Die Dokumentation erzählt anhand zweier unschuldig Verurteilter, wie schlampige Ermittlungen Menschenleben ruinieren können.
Es klingelt und die Polizei steht vor der Tür. Dann wird jemand zu Unrecht des Mordes bezichtigt, verurteilt und weggesperrt. Nun muss die Unschuld des Inhaftierten bewiesen werden. Was gerne als Stoff für dramatische Filme (wie zum Beispiel 14 Tage lebenslänglich) genommen wird, ist in der Realität weit weniger actionreich. Dafür endloser Nervenkrieg und buchstäblicher Kampf ums Überleben. Denn auch mit Helfern oder Verbündeten außerhalb der Gefängnismauern ist eine Aussicht auf Erfolg gering. Anhand zweier aufgeklärter Justizirrtümer erzählt die Dokumentation Unschuldig in Haft – Wenn der Staat zum Täter wird von Horst Arnold und Monika de Montgazon. Durch mangelhafte Recherche und offenbar schlampige Arbeit der Ermittler werden Beide um Jahre ihres Lebens betrogen. Wie der Zuschauer sich denken kann – und im Laufe der 45 Minuten bestätigt bekommt – ist es mit dem Beweis der Unschuld und Freilassung nicht getan; Familie und Partner wollen nichts mehr von einem wissen, Ächtung durch das Umfeld und der Job ist sowieso weg. Was bleibt ist Sozialhilfe und Selbstaufgabe.
Horst Arnold ist ein unauffälliger Lehrer. An einem Tag wie jedem anderen, bringt er etwas in einen Raum, in dem auch eine Kollegin ist. Nichts Besonderes geschieht weiter. Zwei Wochen später steht die Polizei vor Horst Arnolds Wohnungstür, zeigt ihm den Haftbefehl und nimmt ihn vom Fleck weg mit. Bis zur Verhandlung vergeht ein Jahr Untersuchungshaft. Im folgenden Verfahren wegen Vergewaltigung werden wichtige Punkte unter den Tisch fallen gelassen, das Gericht verurteilt Horst Arnold zu fünf Jahren Haft. Erst als einer Kollegin der mutmaßlich vergewaltigten Lehrerin Zweifel an deren Aussagen kommen, wird der Fall neu aufgerollt. Nach Jahren dann endlich der Freispruch.
Monika de Montgazon wohnt mit ihrem Partner und dem pflegebedürftigen, krebskranken Vater in einer Wohnung. Eines nachts brennt es. Monika de Montgazons Vater stirbt. Als ein Gutachter Spiritusrückstände findet, wird die trauernde Tochter wegen Mordes angeklagt und zu lebenslanger Haft verurteilt. Nur dank der hartnäckigen Recherche ihrer Verwandtschaft und einiger unabhängiger Gutachter stellt sich heraus, dass der vermeintliche Brandbeschleuniger schlicht der Bodenbelag war. Monika de Montgazon wird frei gesprochen. Nach zweieinhalb Jahren ist sie endlich in Freiheit – und sitzt auf 30.000 Euro Gutachterkosten, die der Staat nicht zu zahlen bereit ist.
Unschuldig in Haft – Wenn der Staat zum Täter wird von Jan Schmitt und Alejandro Cardenas-Amelio nähert sich behutsam dem Thema 'unschuldig verurteilt' an. Unterstützt durch zurückhaltend inszenierte Spielszenen, kommen nicht nur die beiden Hauptprotagonisten zu Wort und können ihrer Wut und Endtäuschung Luft machen. Auch Verwandte, involvierte Ermittler und Anwälte geben ihre Sicht der Dinge zu Protokoll. Es zeigt sich, dass es jeden erwischen kann. Man fühlt sich an mittelalterliche Hexenverfolgung erinnert, wenn ein einfaches „Der war's!“ ausreicht, um jemanden ins Gefängnis zu bringen. Ganz so einzigartig, wie es im Pressetext heißt, ist der Blick hinter die Kulissen dann aber doch nicht. Denn Interviews mit frustrierten Polizisten und Szenen aus einer JVA hat man schon oft gesehen. Nichtsdestotrotz ist Unschuldig in Haft – Wenn der Staat zum Täter wird eine spannende und sehenswerte Doku über ein Thema, dass mehr Aufmerksamkeit verdient.
Im Verlauf der Sendung zeigt sich, wie es zu Fehlurteilen kommen kann und wie die Justiz darauf reagiert. Denn eigentlich irrt das Gesetz doch nicht, oder? Sind wir als Bürger nicht alle vom Gutdünken des Staats abhängig? Horst Arnold wird von verschiedenen psychologischen Gutachtern sogar eine 'schwere seelische Abartigkeit' bescheinigt – nur, weil er eine Tat nicht gestehen will, die er nicht begangen hat. Die Dunkelziffer der unschuldig Verurteilten muss gewaltig sein. Hier hätte Unschuldig in Haft – Wenn der Staat zum Täter wird noch etwas tiefer graben können. Dennoch weist die Doku auf ein Thema hin, dass eine breite Öffentlichkeit verdient hat. Nichts preisverdächtiges, aber sehr interessant.
Das Erste zeigt die Dokumentation «Unschuldig in Haft» am 21.01.2013 um 22:45 Uhr.