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360 Grad: Apples and Oranges

FOX News und MSNBC sind nicht zwei Seiten der selben Medaille, meinungszentrischer Journalismus nicht per se unseriös. Ein Kommentar von Julian Miller.

Wenn man durch amerikanische Nachrichtensender zappt, sieht man etwas, das es in Deutschland in dieser Form eigentlich nicht gibt: Political Commentators. Journalisten also, die nicht nur die Nachrichten präsentieren und einordnen, sondern auch eine klare (je nach Sender mehr oder weniger) fundierte Meinung haben – und aus ihr keinen Hehl machen. Wir haben dagegen lediglich Michel Friedman und ARD-Redakteure im Einheitsmaßanzug, deren Köpfe so unterschiedlich sind wie ihre Thesen, die sie in der Kommentarspalte der «Tagesthemen» loswerden: allenfalls marginal.

In den USA ist die Fläche größer. FOX News und MSNBC bestücken sogar den überwiegenden Anteil ihrer Sendezeit mit derartigen Anchorn und Sendungen. Die politische Bandbreite und die Unterschiede in der journalistischen Qualität sind, nicht sonderlich überraschend, riesig.

Bei FOX News wird bekanntermaßen viel gewettert, primär natürlich gegen die unfähigen Demokraten mit ihren sozialistischen Plänen, wie man dort meint. Bill O'Reillys Talking Points und Sean Hannitys konfuse Ausführungen zu allen Themen von Gesundheitsreform bis Iran sind legendär. Vom wohl bizarrsten Commentator, Glenn Beck, hat man sich indes schon vor einiger Zeit getrennt – in Erinnerung sind seine, nennen wir es mal „Analysen“, geblieben, über Proteste in Wisconsin um Gewerkschaftsrechte, zu deren Erörterung er sich einen „Antichrist-Experten“ (was auch immer das ist) eingeladen hat, sowie seine Vorträge über das Kalifat, in das die ägyptischen Demonstranten die USA während des arabischen Frühlings laut ihm umbauen wollten. Jedem Europäer kommt das Essen hoch, wenn er sieht, was FOX News als Nachrichten verkauft. Und – auch wenn Deutsche das immer nicht glauben wollen – einer Mehrheit der Amerikaner auch.

Doch zumindest hierzulande schwappt der FOX-News-Ruf auch auf MSNBC über. Und das völlig zu unrecht. Zwar ist eine klare Meinung bei einer Vielzahl der MSNBC-Anchor nicht nur eindeutig zu vernehmen, sondern in der Berichterstattung auch gewollt, aber anders als bei FOX News werden dort die Meinungen klar mit Fakten unterfüttert und auf einem journalistisch wie intellektuell hohen Niveau präsentiert. Rachel Maddow, Ed Schultz und Chris Matthews analysieren mit messerscharfen Verstand, während bei FOX News das kumulative Entsetzen vor Barack Obamas Politik in einer Art konservativer Selbsthilfegruppe quer durch alle Sendungen geschleift wird.

Der größte Unterschied zwischen den beiden Sendern besteht ohnehin darin, dass FOX News nicht davor zurückschreckt, aktiv in das politische Geschehen einzugreifen. Etwa wenn es sich in der Vergangenheit an der Organisation von Tea-Party-Demonstrationen beteiligt hat. Dass es sein On-Screen-Personal aus den Rängen der republikanischen Partei rekrutiert, ist da vergleichsweise wenig verwunderlich. Bemerkenswerter ist es da, dass es mit John Kasich ein ehemaliger Anchorman nach seiner Arbeit bei FOX News bis zum Gouverneur von Ohio geschafft hat.

Wer Maddows oder Matthews' Shows gesehen hat, wird nichts von einer derartigen Agitation oder derartigen inhaltlichen Verfälschungen sehen und schnell feststellen, dass meinungszentrischer TV-Journalismus nicht Hand in Hand mit einer Abkehr von der Seriosität geht.

Die Lautesten und Kontroversesten sind nur eben die, die in aller Munde sind.
09.11.2012 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/60234
Julian Miller

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360 Grad Fox News MSNBC Rachel Maddow Bill O'Reilly Sean Hannity Chris Matthews Ed Schultz

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