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Florian Schröder: „Senderchefs denken zu sehr in Formaten und nicht in Personen“

Im zweiten Teil des Quotenmeter.de-Interviews mit Florian Schroeder lässt der Satiriker das Jahr 2012 Revue passieren: Dabei spricht der «Das Ernste»-Moderator auch über Kritiker und die Zukunft von YouTube-Stars im Fernsehen…

Florian Schroeder, nach Ihrer Pilotsendung «Das Ernste» gab es auch kritische Stimmen in der Branche. Wie gehen Sie mit Negativ-Schlagzeilen oder schlechten Kritiken um?
Mich berührt das ehrlich gesagt gar nicht. Ich kenne das. Ich bin ja mittlerweile seit sieben Jahren als Kabarettist auf Bühnen in ganz Deutschland unterwegs. Auch da erlebt man es insbesondere in der Anfangszeit immer wieder, dass man runter geschrieben wird. Das ist ok, das gehört dazu. Im Fernsehen gehört es zum Geschäft, dass die Berichterstattung im Vorfeld tendenziell eher negativ ist. Insbesondere in einer Kleinstadt, von der man das Gefühl hat, da sind schon alle Häuser besetzt, wieso kommt jetzt die dicke, fette ARD noch dazu und gentrifiziert das Viertel? Was sich jenseits der medialen Selbstbespiegelung zeigt, ist eine Tendenz, dass Häme mit Ironie verwechselt wird. Das mag auch das Ergebnis der Kultur der Kritik sein, in der wir leben. Das ist der Punkt, an dem sich Künstler und Kritiker treffen: Wir haben es uns gemütlich gemacht in einer passabel eingerichteten Puppenstube der schlechten Laune: Seit ich denken kann, lebe ich in der dauernden Apokalypse. Jeden Tag geht die Welt unter, die Sonne ist schon gescheitert, bevor sie aufgegangen ist. Es ist auch sehr bequem, die Dinge von ihrem Ende, ihrem scheinbar notwendigen Scheitern her zu denken, immer mit der untergehenden Sonne.

Ja, immerhin haben wir den angeblichen Maya-Weltuntergang überlebt. Unter Ihren Zuschauern gibt es sicher viele Fans der «Freitag Nacht News»… Vielleicht eine moderne Form dieser Show?
Ja, das stimmt... «Freitag Nacht News» ist ein guter Vergleich. Wer Spaß hat an Formaten wie der „heute Show“ und Ähnlichen wird auch Spaß an unserem Format haben. Es ist genug Platz für alle da.

Sie sind bekannt für Ihre Parodien von Politikern und Prominenten…
Auf der Bühne ist das natürlich besonders schön. Dort arbeite ich komplett ohne Maske. Da sind natürlich Figuren wie Angela Merkel besonders lustig. Allein schon, weil ich ein Mann bin und keiner damit rechnet. Ich mag vor allem die Figuren, bei denen alle sagen, die sind eigentlich nicht parodierbar. Das kommen ja stündlich neue hinzu. Ich versuche die dann zu knacken und das reizt mich sehr. Das sind dann Leute wie Philipp Rössler, Joachim Gauck, Peer Steinbrück oder jetzt auch Altmaier. Gerade so ein Gauck, der so in der Öffentlichkeit steht als Bundespräsident, aber im ersten Augenblick überhaupt keine stoiber-resken Knallchargen-Charakteristika mitbringt. Man wächst ja auch mit seinen Figuren.

Kam es denn schon mal zu einer Begegnung einer parodierten Person?
Ja, tatsächlich! (lacht). Günther Oettinger hat mich mal engagiert, als er noch Ministerpräsident in Baden-Württemberg war. Der war ja sozusagen der Stoiber 2.0. Der wusste, dass ich ihn wirklich gnadenlos parodiere. Er saß dann in der ersten Reihe und guckte zu. Das war eine schöne Selbstüberprüfung für mich als Kabarettist, um zu sehen, ob der Text bestehen kann auch wenn das Opfer im Raum ist. Aber dann saß er vor mir lachend und hat sich Tipps geholt, was er anders machen kann.

