Der Berliner Senat hat angekündigt, den Krankenhausbetreiber anzuweisen, die Dreharbeiten für eine neue RTL-Doku einzustellen. Der Aufsichtsrat des Betreibers will von diesen gar nichts gewusst haben, während der Chefarzt des Hauses zuvor schon öffentliche Interviews gab.
Es ist eine verzwickte Geschichte mit der sich der Kölner Privatsender RTL und die Münchner Produktionsfirma Shine Germany derzeit herumschlagen muss. Ausgangspunkt ist in diesem Fall die Boulevardpresse. Während Fachmedien in der vergangenen Woche freudig darüber berichten, dass die vor allem in Großbritannien gefeierte Doku «One born every Minute» unter dem Titel
«Babyboom» nach Deutschland kommen soll und die Dreharbeiten in einem Berliner Krankenhaus anlaufen, titelten Bild und Co. mit «Big Brother» im Kreißsaal“.
Wer das Original nicht kennt, der kann anhand der bloßen Beschreibung durchaus solche Vergleiche ziehen. Diese rühren vor allem wohl durch Konzeptelemente wie „30 fest installierte Kameras“ her und eine ständige Überwachung. Shine hatte zuletzt nämlich Teile des Krankenhauses mit solchen ferngesteuerten Kameras versehen. Sie filmen das Geschehen 24 Stunden lang – vor Ort greifen keine Mitarbeiter in das Geschehen ein, es gibt direkt im Krankenhaus keine Realisatoren oder andere Mitarbeiter der TV-Crew. Das macht das Format so authentisch wie kaum eine andere Dokumentation. Entstehen soll eine faszinierende Reihe über die ersten Stunden und Tage eines menschlichen Lebenwesens.
Die Schlagzeilen haben inzwischen aber die Politik auf den Plan gerufen und so hat der Berliner Senat den Eigentumsvertreter des Klinikbetreibers Vivantes angewiesen die Filmaufnahmen mit sofortiger Wirkung einzustellen. Das soll nun wohl auch passieren – auf der nächsten Aufsichtsratssitzung am 20. März will man dann entscheiden, ob weitergedreht werden darf, oder nicht. Offiziell übrigens wurde das Klinikum noch nicht über diesen Schritt informiert. Dem Aufsichtsrat – so hieß es am Dienstag – sei im Vorfeld gar nicht bekannt gewesen, dass im Krankenhaus ein solches Projekt läuft.
Das verwundert schon, war es doch der Chefarzt der Klinik für Geburtsmedizin und Gynäkologie am Vivantes Klinikum im Berliner Friedrichshain, Dr. Lars Hellmeyer, vergangene Woche noch selbst, der vom TV-Projekt überaus begeistert war. „Uns reizt das innovative Format, bei dem keine Kamera-Teams auf der Station unterwegs sind. Durch die feste Installation der Kameras, wird das Klinikgeschehen so authentisch – und mitunter emotional dargestellt – wie möglich. Gleichzeitig wird der Klinikbetrieb durch die feste Installation in keiner Weise gestört“, erklärte der Mediziner. Er bestätigte damals auch, dass zahlreiche Entscheidungsträger im Klinikum dem Projekt zugestimmt hätten. „Wir haben die anderen Kliniken des Vivantes Klinikums in Friedrichshain einbezogen, Pflege und ärztliches Direktorium, die Rechtsabteilung und Kollegen vom Betriebsrat. Nach diesem gemeinsamen Prozess haben wir zugesagt.“
Zudem erklärte Hellmeyer schon damals, dass keiner der Patienten oder Mitarbeiter gezwungen werde an dem Projekt teilzunehmen, weil nur bestimmte Teile des Klinikums mit solchen Kameras ausgestattet sind. Die aktuell angeführten Argumente für den Drehstopp (Kinderrecht, Mitarbeiterschutz) erscheinen somit recht merkwürdig und die Geschichte hat eher den Anschein, als würden lokale Politiker die TV-Sendung nutzen wollen, sich überregional bekannt zu machen.
RTL gab sich gegenüber Quotenmeter.de am Dienstag gelassen. „Sämtliche Rechtefragen wurden weit im Vorfeld und in enger Zusammenarbeit zwischen Produzent und Klinik geklärt. Wir gehen daher davon aus, dass die Dreharbeiten weitergehen können“, sagte eine Sprecherin und fügte hinzu: „Kritikern empfehlen wir bei aller Wertschätzung, sich zu informieren, bevor sie ein Urteil fällen.“ Und das wäre in der Tat ratsam gewesen: Wäre das nämlich passiert, hätte es die Aufregung mit ziemlicher Sicherheit nicht gegeben. Der Sender plant, die Doku im Sommer zur Primetime auszustrahlen.