Markus Lanz wurde 2012 neuer «Wetten, dass..?»-Moderator und zum Aushängeschild des ZDF. Er ist mit seiner spätabendlichen Talkshow Quoten-Marktführer – und trotzdem nicht ganz unumstritten. Über den kontroversen TV-Gewinner Markus Lanz…
Eigentlich ist er auch ein Gewinner 2009, 2010, 2011: Markus Lanz, früher bei RTL als Klatsch-und-Tratsch-Ansager bei «Explosiv» und Reality-Moderator bei «Outback» oder dem Dschungelcamp-Magazin tätig, wuchs in den vergangenen Jahren zur echten Fernsehgröße heran. Die Quoten seines Abend-Talks wurden immer besser, an Johannes B. Kerner – den man nie gleichwertig zu ersetzen geglaubt hatte – verschwendet das ZDF keinen wehmütigen Gedanken mehr. Mit seinem ungewöhnlichen, schon verspotteten und parodierten Interviewstil hat sich Markus Lanz zur Nummer eins der Talkmaster entwickelt. Das Publikum liebt ihn und seine bunt zusammengewürfelten Gesprächsrunden unter der Woche. Seit Oktober dieses Jahres moderiert er deshalb sogar Europas größte Fernsehshow «Wetten, dass..?» – wer, wenn nicht er, ist ein echter Gewinner dieses TV-Jahres?
Nach drei Shows stellt sich aber Ernüchterung ein, sowohl bei einigen Kritikern als auch beim Publikum. Die jüngste Ausgabe vom Samstag hatte noch knapp neun Millionen Zuschauer, fast fünf weniger als bei der Premiere. Die Reichweiten bewegen sich derzeit auf dem Niveau, das Thomas Gottschalk vor seiner Rücktrittsankündigung eingefahren hatte – aber immerhin: Dessen RTL-Show «Das Supertalent» hat Lanz auch diesmal wieder in allen relevanten Zuschauergruppen deutlich hinter sich gelassen, auch bei den Jüngeren. Doch offensichtlich scheint, dass Markus Lanz es auch unter dem veränderten Showkonzept derzeit nicht schaffen kann, verloren gegangene «Wetten, dass..?»-Zuschauer zurückzugewinnen – oder gar ganz neue für sich zu begeistern.
Extreme Kritikerstimmen schreien nach der dritten Lanz-Ausgabe schon besonders laut. Bei „Welt Online“ resümiert Caroline Stanz beispielsweise: „Das ZDF braucht dringend ein neues Gesicht für seinen Klassiker «Wetten, dass ..?», und zwar eines, das man möglichst noch gar nicht kennt – egal ob Mann oder Frau, frisch von der Uni oder kurz vor der 70, schwarz, gelb oder weiß. Egal, egal, egal. Hauptsache ganz neu.“ Wohlgemerkt: Die zitierte Passage ist nicht vor zwei Jahren noch unter Gottschalks Ära erschienen, sondern am vergangenen Sonntag – einige Kritiker sind dem Tiroler TV-Star also schon jetzt überdrüssig. Immerhin: Bei Gottschalk war es schon nach einer Sendung so weit, dass die „Bild“-Zeitung dessen Absetzung forderte.
Und hier liegt vielleicht das Geheimnis des Erfolgs: Ungeachtet der Kritikerstimmen sollte Markus Lanz seine Vision von «Wetten, dass..?» auch im kommenden Jahr durchziehen und punktuell weiterentwickeln. Abseits einiger erneut peinlicher Situationen kam die dritte Show am Samstag wohl der angedachten Vision näher: mit einer gesprächigen und unterhaltsamen Gästerunde im Lanz-Stil, mit herausragend guten Wetten (dies war ein großer Kritikpunkt an der Premiere) und mit einem entspannteren Moderator. Auch sein Talk mit Sängerin Pink – der einzigen internationalen Showgröße auf der Couch – war der bisher beste mit US-Gästen. Hier lag aber auch ein Schwachpunkt: Hollywood-Flair fehlte komplett beim aktuellen «Wetten, dass..?», welches sich nach dem Hanks-Gate womöglich in Schadensbegrenzung versucht. Aber ganz ohne solche quotenträchtigen Talkgäste funktioniert die Show ebenfalls nicht.
Die angesprochene Vision eines neuen «Wetten, dass..?» aber ist erkennbar, wenn auch noch nicht voll entfaltet. Und dafür sollte man Markus Lanz und sein Team beglückwünschen: Man hat es geschafft, ein altes Konzept, an das sich die Zuschauer jahrzehntelang (!) gewöhnt hatten, in Teilen zu modernisieren. Und zwar so, dass man den alten Shows nicht nachtrauert, sondern neugierig ist auf das, was kommt – in der Hoffnung darauf, dass Markus Lanz irgendwann «Wetten, dass..?» so prägen kann, dass man Thomas Gottschalk nicht mehr vermisst. Genau so also, wie Lanz es als Kerner-Nachfolger geschafft hat. Denn sein Talk – und auch deswegen ist Markus Lanz ein Gewinner des Jahres – hat 2012 wieder mit vielen tollen Momenten aufgewartet: Zuletzt mit Thomas Gottschalk im Einzelgespräch, vorher aber auch mit brisanten Polit-Talks wie bei Doris Schröder-Köpf, Hannelore Kraft oder David McAllister. Mit skurrilen Begegnungen (Wolfgang Joop, Helmut Berger, Karl Lagerfeld, Lothar Matthäus) und mit spannenden Einblicken (Helge Schneider, Ernst Prost).
Und mit einem Markus Lanz, der weiß, wie man Gäste ins gemeinsame Gespräch bringt – und der meist verhindert, einen Talk zu langweiligen Einzelinterviews oder zur relevanzlosen Phrasendrescherei verkommen zu lassen. Im Jahr 2012 war sein Talk noch reicher an Höhepunkten als je zuvor. Markus Lanz: kontrovers, nicht ohne Fehler, lernfähig, visionär, Samstagabend-tauglich und vor allem erfolgreich – mit Abstrichen ein echter Gewinner eben.