In der Märchenfortsetzung metzeln sich Hänsel und Gretel in deutschen Wäldern durch Hexenscharen.
Stets um ach so originelle Ideen bemüht, ist die Traumfabrik Hollywood nicht nur bei dem ständigen Streifzug durch Romane, Comics sowie Video- oder gar Brettspiele, sondern ab und an auch beim Wildern in der weithin bekannten Grimm’schen Märchensammlung auf der Suche nach wieder verwertbarem Material für die Filmproduktion. Vor allem in jüngster Zeit dienen letztere Erzählungen verschiedensten Filmemachern wieder verstärkt als Inspirationsquelle für ihre Werke. Während sich diese Welle derzeit in Form der erfolgreichen Fantasy-Krimiserie «Grimm» auf etwas andere Art und Weise auch im Fernsehbereich niederschlägt, sind die Kinomärchen zumindest hinsichtlich ihres grundsätzlichen Settings eher klassisch gehalten.
Nachdem bereits der mittelprächtige «Rotkäppchen»-«Twilight»-Mix «Red Riding Hood» die Kinosäle unsicher gemacht hat und Schneewittchen im letzten Jahr mit «Spieglein Spieglein» sowie «Snow White and the Huntsman» gleich zweimal auf der großen Leinwand zu sehen war, kommt mit der amerikanisch-deutschen Koproduktion «Hänsel und Gretel: Hexenjäger» nun die nächste recht eigenwillige Märcheninterpretation in die deutschen Lichtspielhäuser. Obwohl sich die Gebrüder Grimm angesichts des Endergebnisses wohl im Grab umdrehen würden, ist dem Film ein gewisser Unterhaltungswert keinesfalls abzusprechen. Leider steht er sich jedoch aufgrund einer etwas uneindeutigen Ausrichtung zu oft selbst im Weg.
«Hänsel und Gretel: Hexenjäger» ist in erster Linie eine Fortführung des berühmten Märchens aus der Sammlung der Gebrüder Grimm. Mehrere Jahre nachdem die Geschwister Hänsel (Jeremy Renner, «Die Bourne Verschwörung») und Gretel (Gemma Arterton, «Prince of Persia: Der Sand der Zeit») ohne weitere Erklärung von ihrem eigenen Vater im Wald ausgesetzt worden sind und es dort mit einer waschechten Hexe zu tun bekommen haben, haben es sich die beiden mittlerweile zur Aufgabe gemacht, andere Hexen unerbittlich zu jagen und zu töten. Eines Tages werden sie vom Augsburger Bürgermeister angeheuert, um einigen mysteriösen Kindesentführungen auf den Grund zu gehen. Dabei kommen sie in den umliegenden Wäldern bald einer skrupellosen Oberhexe (Famke Jannsen, «X-Men») auf die Spur, welche die Kinder für ein Ritual benötigt, das sie und die anderen dunklen Magierinnen nahezu unbesiegbar machen soll. Hänsel und Gretel setzen daher alles daran, ihren übermächtigen Feind aufzuhalten.
Um einen solch irrsinnigen Umgang mit einer populären Vorlage erfolgreich anzupacken, ist eine entsprechende Herangehensweise besonders entscheidend. Hier macht der norwegische und durch seinen Nazi-Zombie-Splatterfilm «Dead Snow» (2009) bereits im Horrorkomödienfach erprobte Regisseur und Drehbuchautor Tommy Wirkola zumindest in den grundlegenden Ansätzen vieles richtig. «Hänsel und Gretel: Hexenjäger» nimmt sich die meiste Zeit zum Glück nicht wirklich ernst. Die oftmals comichaft übertriebene (aber leider zu oft mit deutlich erkennbaren Computereffekten angereicherte) Gewaltdarstellung, allerlei amüsant-haarsträubende Gerätschaften der hexenjagenden Geschwister und einige lockere, selbstironische Sprüche sorgen mitsamt den rasant inszenierten Actioneinlagen für gehörigen Spaß. Dazu tragen auch der mitreißende, eine sehr stimmige Einheit mit den Actionszenen bildende Soundtrack sowie mit Abstrichen das eingesetzte 3D bei. Letzteres sorgt zwar im eigentlichen Film nicht unbedingt für Staunen, ist jedoch bei den tatsächlich in Deutschland lokalisierten Waldschauplätzen durchaus wirkungsvoll verwendet, vor allem aber eine definitive Bereicherung für den großartig animierten Vorspann, der sich den bisherigen Erfolgen der Hexenjagd des titelgebenden Geschwisterpaares widmet.
