Wieder einmal stehen die Drittsendezeiten in der Diskussion. Sat.1 sieht nun die Chance, sich von «Planetopia» und Co. zu befreien – dank gesunkener Sendermarktanteile, die eine Drittanbieter-Lizenz nicht mehr rechtfertigen. Aber damit gesteht sich Sat.1 auch das eigene Scheitern ein.
Mit Drittanbieter-Sendungen haben eigentlich alle so ihre Probleme: Die Sender, die sich mit meist schwachen Einschaltquoten begnügen müssen; die Zuschauer, die das Angebot nicht wertschätzen; die Konkurrenten, die auf dem zuletzt umkämpften kleinen Drittanbieter-Markt keine Chance bekommen. Seit Jahren hat Alexander Kluges Firma dctp sowie News and Pictures quasi das Monopol auf die Produktion der Drittanbieter-Sendungen in Sat.1 – Mitbewerber wie zuletzt N24 haben immer wieder das Nachsehen. Ulrich Wickert ging als TV-Produzent im Jahr 2008 sogar wegen dieses Umstands vor Gericht, zog später seine Klage zurück, angeblich wegen geringer Erfolgsaussichten. Im vergangenen Jahr war eine Klage – diesmal direkt von Sat.1 und N24 – erfolgreich, Konsequenzen wurden noch nicht gezogen. Ex-Sat.1-Chef Roger Schawinski schrieb in seinem Enthüllungsbuch einst von einem regelrechten Medienklüngel und erhob schwere Vorwürfe gegen die Regelungen zu den Lizenzen, die immer wieder dieselben Produzenten bevorzugen. Fest steht eines: Drittanbieter sorgen seit Jahren für Gesprächsstoff.
Worum geht es grundsätzlich? Vollprogramme, oder Spartenprogramme mit Schwerpunkt Information, müssen laut Rundfunkstaatsvertrag Sendezeiten für Formate unabhängiger TV-Produzenten einräumen. Damit soll die Meinungsvielfalt im Privatfernsehen gewährleistet bleiben, das sich sonst nur an der Einschaltquote orientiert. Der Knackpunkt: Auch die Drittsendezeiten sind an die Quote gekoppelt. Verpflichtend wird die Ausstrahlung laut „Drittsendezeitenrichtlinie“ erst, wenn ein Sender mehr als zehn Prozent Marktanteil innerhalb eines Jahres eingefahren hat. Zuletzt war dies nur bei RTL und Sat.1 der Fall – diese Sender strahlen entsprechend Formate wie «Stern TV», «Spiegel TV», «Planetopia» und Co. aus, die allesamt von unabhängigen Drittanbietern hergestellt werden.
Nun aber wittert Sat.1 die Chance, sich von der ungeliebten Pflicht entbinden zu lassen: Im entsprechenden Messzeitraum unterschritt der Sender die Marke von zehn Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum ab drei Jahren. Weiterhin unterschritt die gesamte Sendergruppe – darunter auch ProSieben und kabel eins – die Messlatte von 20 Prozent, die ebenfalls zu Drittsendezeiten verpflichtet.
Sat.1 lässt jetzt von den Medienaufsehern prüfen, ob man sich von der Drittsende-Pflicht entbinden lassen kann. Eine entsprechende Anfrage wurde gestellt. Das eigene Scheitern, dank massiv gesunkener Marktanteile in den vergangenen Monaten, wird zur Chance – eigentlich ein selbst eingestandenes Armutszeugnis für den Sender, der offensichtlich auch gar nicht in Betracht zieht, mittelfristig wieder erfolgreicher zu sein. Sonst könnte man sich die Anfrage sparen.
Würde die Verpflichtung wegfallen, droht gleich mehreren Sat.1-Formaten die Absetzung. Darunter dem Magazin «Planetopia» am späten Montagabend, der Kulturreihe «News & Stories» und «Weck Up» am Sonntagmorgen oder der «Focus TV Reportage». Insgesamt 180 Minuten Sendezeit entfallen pro Wochen auf die Drittanbieter, weitere auf bestimmte Regionalfenster – inwiefern diese von einem Ende der Sendepflicht betroffen wären, bleibt abzuwarten.
Warum Sat.1 den Schritt zur möglichen Abschaffung der Drittsendungen geht, ist offensichtlich: Einerseits hat man kaum Mitspracherecht bei der Gestaltung dieses Programms, andererseits haben die Drittsendungen schlechte Quoten. «Planetopia» bewegte sich zuletzt oft beispielsweise bei Marktanteilen zwischen drei und fünf Prozent beim Gesamtpublikum, zwischen fünf und sieben Prozent bei den werberelevanten Zuschauern.
Generell zeigt sich aber hier auch das Dilemma der Drittanbieter: Sat.1 freut sich über deren schwachen Zahlen, da sie ebenfalls in die generellen Monats- und Jahresmarktanteile einfließen – wenn auch nur zu geringem Anteil. Niedrige Werte für «Planetopia» und Co. sind daher begrüßenswert. Umgekehrtes gilt für die Produzenten dieser Formate, wie dctp und News and Pictures: Sie sollten die Meinungsvielfalt eigentlich unabhängig von der Quote sichern, doch wenn ihre Existenz auf dem Spiel steht (wie jetzt), werden die Zahlen umso wichtiger. Weiterhin könnte Sat.1 theoretisch bewusst auf sinkende Marktanteile setzen, wo es nicht wehtut – beispielsweise in der Nacht – um sich dank gesunkener Gesamtquoten von der Drittanbieterpflicht zu befreien. Es reichen derzeit nur geringe Marktanteilsverschiebungen, um eine Entscheidung für oder wider die gesamte Verpflichtung zu fällen. Eine Überarbeitung der Richtlinien wäre daher überfällig, beispielsweise durch die Kopplung an den Umfang der Drittsendezeiten. Je nach eigenem Sendermarktanteil müsste ein Vollprogramm dann mehr oder weniger Lizenzprogramm ausstrahlen.
Unabhängig aller Kritik am Reglement wären letztlich aber auch diese Drittanbieter-Sendungen verzichtbar: Mit üblichen Boulevard- und Verbraucherthemen sind Formate wie «Planetopia» völlig austauschbar und unterscheiden sich kaum von einem Magazin, das aus eigenem Hause produziert würde. Es kann wirklich nicht im Interesse der Zuschauer und der Landesmedienanstalten sein, wenn «Planetopia» über die nächsten aufgewärmten Pferdefleisch-Skandale oder «Spiegel TV» über die Karriere von Dschungelcamp-Kandidatin Olivia Jones berichtet. Insofern haben sich die Drittanbieter ohnehin größtenteils dem Niveau der Privatsender angepasst, solange die Medienhüter offensichtlich nur auf die Quoten schauen und weniger auf die teils fragwürdigen Inhalte. Auch hier gibt es Überarbeitungsbedarf, denn gerade die Inhalte müssten eine Rolle spielen – zum Beispiel bei der Vergabe der Drittsendelizenzen, die so oft in der Kritik stand.
Sat.1 dürfte auf all diese Querelen gern verzichten – und hätte dann auch wieder ein paar mehr Sendeplätze für «Navy CIS» frei.