Bereits zum 38. Mal wird Stefan Raab am Samstagabend gegen eine vermeintlich sportlich wie intellektuell deutlich überlegene Person antreten - und geht nach sechs Siegen hintereinander als deutlicher Favorit ins Rennen um die 3,5 Millionen Euro.
Man möchte es als junger Mensch eigentlich gar nicht realisieren, aber
«Schlag den Raab» läuft inzwischen tatsächlich bereits seit mehr als sechs Jahren im deutschen Fernsehen. Seit die einzig nennenswerte Samstagabend-Kreation der jüngeren Vergangenheit am 23. September 2006 erstmals über die Bildschirme flimmerte, hat sie sich konzeptionell kaum verändert: Das Publikum wählt aus fünf Vorschlägen einen Kandidaten aus, der sich gegen den großen Entertainer Stefan Raab in insgesamt 15 Spielen mit aufsteigender Wertigkeit duelliert - wobei beide Kontrahenten nicht über die Auswahl der Spiele informiert sind und somit möglichst breit gefächerte Begabungen mitbringen müssen. Setzt sich der Kandidat durch, ist er um eine erhebliche Summe reicher, siegt Raab, wandert das Preisgeld in den Jackpot.
So simpel und unspektakulär dieses Konzept zunächst auf dem Papier auch klingen mag, in der Umsetzung hat es sich zum vielleicht größten Showerfolg des neuen Jahrtausends, definitiv aber zum größten Vorzeigeformat von ProSieben entwickelt. Gleich sechs Mal im Jahr nimmt der Sender einen erheblichen finanziellen und organisatorischen Aufwand auf sich, um die Vielzahl an Spielen, Kulissen und Showacts auf hohem Niveau realisieren zu können. Doch das lohnt sich, wie die riesige Fanbase der Sendung, ihre mediale Bedeutung und auch die internationale Wertschätzung zeigen. Bis heute haben fast 20 Staaten in Europa, Nordamerika, Asien und Australien die Rechte an diesem Format erworben - und nicht selten gezeigt, wie man die Idee nicht umsetzen sollte.
In Deutschland hingegen hat sich die Sendung längst etablieren können, wie ein Blick auf die Einschaltquoten der vergangenen Jahre zeigt: Nach 3,38 Millionen Zuschauern und 13,6 Prozent Marktanteil beim Gesamtpublikum sowie phänomenalen 2,55 Millionen und 26,7 Prozent in der werberelevanten Zielgruppe zum Auftakt holte das Raab-Spektakel im Jahr 2007 13,6 Prozent aller und 24,8 Prozent der jüngeren Zuschauer. Auch in der Folge blieben die Werte mit deutlichen Schwankungen zwischen den einzelnen Shows insgesamt stabil, bis im Mai 2009 das erste Drei-Millionen-Duell mit Chemie-Doktorand Nino Haase auf bis heute ungeschlagene 20,8 Prozent aller und 34,9 Prozent der jungen Zuschauer kam. Die für viele Fans deutlich erinnerungswürdigere Performance des als "Hass-Martin" bezeichneten Hans-Martin Schulze kam anschließend nicht über deutlich schwächere, wenngleich immer noch grandiose 15,4 und 26,1 Prozent bei 3,36 Millionen Interessenten hinaus.
So sehr also viele Stammzuschauer bestreiten mögen, dass die zu gewinnende Geldsumme eine entscheidende Rolle bei der Konsumentscheidung spielt: Für die breite Masse dürften die an diesem Samstag ausgerufenen 3,5 Millionen doch deutlich stärkere Einschaltanreize bieten als die vergleichsweise normalen 500.000 Euro. Warum Teile des Publikums so vergessen auf die für den eigentlichen Unterhaltungsfaktor der Show unerhebliche Gewinnsumme sind? Vielleicht, weil sie bei über drei Millionen Euro eher das Gefühl haben, etwas "Historisches" zu verpassen als bei einer läppischen halben Million, die seit vielen Jahren gang und gebe ist bei Fernsehshows. Vielleicht, weil Raabs "Verlust" umso schwerwiegender erscheint, je mehr Geldkoffer sein Gegner am Ende in der Hand hält. Vielleicht aber auch nur, weil es meist erst bei wirklich hohen Gewinnen Berichte wie diesen hier gibt, die verstärkt auf die Ausstrahlung der Sendung hinweisen.
