TV-Berater Uwe Walter über Markus Lanz und seine Mammut-Aufgabe, die Show «Wetten, dass..?» am Leben zu erhalten.
Keine Angst, das hier ist kein Artikel über Markus Lanz und «Wetten, dass..?». Tatsächlich habe ich weder die erste, noch die zweite Show gesehen – und das, obwohl Fernsehen mein Beruf ist und die Nachfolgefrage zwischendurch nationale Ausmaße angenommen hat.
Warum ich nicht eingeschaltet habe? Vielleicht, weil ich glaube, dass man sich mit einer Pistole am Kopf nicht entwickeln kann. Bei einer Sendung wie «Wetten, dass..?» geht es um verschiedenste Interessen. Die meisten haben mit Macht und Geld zu tun. Die wenigsten mit guter Unterhaltung.
Moderator von «Wetten, dass..?» zu sein, ist eine Gewissensfrage. Man muss politisch geschickt sein und hierarchisch unerschrocken. Ein moderierender Vollprofi, der im richtigen Moment schweigt, was sagt und wenn notwendig aus dem Stegreif in eine völlig andere Richtung galoppieren kann. Denn: die repressive Stimmung im deutschen Fernsehen ist auch in diesem Job nicht wegzudenken. Oder besser gesagt: vor allem in diesem Job.
Schon der Gedanke an diese Fußfessel hat offensichtlich weder Barbara Schöneberger noch Hape Kerkeling wirklich behagt. Zwei, die sich bestens auf die Kunst verstehen, zu unterhalten. Deren Schlagfertigkeit und Witz so viel Charme haben, dass sie einen Raum manchmal nur dadurch zur Bühne machen, dass sie ihn betreten. Was sollen also gerade diese beiden auf der größten leerstehenden Bühne Deutschlands verloren haben? Das würde nur Sinn machen, wenn sie die Freiheit hätten, sie authentisch zu bespielen. Mit Persönlichkeit, mit menschlicher Wärme und mit Humor, dass ganz Deutschland sich vor Lachen die Bäuche hält.
Wahrscheinlich war es auch das, was Tom Hanks gefehlt hat. Der Mann hat sich schon durch Jahrzehnte von Oscar-Verleihungen gesessen – der weiß nun wirklich, wie es ist, an einer längeren Veranstaltung teilzunehmen. Aber jemand wie Tom Hanks, der lebt unterhaltungstechnisch einfach auf einem anderen Planeten. Für den sind drei Stunden ohne grandioses Entertainment so verblüffend, dass er sich fragt: „Was ist der Sinn dieser Show? Warum schaut sich das jemand an?“
Schwer zu erklären. Es ist wohl das oft zitierte „typisch Deutsche“, das uns auch immer wieder auf den gleichen Campingplatz fahren lässt, obwohl die Toiletten nicht so sauber sind. Wir haben Stammtische, Kegelclubs und pflegen Brieffreundschaften. Wir hören immer den gleichen Radiosender, schauen sonntags «Tatort» und wenn es läuft, eben auch «Wetten, dass..?». Wir sind die Gewohnheit gewohnt – und nicht, gut unterhalten zu werden.
Tatsache ist: Wir füttern mit unseren Fernsehgebühren einen Dinosaurier, nur weil er schon immer da war. Dabei ist Evolution ja was Gutes und die Dinosaurier sind nicht ohne Grund ausgestorben. Aber vielleicht steht uns da die deutsche Gründlichkeit im Weg.
Eine Bühne einfach so leer stehen zu lassen, das fällt uns schwer. Aber wäre das nicht genau das, was wir mal tun müssten? Einen leeren Raum nehmen, uns hineinsetzen und überlegen, welchen Kundennutzen wir bieten können? Wie oft habe ich gehört, dass „der Zuschauer das genau so will“ – von Redakteuren, die der Zielgruppe ihrer Sendung nicht entsprechen und in ihrem Privatleben auch keinerlei Verbindung mit ihr haben.
Doch ich erlebe auch immer wieder, welche großartigen Talente in den Sendern sitzen. Viele von ihnen über Jahre in ihrer Kreativität beschnitten, unterdrückt und mittlerweile daran gewöhnt, dem kleinsten gemeinsamen Nenner gerecht zu werden. Aber Lust, was zu reißen – das haben sie alle. Lust auf neue Ideen und endlich mal was zu dürfen – der Trank schmeckt ihnen. Genauso wie den jungen Produktionsfirmen, die nicht über geänderte Sehgewohnheiten sprechen, sondern sie leben.
Deutschland war mal eine Hochkultur. Die geistige Freiheit unser höchstes Gut. Wenn wir anfangen, unseren jungen Talenten wirklich zuzuhören, ihre Kreativität mit dem Know-how der alten Hasen zu koppeln und endlich aufhören, Gefangene zu nehmen, dann – und nur dann – schalte ich auch wieder «Wetten, dass..?» ein.
Mehr über Uwe Walter erfahren Sie auf seiner
Unternehmenshomepage Walter Media.