Markus Lanz gehört ja auch zu Ihrem Repertoire, der dank «Wetten, dass…?» 2012 Schlagzeilen machte…
Ja, der hat auch sehr viel Humor. Ich glaube, dass er sich da rein finden wird. Ich schätze ihn ja sehr und glaube, dass er das packen wird. Über die Zeit wird er das Format prägen. Ich finde den Start absolut respektabel vor dem Hintergrund des Drucks, der herrscht, wenn man diesen Platz bespielt. Wenn er seinen im Moment noch sehr großen Ehrgeiz noch ein bisschen im Zaum hält, dann wird Raum sein für die Leichtigkeit, die eine Samstagabendshow erst zu dem werden lässt, was sie sein kann.

2013 ist ja auch Wahlkampf, eine dankbare Zeit für Comedians?
Wahlkampf ist natürlich immer High-Noon. Ich freue mich ungeheuer drauf. Vor allem reizen mich die Fernsehduelle zwischen Steinbrück und Merkel: Auf der einen Seite die graue Maus mit den immer gleichen Klamotten und diesem todlangweiligen Stil und auf der anderen Seite Angela Merkel.

Was halten Sie als Comedian von den beiden Kanzlerkandidaten?

Beide sind sehr spannend, Ich glaube nicht, dass Steinbrück eine Chance hat, genieße aber die Ironie und den leicht arroganten Humor, den er vor sich herträgt. Das ist im aalglatten Dauernettigkeits–Politzirkus selten geworden. Merkel ist eben Merkel. Da weiß man, was man hat – oder auch nicht. Und deshalb ist sie ja auch erfolgreich.

Sie sind sonst Live-Publikum gewöhnt, «Das Ernste» wurde aber ohne Publikum aufgezeichnet – eine bewusste Entscheidung?
Das war zunächst einfach dem Piloten geschuldet. Wir standen vor der Entscheidung, was wir machen: Die Anfrage der ARD kam relativ kurzfristig und wir hatten wenig Zeit. Wir haben überlegt, wie wir da rangehen. Ob mit Publikum oder ohne? Wir haben uns dann gegen Publikum entschieden, um das Hauptgewicht zunächst auf die Parodien zu legen und in Ruhe produzieren zu können. Das brauchte Zeit innerhalb des sowieso kleinen Zeitfensters. Wir haben uns da auf eine sehr konzentrierte Arbeitsweise festgelegt, das war auch das Beste. Ich selbst bin natürlich ein großer Fan von Publikum. Ich liebe diesen Austausch. Da entwickelt man als Bühnenkünstler nochmal eine ganz andere Energie.

Schauen wir auf 2012: Nicht nur die Comedy-Branche trauerte um Dirk Bach…
Sehr tragisch. Ich kannte ihn leider nicht persönlich. ein sehr großer Kollege, der es wirklich geschafft hat, sowohl das Dschungel-Camp erfolgreich und sehr respektabel zu meistern, aber auch Theater zu spielen. Das verdient größten Respekt. Er hatte eine Breitenwirkung, da ziehe ich den Hut.

Was war 2012 Ihr Top und Flop?
Großartig fand ich die Fußball-Berichterstattung zur Europameisterschaft im ZDF. Mit Müller-Hohenstein und Olli Kahn auf einem Hubschrauber-Landeplatz der NVA auf der weltberühmten ukrainischen Insel Usedom (lacht). Ich glaube, man hat von dort aus auch getwittert. Deshalb ist man auch nach Usedom gegangen, weil man dachte, die Insel heißt Use-Dom. Da kommt der User her. (lacht)

War das dann zugleich Ihr Flop?