Den Programmplanern von ProSieben wird diese größere Aufmerksamkeit in jedem Fall recht sein, denn bei allen Erfolgsmeldungen darf nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Quoten zuletzt doch leicht in die falsche Richtung entwickelten. Waren 2010 bei 3,69 Millionen Zuschauern noch 14,6 Prozent aller Fernsehenden an den sechs Abenden des Jahres mit dabei, fielen die Werte 2011 leicht auf 3,21 Millionen und 13,8 Prozent zurück. Bei den 14- bis 49-Jährigen waren 2010 noch durchschnittlich 24,6 Prozent zu holen, ein Jahr später standen unter dem Strich nur noch 22,8 Prozent zu Buche. Mit einer Durchschnittsreichweite von 3,09 Millionen und Marktanteilen von 13,4 bzw. 21,8 Prozent für die fünf bisher gezeigten Sendungen in diesem Jahr setzte sich dieser Trend erneut fort - wenngleich dies natürlich nach wie vor überragende Werte sind und der Negativtrend alles andere als bedrohlich ist.
Von deutlich stärkeren Abnutzungserscheinungen ist der größte Konkurrent an diesem Abend betroffen, denn «Das Supertalent» hat zur Zeit mit den schwächsten Reichweiten seit Jahren zu kämpfen und musste in der vergangenen Woche mit nur noch 3,83 Millionen Zuschauern sowie 12,3 Prozent aller und 17,0 Prozent der werberelevanten Konsumenten sogar die schlechtesten Werte in der fünfjährigen Formatgeschichte hinnehmen. Beim großen Finale ist in dieser Woche gewiss wieder eine deutlich höhere Sehbeteiligung zu erwarten, doch wirklich fürchten muss Raab die RTL-Konkurrenz nicht. Schon häufig trat er nämlich mit «Schlag den Raab» oder seinen zahlreichen «TV Total»-Events gegen Bohlen und Co. an, wobei sich regelmäßig zeigte, dass sich die Zielgruppen so stark voneinander unterschieden, dass beiderorts kaum beklagenswerte Verluste verzeichnet wurden. Die letzte Ausgabe am 17. November schlug die Castingshow in der Zielgruppe übrigens knapp mit 21,8 gegenüber 20,9 Prozent.
Ohnehin dürften die vielen langjährigen «Schlag den Raab»-Zuschauer wissen, was sie an diesem Format haben. Regieren bei der RTL-Konkurrenz auch mit Thomas Gottschalk noch immer Künstlichkeit, Heuchelei sowie mitunter sogar eine latente Tendenz zur Menschenverachtung (wobei letzteres vor allem für die Castingausgaben des «Supertalents» und weniger für die Liveshows gilt), weiß man bei ProSieben um die Echtheit aller Emotionen, die sich im Laufe der mit Sicherheit wieder gut und gerne vier- bis fünfstündigen Ausstrahlung entwickeln. Man weiß, dass dort ein Kampfschwein antritt, das mit seinen 46 Jahren eigentlich schon längst finanziell für Lebzeiten ausgesorgt haben dürfte und in erster Linie aufgrund seines großen Ehrgeizes gegen einen erheblich jüngeren und sportlich augenscheinlich meilenweit überlegenen Menschen antritt. Sollte sich daraus ein spannendes Duell ergeben und vielleicht sogar die Musikacts Taylor Swift, Deichkind und Seeed zu überzeugen wissen, hat sich der sehr lange TV-Abend für den Zuschauer in jeder Hinsicht gelohnt - ganz gleich eigentlich, ob Raab im 38. Anlauf den 26. Sieg einfährt.