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360 Grad: Bock und Gärtner in Personalunion

Die Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks - nach dem Strepp-Zwischenfall wieder aktuell. Ein Kommentar von Julian Miller.

Die Causa Brender, einer der Tiefpunkte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgeschichte, ist noch keine zwei Jahre alt. Kurt Becks sonderbare Äußerungen über eine mögliche Schließung der Digitalkanäle des ZDF noch nicht einmal ein Jahr.

Nun soll es schon wieder zu einem Übergriff der Politik auf den Rundfunk gekommen sein. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf Mitarbeiter der «heute»-Redaktion berichtet, soll CSU-Parteisprecher Hans Michael Strepp den Versuch unternommen haben, eine Berichterstattung über den SPD-Landesparteitag in Nürnberg und die Wahl Christian Udes zum Spitzenkandidaten für die anstehende Landtagswahl in Bayern zu verhindern.

Strepp bestreitet zwar nicht, ein Telefonat mit der entsprechenden ZDF-Redaktion geführt zu haben, betonte jedoch, dass die Tatsachen in der öffentlichen Darstellung verdreht worden seien. Worüber er tatsächlich mit dem ZDF gesprochen haben will, verriet er indes nicht. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich seine Gründe dafür vorzustellen. Inzwischen verkündete er seinen Rücktritt, der Shitstorm ist in vollem Gange. Und auch so manch offensichtliche Frage, etwa die nach möglichen Hintermännern in der bayerischen Regierung, darf nun gestellt werden.

Wieder einmal taucht die Diskussion um die eigentlich gebotene Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf. Und wieder einmal wird sie wohl so fruchtlos verlaufen wie vor zwei Jahren, als man den damaligen Chefredakteur abgesetzt hat, den auch eine Petition von mehreren Dutzend entsetzten Staatsrechtlern nicht mehr in seiner Position retten konnte.

Doch die Sache mit der Staatsferne ist ohnehin wohl etwas problematisch, wenn man sich ansieht, wer alles Mitglied im ZDF-Fernsehrat ist, dem so wichtige Aufgaben wie die Wahl des Intendanten und die Festlegung von Richtlinien für die Sendungen der Programmanstalt zufallen. Denn dort sind in trauter Einsamkeit Landtags- und Bundestagsmitglieder aller im Parlament vertretenen Fraktionen versammelt. Neben Leuten wie Erika „Ich kann es leider auch nicht ändern, dass Polen schon im März 1939 mobil gemacht hat“ Steinbach natürlich.

Im Verwaltungsrat sieht es leider nicht viel besser aus – auch wenn es dort die Bestimmung gibt, dass die acht der vierzehn Mitglieder, die vom Fernsehrat gewählt werden, keine Regierungs- oder Parlamentsmitglieder sein dürfen. Der Politik nahe stehen aufgrund ihrer vorherigen Aufgaben jedoch die meisten von ihnen. Bei den anderen sechs Mitgliedern des Verwaltungsrats handelt es sich ferner um Vertreter der Bundesländer oder der Bundesregierung, aktuell Kurt Beck, Stanislaw Tillich, Horst Seehofer und Matthias Platzeck. Ob angesichts dieser handelnden Personen wirklich ein Interesse besteht, Staat und Rundfunk voneinander strikt zu trennen und die Politik in Senderentscheidungen außen vor zu lassen? Oder sieht das nicht doch zu sehr nach Bock und Gärtner in Action aus?

Die Causa Brender hat eigentlich schon vor zwei Jahren eine Antwort auf diese Frage gegeben.
26.10.2012 00:00 Uhr Kurz-URL: qmde.de/59974
Julian Miller

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360 Grad ZDF-Fernsehrat Rundfunkrat Verwaltungsrat

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