Naja, der größte Flop war der Rücktritt von Christian Wulff, weil damit doch einer gegangen ist, der die Humorindustrie über mehrere Wochen alleine ernährt hat. Ich finde, er hätte bleiben müssen, weil ein Land der Schnäppchenjäger keinen anderen Bundespräsidenten als ihn verdient hat.

Verraten Sie uns Ihr persönliches Highlight 2012?
Mein persönliches Highlight war tatsächlich die Produktion von «Das Ernste», dass ich das mit diesem Team zusammen machen durfte. Das war großartig, das mit den vier Kollegen gemeinsam aufbauen zu dürfen. Die Zeit war hart, aber großartig. Jetzt fragen Sie bestimmt nach einem Flop, aber mir fällt keiner ein…

Stimmt, aber dann war Ihr Jahr ja doch nicht so schlimm…?
Ja, eigentlich nicht. Naja, ich war im Sommer im Urlaub an der Nordsee und das Wetter war scheiße! Das war wirklich mein Flop.

Sie sprachen Twitter beim ZDF an: Verändert das Internet die Comedy-Landschaft?

Ich glaube tatsächlich, dass das sehr positiv ist. Man kann sich bei YouTube vier, fünf Minuten etwas anschauen und sehen, wie ist einer drauf? Gefällt mir das, was der da macht? Das ist für uns natürlich auch eine wunderbare Werbeplattform, genau wie Facebook. Ich nutze das auch, aber ausschließlich als Fan-Seite. Ich finde es nur seltsam, wenn Senderchefs sagen: Das ist ein YouTube-Star, mit dem müssen wir eine Sendung machen! Daran glaube ich nicht. Ich glaube, dass das ein anderes Medium ist. Leute, die mit der Heimkamera lustige Sachen machen, mögen großartig und in ihrer Einfachheit sehr kunstfertig sein, aber ob sich das auf die große Bühne Fernsehen mit all ihren Gesetzen und Notwendigkeiten übertragen lässt, ist eine andere Frage. Ich bin sehr optimistisch, dass das Internet das Fernsehen ergänzt und bereichert, aber nicht ersetzt. Leute, die zum Fernsehen wollen und sich in dieser Infrastruktur wohl fühlen, müssen ein anderes Format mitbringen. Da verwechselt mancher Senderchef in der Euphorie der neuen Möglichkeiten die Gesetze zweier unterschiedlicher Medien.

Was ist also wichtiger? Talent oder Format?

Grundsätzlich ist das Talent sicher wichtig. Aber Talent kann nur blühen, wenn auch das Format für den Protagonisten gemacht ist. Auch das größte Talent wird scheitern, wenn das Format nicht zu ihm passt. Insofern muss beides zusammen kommen und das ist leider relativ selten, weil Senderchefs viel zu sehr in Formaten denken und nicht in Personen. Die Frage muss doch immer sein: Wer ist der Typ? Was kann der? Wo will der hin? Was bringt er mit und was kann er noch werden, wovon er vielleicht selbst noch gar nichts weiß? Stattdessen sagt man leider aus Bequemlichkeit zu oft: Hier ist das Format, das vor drei Monaten im neuseeländischen Fernsehen großartig getestet hat - mit wem besetzten wir das jetzt? So verbrennt man Talent, das man gar nicht ausgereizt hat.

Sie denken nicht zufällig an Thomas Gottschalk?

Ehrlich gesagt, hatte ich da niemanden konkret im Auge. Gottschalk ist in einer ganz eigenen Liga. Das ist ein intelligenter Mann, der weiß, was er tut. Er kennt das System und die Branche. Ich dachte da eher an jüngere Leute. Wenn ich überlege, was mir alles schon angeboten wurde. Da habe ich mich schon oft gefragt: Haben die sich nur einmal angeschaut, was ich sonst so mache?

Das wissen wir nun hoffentlich. Vielen Dank für das Interview, Florian Schroeder!
03.01.2013 10:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/61211
Benjamin Horbelt

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