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4 Gründe, warum die «Patchwork Family» mäßige Quoten einfährt

TV-Berater Uwe Walter spricht wieder Klartext: Diesmal analysiert er die ersten 4 Minuten von «Modern Family» und «Patchwork Family».

Für mich sind die ersten Minuten einer neuen Serie entscheidend. Steige ich direkt voll ein? Packt es mich emotional? Denke ich: „Das kenne ich“ oder „Das geht mir oft genauso“?

Ob das so ist, liegt nicht unbedingt am Thema einer Serie. Es liegt an der Machart. Und weil gerade in jeder TV-Kritik die «Patchwork Family» mit der US-Serie «Modern Family» verglichen wird, habe ich genau das getan. Verglichen. Ich habe mir die ersten 4 Minuten beider Serienpiloten angeschaut. Hier meine Ergebnisse – und die 4 Gründe dafür, dass die eine eher mäßig eingestartet ist, während die andere Emmys gewinnt.

1. Struktur

Bei «Modern Family» (Foto) gibt es 3 Familien mit 3 Geschichten in 3 Szenen, die hintereinander weg erzählt werden. Dazu kommt jeweils eine „Sofaszene“, in der nur das Paar (ohne Kinder) auf dem Sofa sitzt und etwas über seine Beziehung und seine Lebensweise erzählt. Eine vollkommene Orientierung – ich kann nach wenigen Minuten alle Familienmitglieder zuordnen.

«Patchwork Family» hat 9 (!) Szenen (teils ineinander verschachtelt) plus Trailer. Es ist mir nach 4 Minuten nicht mit Sicherheit möglich zu sagen, welche Figuren zu welcher Familie gehören. Auch hier gibt es Sofaszenen, die jedoch von Sarkasmus und Distanz getragen werden.

2. Rollenverteilung und Charakterisierung

«Modern Family» schafft es in 4 Minuten alle Personen klar zu charakterisieren und ihnen eine eindeutige Rolle zuzuweisen. Es gibt die Aufbrausende, die Verklemmte, die Pfiffige, die Drama-Queen. Wie das geht? Indem Dialoge und Handlungen authentisch erzählt werden und zueinander passen. Wie das kommt? Die Autoren der Serie haben sich immer wieder Geschichten über ihre Familien erzählt, bis sie merkten: das wäre ein guter Stoff für eine Serie. Der Ursprung der Serie ist also eine True Story.

«Patchwork Family» zeigt Menschen, die Texte sprechen und versuchen eine Rolle zu verkörpern. Die Texte haben oft wenig Bezug zur Rolle. Die Situationen sind erfunden. Es gelingt in den ersten 4 Minuten nicht ein Umfeld zu entwickeln, in dem authentische Rollen und Charakterzüge Platz haben.

3. Konflikte

«Modern Family» zeigt Konflikte, die wir alle kennen. Die Mutter hat es Krachen lassen, als sie jung war – und verbietet deshalb heute ihrer Tochter, einen Minirock in der Schule anzuziehen. Der Vater ist Laissez faire (und hat mal wieder nicht zugehört). Deshalb findet er den Rock auf Nachfrage seiner Frau süß - und schon ist der Konflikt vorprogrammiert. Was aussieht wie eine oberflächliche Szene, ist ein Konflikt, der im Charakter und der Historie der Personen begründet ist.

Bei «Patchwork Family» gibt es viele Auseinandersetzungen. Der eine will den anderen nicht ins Bad lassen, der eine räumt nie auf, was den anderen nervt, die eine kommt erst morgens nach Hause und versucht ihre auswärtige Nacht zu vertuschen. All das könnte man liebevoll schreiben. Doch «Patchwork Family» bleibt auch hier an der Oberfläche. Gekeife und immer wieder die gleichen Sätze (Du nervst. Du gehst mir auf den Sack. Ich finde Dich Scheiße.) treten an die Stelle echter Konflikte.

4. Sprache

Die Sprache bei «Modern Family» ist emotional. Mal aufbrausend, mal liebevoll, mal ermahnend. Sie ergreift Partei – aber immer nur mit der Absicht, die Sippe zu stärken.

«Patchwork Family» ist gescripted, aber nicht ausgeschrieben. Die Laiendarsteller dürfen ihre Texte frei sprechen. So kommt es zu ungewöhnlich vielen Kraftausdrücken („Du siehst aus wie eine Straßennutte“), Wiederholungen und rhetorischen Fragen („Muss das jetzt sein? Braucht ihr eine Extraeinladung? Könnt ihr mal wie normale Menschen miteinander reden?“). Das trägt die Handlung nicht weiter, wirkt aufgesetzt und unecht.
31.01.2013 09:20 Uhr Kurz-URL: qmde.de/61804
Uwe Walter

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Modern Family Patchwork Family

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