Insgesamt geht Wirkola seinen eingeschlagenen Weg allerdings leider nicht konsequent genug. Bei einer solch absurden Grundidee kann das Geschehen ruhig noch abgedrehter und noch krasser überzeichnet ausfallen, um als reinrassiger und augenzwinkernder trashiger Funsplatter für ein größeres Vergnügen zu sorgen. Wirkolas Film deutet diese Richtung an, weicht von dem angeschlagenen Ton aber des Öfteren auch deutlich ab. So schleichen sich ab und an einige Sequenzen und Elemente ein, die doch ernster gemeint zu sein scheinen, als ihnen vielleicht gut tut und daher mitunter unfreiwillig komisch wirken. Ähnliches gilt auch für die Handlung an sich, die wirklich kaum der Rede wert ist und so nur bedingt zu fesseln weiß. Originalität ist hier definitiv Fehlanzeige. Die Entwicklung und der Ausgang des Ganzen bieten nur wenige Überraschungen. Auch der Abwechslungsreichtum bei den Kämpfen gegen die Hexen lässt zwischenzeitlich etwas zu wünschen übrig, weshalb hier die ein oder andere vorübergehende Länge nicht vermieden werden kann.
Die Riege der Bösewichte kann hier nur sehr wenig rausreißen. Famke Janssen bleibt als brutale Oberhexe völlig blass, was in Teilen aber auch ihrer recht langweiligen Rolle geschuldet ist. Noch schlimmer macht sich dies aber bei ihren Handlangerinnen bemerkbar. Generell ist die Ausgestaltung der Hexen nicht durchweg gelungen. Vor allem ihr Design lässt in vielen Fällen zu wünschen übrig. Während die erste, im Film auftretende Kreatur, die Hänsel und Gretel im Kindesalter in ihrem „Pfefferkuchenhaus“ festgehalten hat, noch wirklich düster und unheimlich gestaltet wurde, machen die im weiteren Verlauf auftretenden Hexen eher einen komischen als furchteinflößenden Eindruck. Generell erscheint es auch etwas befremdlich und altbacken, dass wirklich kaum ein Hexenklischee ausgelassen wird. Eine solche fast schon tollkühne Konsequenz hätte man sich, wie bereits erwähnt, eher an anderer Stelle gewünscht. Es ist so ziemlich alles dabei, von langen Hakennasen, über in Kesseln brodelnde Zaubertränke und finstere Rituale bis hin zu fliegenden Besen… pardon… fliegenden Ästen. Besen wären anhand all der anderen bodenständigen Einfälle natürlich zu lächerlich gewesen.
Wirkolas Einfallsreichtum zeigt sich eher in kleineren anachronistischen Ideen am Rande, die zumindest für das eine oder andere Schmunzeln sorgen dürften. Wirklich bei der Stange gehalten wird man jedoch durch das grundsätzlich hohe Tempo sowie die beiden gut aufgelegten Hauptdarsteller. Jeremy Renner und Gemma Arterton harmonieren sehr gut miteinander und wissen auch jeder für sich durch ihre lässige und charmante Art die Sympathien zu gewinnen, auch wenn man sich bei dem hin und wieder etwas unüberlegten Vorgehen ihrer Figuren mitunter fragt, wie diese überhaupt zu solch erfolgreichen und berühmten Hexenjägern werden konnten. Während sich die Zeichnung aller anderen Charaktere des Films im besten Fall mit Stereotypen begnügt, liefert Wirkola aber zumindest zu den beiden Protagonisten ein klein wenig Hintergrundinformation, bei der er sich auch erlaubt, der aufgegriffenen Originalgeschichte des Märchens einen eigenen, wenn auch vorhersehbaren Dreh zu verleihen, der durchaus gut funktioniert.
Trotz aller Kritik bleibt «Hänsel und Gretel: Hexenjäger» somit über weite Strecken ein recht kurzweiliges Vergnügen, was auch nicht zuletzt der überschaubaren Laufzeit von knapp unter anderthalb Stunden zu verdanken ist. Der sowohl als sehr freie Fortsetzung als auch als zum Teil eigene Interpretation der ursprünglichen Geschichte angelegte Film weiß zwar nicht mit seiner Handlung, dafür aber mit seinem sehenswerten Hauptdarstellerduo sowie dem aberwitzigen Ansatz zu überzeugen. Letzterer wird allerdings durch einige tonale Abweichungen und den Verzicht darauf, die Übertreibung des zweifellos albernen Settings bis zur letzten Konsequenz durchzuziehen, leider nicht gänzlich ausgereizt. So ist das Fantasy-Actionspektakel am Ende jedoch zumindest ein netter Spaß für zwischendurch. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
«Hänsel und Gretel: Hexenjäger» ist ab dem 28. Februar in vielen deutschen Kinos zu sehen.