ähnlich viel wie bei den meisten anderen sogenannten Quality TV-Serien.

Die Idee zu einer richtigen Serie entstand nach dem phänomenalen Erfolg von «Hatfields & McCoys» (Foto), einer dreiteiligen Miniserie beim History Channel. Mit knapp 14 Millionen Zuschauern für Teil eins stellte man im Mai 2012 nicht nur einen Allzeit-Rekord beim Sender auf, sondern in der gesamten Kabellandschaft. Die folgenden Teile waren ähnlich erfolgreich; das Finale erreichte sogar über 14 Millionen Menschen in der Erstausstrahlung. Als „völligen Schock“ bezeichnete Programmchef Dirk Hoogstra die Zahlen später; die Arbeiten zur ersten richtigen History-Serie mit «Vikings» wurden daraufhin nochmals beschleunigt.

Qualitativ scheint «Vikings» nach ersten Presseberichten die Erwartungen zu erfüllen, auch wenn man kein neues «Game of Thrones» erwarten darf. Aber die Wikingerserie finde von Folge zu Folge ihr Tempo immer mehr, zeichne die Charaktere komplex, verzichte auf allzu viele Gewalt- und Actionszenen. Und mache vor allem visuell viel her, so die Kritiker. Erfinder und Autor des Projekts ist Michael Hirst, der bereits für den Film «Elizabeth» und die Serie «The Tudors» verantwortlich zeichnet. Als Produzent war er später an Showtimes «The Borgias» beteiligt. Mit «Vikings» will Hirst vor allem ein möglichst authentisches Bild der Wikinger vermitteln, also nicht jenes barbarische und skrupellose, das wir vielleicht im Geschichtsunterricht mal gelernt haben. Wahrscheinlich wird er damit Erfolg haben – und mit der Serie generell, die hervorragende Einschaltquoten verspricht. Und dann auch der Anstoß sein könnte für andere Sender, ihre erstes eigenes Fiction-Format zu produzieren.

In der kommenden Woche lesen Sie bei Quotenmeter.de eine Kritik zum Pilotfilm von «Vikings».
03.03.2013 08:53 Uhr Kurz-URL: qmde.de/62417
Jan Schlüter

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